I contenuti di questa pagina sono disponibili solo in lingua tedesca
Arbeitskreis für Frauen in Genossenschaften
|

Waltraud Huber: „Es gibt kaum Frauen in meinem Bereich.“

Waltraud Huber ist geschäftsführende Inhaberin der Baumschule Huber Brugger in Terlan und seit Oktober 2020 Mitglied im Verwaltungsrat der Raiffeisenkasse Etschtal. Als erfolgreiche Frau in einer Männerdomäne hat sie Frausein als Alleinstellungsmerkmal erlebt.

Raiffeisen Nachrichten: Warum haben Sie sich für die Mitarbeit im Verwaltungsrat der Raiffeisenkasse Etschtal entschieden?

Waltraud Huber: Ich habe mir gedacht, hier kannst du einen Beitrag für dörfliche Entwicklung und lokale Wirtschaft leisten, Neues unterstützen, jungen Leuten und neuen Ideen durch eine finanzielle Möglichkeit Zukunftsperspektiven geben.  Genossenschaftswesen war ein großer Teil in meinem Studium (Universität für Bodenkultur in Wien), eine Zeit lang war ich VWR einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, es hat mich interessiert anzuschauen, wie gelebte Genossenschaft in der Finanzwelt funktioniert, wo es hier Vorteile für Mitglieder gibt.

Corona-bedingt war mein Start bei der Raiffeisenkasse Etschtal allerdings vorwiegend online. Dennoch konnte ich einige der angebotenen Kurse in Präsenz besuchen, ich habe fachlich sehr viel dazugelernt und konnte mich im Netzwerk austauschen. Auch die Werte und Vorteile des Genossenschaftswesens wurden sehr gut vermittelt.

Und was haben Sie herausgefunden?

Na ja, eine genossenschaftliche Organisation macht dann am meisten Sinn, je stärker und bedeutender das gemeinsame Bedürfnis der Mitglieder ist. Das könnte in unserer aktuellen Situation zwischen Pandemie und neuen wirtschaftlichen Entwicklungen noch wichtiger werden. 

Was machen Sie neben ihrem Engagement im Gremium der Raiffeisenkasse Etschtal, wie sieht Ihr Geschäftsalltag aus?

Wir sind ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Obstbau und Obstbaumschule in der Provinz Veneto in der Poebene. Üblicherweise bin ich 1/3 der Woche in der Poebene und 2/3 in Terlan. Wobei ich mit allem Anfallendem von Arbeitsorganisation über Verwaltung, bis Verkauf zu tun habe.

Was fällt Ihnen besonders leicht?

Leicht fallen mir praktische Entscheidungen und das Arbeiten mit Menschen, das mache ich gerne. Ich denke da beispielsweise an die Baumschularbeit. Wir sind ein Biobetrieb, von der Produktion der Apfelbäume, wo Handarbeit eine sehr große Rolle spielt, bis zum Verkauf, Messen und Kundenbesuche. Ich organisiere gerne, es gefällt mir den Überblick zu haben und zu entscheiden. Ich habe eine sehr abwechslungsreiche Arbeit, ich kann viel im Freien sein, sitze aber auch am Schreibtisch oder bin unterwegs zu Kundenbesuchen im In- und Ausland. Die Apfelbäume werden in zwei Jahren von ganz klein bis sie zwei Meter groß sind, aufgezogen. Da wird ständig geformt, Ästchen entfernt, Gipfel getoppt, angebunden, Unkraut gejätet, usw. Mit jeder Saison startet eine neue Produktion und somit die Chance Neues auszuprobieren.

Wie viele Mitarbeitende beschäftigen Sie?

Wir haben derzeit zwei Fixangestellte im Betrieb und je nach Saison bis zu 15 Saisonskräfte.

Welches war die größte Herausforderung auf Ihrem bisherigen Lebensweg?

Meine größte Herausforderung täglich bleibt mich durchzusetzen. Ich bin Frau allein in einem Betrieb in der Poebene. Meine Arbeitskontakte sind zu 100 Prozent Männer. Bei neuen Kontakten braucht es meistens einen Moment, bis alle Beteiligten verstanden haben, dass es keinen Mann gibt, irgendwo dahinter, der vielleicht nur heute nicht da ist. Mit dem Alter wird das besser ;-), als junge Frau war das noch sehr viel schwieriger. Gerne hätte ich mehr Frauen in meinem Bereich.

Wie gehen Sie mit dieser Situation um?

Mit trockenem deutschen Humor. (Lacht)

Wie begegnen Sie Herausforderungen?

Beginnen, einen Schritt nach dem anderen machen, den Überblick und das Ziel im Auge behalten.

Welche drei Eigenschaften beschreiben Sie als Persönlichkeit am besten?

Spontan, bodenständig und praktisch.

Was bedeutet Führung für Sie?

