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Arbeitskreis für Frauen in Genossenschaften | Wein
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St. Pauls: die erste Kellerei Südtirols mit drei Frauen im Verwaltungsrat

Seit der letzten Vollversammlung arbeiten im Verwaltungsrat der Kellerei St. Pauls erstmals drei Frauen mit. Was sie dazu veranlasst hat sich im Gremium einzubringen, verraten die beiden neu gewählten Franziska Bauer und Magdalena Kössler und Erika Call, die bereits ihre dritte Legislatur antritt.

Raiffeisen Nachrichten: Erika Call, Sie sind schon länger als einzige Frau im Verwaltungsrat der Kellerei St. Pauls tätig. Wie ist es für Sie plötzlich zwei Frauen an Ihrer Seite zu haben?

Erika Call: Beruhigend.

Beruhigend?

Erika Call: Ja, ich bin schon seit sechs Jahren im Verwaltungsrat und kann sagen, dass es nicht immer einfach war, sich in einer Männerdomäne durchzusetzen. Es hat mich gefreut, angenommen worden und gleichzeitig meiner eigenen Linie treu geblieben zu sein.

Wie haben Sie sich bisher eingebracht?

Erika Call: Ich habe mich in erster Linie als Frau und Bäuerin eingebracht. Einerseits ist mir wichtig, dass meine Weingüter gut bearbeitet werden und der daraus produzierte Wein eine stets angemessene Qualität hat. Andererseits war mir auch die soziale Komponente wichtig, da neben dem wirtschaftlichen Erfolg der Kellerei auch der Bauer als Individuum steht.

Warum haben Sie erneut kandidiert?

Erika Call: Die beiden Legislaturen, die ich hinter mir habe, waren intensiv und reich an Veränderungen. Daraufhin wollte ich nicht den Kopf in den Sand stecken und habe mich erneut der Wahl gestellt. Ich habe mich gefreut, dass ich wiedergewählt worden bin und das Vertrauen der Mitglieder erhalten habe. Zur Wiederwahl bin ich trotzdem mit gemischten Gefühlen angetreten, in Anbetracht der Herausforderungen, die unserer Kellerei gestellt wurden.

Inzwischen hat sich jedoch einiges verändert. Die Arbeit, die uns jetzt bevorsteht, wird zeigen, ob sich die Veränderung bewährt hat.

Magdalena Kössler: Ich habe neben Landwirtschaft das Studium für Weinbau, Önologie und Weinwirtschaft in Wien abgeschlossen. Daneben habe ich in verschiedenen Bereichen in Neuseeland, Australien, Argentinien auch hier in Italien gearbeitet und Praktika gemacht. Nach dem Studium bin ich in den Familienbetrieb eingestiegen. Das Genossenschaftswesen war bei uns in der Familie immer schon großgeschrieben, deshalb war es mir ein Anliegen, mich aktiv in die Kellerei einzubringen.

Für die Vollversammlung wurden neue Kandidaten gesucht. Und da habe ich mir gedacht, ich probiere es, auch wenn ich ein bisschen unsicher war, weil ich erst 31 Jahre alt bin. Ich habe mich auch gefragt, ob das von der Gemeinschaft überhaupt gewollt ist, wie kann ich mich einbringen, bin ich überhaupt interessant oder passe ich charakterlich in dieses Gefüge. Ich glaube ein Mann in meinem Alter würde einfach sagen, ja logisch passe ich da rein.

Heute spüre ich einen gewissen Stolz, dass wir zu dritt hier sitzen. Es widerspiegelt das, was bei uns im Dorf und in der Kellerei los ist: da ist ein moderner Gedanke, ein moderner Zug fährt durch. Oder wie seht ihr das?

Franziska Bauer: Betrachtet man die Zahlen der Stimmen, sind wir - von den mehrheitlich männlichen Mitgliedern - gut gewählt worden.

Magdalena Kössler: Wir sind im Jahr 2022 und es sollte eigentlich Normalität sein, dass Frauen im Verwaltungsrat sitzen.

Franziska Bauer: Und doch sind wir landesweit die erste Kellerei, die drei Frauen im Verwaltungsrat hat…

Erika Call: Vor sechs Jahren war ich die erste Frau in einem Gremium der Kellerei St. Pauls, die immerhin schon seit weit über 100 Jahren besteht. Nach und nach sind auch an anderen Kellereien Frauen gewählt worden: in der Kellerei St. Michael, in Schreckbichl und auch in Girlan. Vor sechs Jahren war es noch ein Novum, doch jetzt bin ich froh, dass sich hier einiges verändert.

