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Energiegemeinschaften: Schlüssel für die Energiewende

„Energiegemeinschaften als innovative Genossenschaftsform" - so lautete das Thema einer Diskussionsrunde der Genossenschaftsverbände im Rahmen der „Sustainability Days" in der Messe Bozen.

Unter den 17 nachhaltigen Entwicklungszielen der Agenda 2030 findet sich Ziel 7 "Clean and accessible energy" ("Bezahlbare und saubere Energie"). Es zielt darauf ab, bis 2030 den Zugang zu erschwinglichen, zuverlässigen, nachhaltigen und modernen Energiesystemen für alle zu gewährleisten. Welchen Beitrag dazu Energiegemeinschaften leisten können, wurde am 7. September in der Messe Bozen im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit Expertinnen und Experten der Südtiroler Genossenschaftsverbände erläutert, von Manuela Paulmichl, Direktorin des Landesamtes für Genossenschaftswesens, geleitet wurde.

Nachhaltige Energieversorgung

Zu Energiegemeinschaften können sich Privatpersonen, Unternehmen und lokale Körperschaften zusammenschließen. Sie statten sich mit einer Infrastruktur zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen aus und produzieren, speichern, verkaufen und verbrauchen Energie. Mitglieder sind also häufig "Prosumers", das heißt Personen, die Energie gleichzeitig produzieren und konsumieren. Die wichtigste Form, was die Anlagen betrifft, ist derzeit die Fotovoltaik.

Wer beispielsweise eine Fotovoltaikanlage errichtet, kann in einer Energiegemeinschaft mit seinen Mitgliedern die eigenerzeugte Energie gemeinschaftlich selbst verbrauchen. Die Mitglieder einer Energiegemeinschaft agieren nicht nur als Verbraucher, sondern auch als Produzenten, was wirtschaftliche und soziale Vorteile mit sich bringt. Zudem nutzen Energiegemeinschaften regenerative Ressourcen und fördern damit eine nachhaltige, lokale und saubere Energieversorgung. Sie leisten damit einen Beitrag zur Klimaneutralität und treiben die Energiewende durch erneuerbare Energien voran.

Bis Jahresende gesetzliche Voraussetzungen

Die Möglichkeit der Gründung von Energiegemeinschaften geht auf die Festlegung der EU-Energieeffizienz-Richtlinie im Jahr 2018 zurück; in Italien wurde diese im Vorjahr mit der Umwandlung des Dekrets der Aufschubverordnung ("Milleproroghe") ermöglicht. „Wir sind noch nicht ganz da, wo wir sein sollten, aber bis Jahresende müssten in Italien alle gesetzlichen Maßnahmen in Kraft sein, um die Gründung von Energiegemeinschaften in Genossenschaftsform zu erleichtern", berichtete Barbara Passarella vom Bereich Schutz & Förderung des Genossenschaftswesens im Raiffeisenverband Südtirol

Barbara Passarella verwies unter anderem auf wichtige Neuerungen betreffend die Energiegemeinschaften in dem Ende 2021 verabschiedeten Gesetzesdekret RED II. Beispielsweise können Energiegemeinschaften auch Anlagen bis zu einer maximalen Leistung von1 Megawatt bauen und nicht nur Anlagen bis zu 200 Kilowatt, wie ursprünglich vorgesehen. „Dies bedeutet den Bau von deutlich größeren Anlagen, was der örtlichen Gemeinschaft zum Vorteil gereicht“, meinte Passarella.

Zudem können Energiegemeinschaften nun auch die Primärkabinen nutzen, während die bisherige Regelung den Anschluss aller Mitglieder an eine einzige Sekundärkabine vorsah. Dies ermögliche es den Energiegemeinschaften zu wachsen und etwa in ländlichen Gebieten auch mehrere Gemeinden zu umfassen. Als dritte Neuerung nannte Passarella, dass Energiegemeinschaften teilweise auch bereits bestehende Anlagen nutzen dürften, die vor dem 30. Dezember 2019 installiert wurden.

Passarella verwies im Rahmen der Diskussion auch auf die Zusammenarbeit des Raiffeisenverbandes mit dem Energieversorger Alperia und dem Technologieanbieter Regalgrid Europe, um Interessierte, die eine Energiegemeinschaft gründen wollen, vollumfänglich unterstützen zu können.

Genossenschaften am besten geeignet

Wie die Vertreter der Südtiroler Genossenschaftsverbände - Raiffeisenverband, Coopbund, Cooperdolomiti und AGCI - betonten, „ist das Genossenschaftsmodell genau auf diese Entwicklung ausgerichtet, denn die Förderung der Mitglieder und des Bezugsgebietes stehen bei einer Genossenschaft stets im Vordergrund." Genossenschaften seien demokratisch ausgerichtet und es gelte das Prinzip der „offenen Tür": Mitglied werden können alle, die die Voraussetzungen dafür mitbringen. „Die Genossenschaftsform ist sehr geeignet, um Energiegemeinschaften zu gründen", so die Vertreter der Genossenschaftsverbände. Sie arbeiten mit dem Landesamt für die Entwicklung des Genossenschaftswesens zusammen, um das Modell "Energiegemeinschaft in Genossenschaftsform" in Südtirol zu unterstützen.

Vor allem gehe es darum, auch Mitgliedern, die sich nicht in räumlicher Nähe zueinander befinden, die Bildung von Energiegemeinschaften zu ermöglichen, erklärte Enrico Bramerini, Präsident von Cooperdolomiti. Er sprach die historische Bedeutung der Energiegenossenschaften in Italien an und unterstrich die große Bedeutung der neuen Form der Energiegemeinschaften auf europäischer Ebene.

Auch für Nicola Grosso, Vizedirektor von AGCI, ist die Genossenschaftsform die am besten geeignete Rechtsform, um die Bedürfnisse der Mitglieder der Energiegemeinschaften zu erfüllen. „Das Selbsthilfeprinzip ist in der DNA der Genossenschaften. Zudem ist diese Rechtsform geeignet, alle Akteure – von der Produktion über die Netzeinspeisung bis hin zum Konsum – auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen."

Barbara Passarella vom Raiffeisenverband erläuterte, dass auch die Energiegemeinschaften eine eigene Rechtspersönlichkeit haben müssen und ihr Hauptzweck nicht in der Gewinnerzielung liegen dürfe, sondern vor allem in der Erbringung ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Leistungsvorteile für die Mitglieder bzw. für die lokale Gemeinschaft liegen müssen. „Daher eignet sich die Form der Genossenschaft mit ihren Grundprinzipien der Gegenseitigkeit, der Subsidiarität und der Wirtschaftsdemokratie besonders gut für die Gründung von Energiegemeinschaften“, meinte Passarella.

Alex Baldo von Coopbund Südtirol betonte schließlich, dass die institutionelle Unterstützung zwar wichtig sei, die Initiative bei der Gründung von Energiegemeinschaften aber immer von der Basis  ausgehen müsse: „Es braucht aktive Bürgerinnen und Bürger sowie aktive Klein- und Mittelunternehmen. Wir sind aber zuversichtlich, denn Südtirol ist ein fruchtbarer Boden für Kooperation."