Dass ich jeden Tag die Energie weitergebe, die ich im Betrieb haben möchte, und die Mitarbeiter das Ziel mit dem gewünschten Ergebnis im Hinterkopf haben. Das kann heute eine kleine lokale Situation sein, die es zu regeln gilt, ein anderes Mal eine weitgreifende Entscheidung zu treffen sein.

Was bedeutet Macht für Sie?

Ganz spontan ist Macht für mich ein negatives Wort, ich denke da an den Ukrainekrieg, an unterdrückende Regierungen, usw. Im Betrieb erlebe ich Macht jedoch auch als etwas Positives, man hat die Freiheit etwas zu bewegen und zu verändern.

Was gibt Ihnen im Leben das Gefühl, stark zu sein?

Stark fühle ich mich, wenn mir eine Herausforderung gelungen ist, wenn ich etwas verändert oder erfolgreich umgesetzt habe. Oder wenn ich die Bestätigung vom Gegenüber spüre, egal ob im geschäftlichen, sozialen, oder im privaten Bereich, von Mitarbeitern oder Kunden.

Wie erleben Sie in Ihrem Bereich die Bedeutung des Frauseins für Ihren Erfolg?

In meinem Bereich habe ich es so erlebt, dass man ein Alleinstellungsmerkmal hat, dass man etwas Kurioses ist und Neugierde weckt. Und sonst denke ich, hat Frausein den Vorteil, dass schwierige Situationen eher mit Empathie gelöst werden. Wir Frauen sind ausdauernd und resilient J.

Hatten Sie je das Gefühl, dass das Frausein Ihrer Karriere im Wege stand?

Nein, im Wege gestanden sicher nicht.  Am Anfang war der Druck zu meinen man müsse perfekt sein, mindestens 110 Prozent leisten, und zeitlich gleich disponibel sein wie Männer, sehr groß. Zum Glück ist auch die Zeit vorbei in der wir Frauen uns männlich verhalten haben, um in der Männerwelt anzukommen. Inzwischen verstehen wir, dass wir authentisch sein dürfen. Wir brauchen nicht kopieren und keinen blauen Hosenanzug anziehen. Und je mehr Frauen in Gremien vertreten sind, desto leichter wird es für uns, denn dann ist das Frausein nicht die Ausnahme, sondern Normalität.

Eigentlich braucht man nicht darüber nachdenken, wir sind 50% Frauen und 50% Männer, und daher müssen alle Entscheidungen auch 50:50 getroffen werden. Das Verhältnis soll immer ausgeglichen sein, denn wieso sollen andere über 50 Prozent entscheiden?

Von welchen Menschen fühlen Sie sich inspiriert?

Natürlich von Frauen die Geschichte gemacht haben und Erfolg haben. Angefangen von Pippi Langstrumpf, die sich alles traut, bis hin zu Frauen, die sich auf lokaler oder Europaebene im Sozialen und in der Politik einsetzen und etwas bewegen.

Gibt es Bereiche im Wirtschaftsleben, wo man Ihrer Meinung noch mehr für die Gleichstellung der Geschlechter tun könnte?

Ja, auf alle Fälle, das ist außer Frage. Das beginnt beim Bewusst machen und Ansprechen der aktuellen Präsenz von Frauen.

Bezüglich Kinder muss beiden Elternteilen eine Elternzeit ermöglicht werden, dazu braucht es gerechte Gehälter, genügend Kindertagesstätten, usw. Frauenquoten helfen sicher, die Anzahl der Frauen in Führungspositionen oder Gremien zu erhöhen, sie sind aber oft erschreckend nieder.

Bei den Bäuerinnen hat sich im Vergleich zur Generation meiner Eltern einiges getan. Trotzdem ist die Frau heute oft noch im Hintergrund: Sie arbeitet am Hof vollzeitlich mit, aber nach Außen ist sie weitgehend unsichtbar. Sie sitzt in kaum einer landwirtschaftlichen Genossenschaft im Vorstand. 

Machen Sie etwas, um Frauen zu fördern?

Ich versuche junge Frauen zu motivieren, dass sie sich etwas zutrauen, dass sie fordern dürfen, und sich nicht vom Weg abbringen lassen. Im eigenen Betrieb sind das flexible Arbeitszeiten für Frauen und Männer und eine faire Entlohnung für die Frau.

Was macht Sie privat und beruflich glücklich?

Ein gesunder Ausgleich zwischen Energietanken durch Freizeitsport, Musik, auf sich schauen und bei der Arbeit so organisiert sein, dass man das Gefühl hat man hat alles im Griff.

Folgen Sie einem Lebensmotto?

Ins kalte Wasser springen und schwimmen.

Welchen Rat würden Sie Frauen geben, die auf eine Karriere in Ihrem Bereich hoffen?

Sie sollen sich getrauen und falls sie etwas in Frage stellen oder zweifeln, nicht bei sich selbst anfangen. Das ist klassisch. Es hilft auch sich eine dickere Haut und Selbstsicherheit zuzulegen, damit man nicht gleich aufgibt, wenn man Gegenwind spürt.

Vielen Dank für das Gespräch!