Was gab Ihnen allen den Impuls diesen Schritt ins Gremium zu machen?

Franziska Bauer: Mich hat die Herausforderung gereizt mitzuarbeiten, mitzugestalten und mitzuentscheiden. Unabhängig von der Zeit, die ich für Sitzungen und Gespräche investiere, geht es darum, ein Unternehmen zu führen und die Geschäfte zu überwachen. Bei den Entscheidungen bin ich allerdings nicht allein, sondern Teil einer Gemeinschaft - Mitglied des Verwaltungsrates. 

Erika Call: Wir haben Verantwortung für die Entscheidungen, die getroffen werden. Das betrifft sowohl Personalentscheidungen, wie auch Investitionen in Umbauten, Modernisierung und Innovation. Durch mutige Entscheidungen konnten wir die Kellerei St. Pauls in ihrer Qualität und Sichtbarkeit in der Weinwelt weit voranbringen.

Diese Entscheidungen benötigten Zeit und Reflexion, aber besonders einen regen Austausch unter den Vorstandsmitgliedern. Ich hatte einige schlaflose Nächte, in denen ich mich gefragt habe, ob wir wirklich die richtige Entscheidung getroffen haben.
Für mich war die Tätigkeit im Vorstand auch eine persönliche Herausforderung, an die ich mich gerne herangewagt habe. Meine Familie freut sich über mein Engagement und unterstützt mich dabei.

Magdalena Kössler: Für mich hat sich alles erst in den letzten Monaten vor der Vollversammlung ergeben. Mein Bauchgefühl hat mir gesagt, ich bin jetzt da und bereit mich neuen Herausforderungen zu stellen. Ich habe auch viel mit meinem Vater über die Arbeiten und die Aufgaben im Verwaltungsrat gesprochen. Ich habe Einiges gesehen, Erfahrungen gesammelt und wenn es erwünscht ist, kann ich meinen Beitrag leisten und eine weitere Meinung einbringen. Es ist auch eine Herausforderung von der Privatwirtschaft zu kommen. Als Selbständige entscheide ich selbst oder im Gespräch mit meinen Eltern, ob wir jetzt Weg A oder B nehmen. Hier stehen die Interessen des Betriebes im Vordergrund, nicht die eigenen. Und dann sitze ich in einem Sitzungssaal mit Menschen, die ich erst kennenlernen muss. Ich sehe das als persönliche Chance, an der ich wachsen kann. Wir haben viele Aufgaben vor uns und deshalb wird es sicher nicht langweilig.

Erika Call: Auch ich habe lernen müssen, dass das Genossenschaftswesen ganz anders funktioniert. Die Entscheidungsfindung ist ein Prozess, der zuweilen auch träge sein kann. Für jede Entscheidung muss man sich die Zeit nehmen und bedenken, dass eine Gemeinschaft von rund 200 Mitgliedern dahintersteht.

Franziska Bauer: Wichtig ist sich einzubringen. Man kann ruhig seinen eigenen Standpunkt vertreten. Ich habe in anderen Gremien erlebt, dass jeder seine Meinung gehabt hat. Und nach einer offenen Diskussion haben sich die Blickwinkel verändert, so dass es zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen ist, mit dem alle leben konnten. So sollte es sein. Sonst braucht man erst gar nicht im Gremium sitzen. Das Gemeinschafts- und Genossenschaftsdenken ist wichtig: einer für alle und alle für einen. Wenn alle profitieren, profitiere ich auch.

Gibt es etwas, das Sie in der kommenden Amtszeit einbringen möchten?

Franziska Bauer: Es stehen viele Aufgaben an, wie die Neuorientierung, bestehende Strukturen müssen ausgearbeitet werden, Aufbau von gewissen Sparten. Das macht es interessant. Eine Herausforderung, die wir gemeinsam bewältigen werden.

Magdalena Kössler: Was mir persönlich am Herzen liegt, ist eine Steigerung der Wertschätzung in der Kellerei, intern und extern. Ich sehe einen Kreis, der momentan noch Bruchstücke hat, an denen wir arbeiten müssen, wollen und können. Hier möchte ich mich einbringen.

Erika Call: Mich freut es, dass in diesem Gremium nun viele neue Ideen, neue Gesichter und neue Visionen einbracht wurden. Ich sehe, dass es nun vorwärts geht und wir neue Wege beschreiten.

Franziska Bauer: Das ist ein guter Ausgangspunkt für die zukünftigen Arbeiten, die wir voll motiviert angehen werden.

Magdalena Kössler: Ja, es bleibt spannend.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Irene Schlechtleitner