Arbeitskreis für Frauen in Genossenschaften | Finanzen
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Karin Obergasser: „Auch Männer kochen nur mit Wasser.“

Die Vize-Gemeindesekretärin und Vize-Obfrau der Raiffeisenkasse Eisacktal stellt sich gerne neuen Herausforderungen. Im Interview verrät sie, warum es wichtig ist, dass Frauen in Führungsgremien Verantwortung übernehmen.

Raiffeisen Nachrichten: Wie ist es zu Ihrem Engagement als Vize-Obfrau der Raiffeisenkasse Eisacktal gekommen?

Karin Obergasser: Ich war zunächst - nach der Wahl im Jahr 2013 - zwei Jahre lang im Verwaltungsrat der Raiffeisenkasse Eisacktal tätig. Von Anfang an freute es mich, als Vertreterin der Mitglieder in diesem Gremium Verantwortung zu übernehmen und die Entwicklung unseres Tätigkeitsgebiets mitzugestalten.

Bei den Neuwahlen 2015 erhielt ich viele Stimmen, und für den neuen Obmann, Peter Winkler, stand fest, dass die Zeit für eine weibliche Besetzung als Vize-Obfrau gekommen war.

Sie haben gleich zugesagt?

Karin Obergasser: Es war April 2015, drei Wochen nach der Geburt meiner Tochter, eine neue Lebenssituation für mich und ein Amt, das Zeit und Einsatz verlangt. Da habe ich schon kurz überlegt. Durch die gute Zusammenarbeit mit dem Obmann und die Unterstützung meiner Familie waren die Rollen als Mutter und Vize-Obfrau von Anfang an gut vereinbar.

Wie sieht Ihre Arbeit als Vize-Obfrau aus?

Karin Obergasser: Grundsätzlich ähnlich wie die eines Verwaltungsratsmitglieds: wir treffen uns alle zwei Wochen zu den Verwaltungsratssitzungen und falls notwendig, vertrete ich den Obmann und übernehme die Leitung der Sitzung. Ansonsten teilen wir uns die Arbeiten in den verschiedenen Bereichen auf.

Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass Frauen verstärkt in Führungsgremien der Raiffeisenkassen tätig sind?

Karin Obergasser: Frauen bringen unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen und Denkweisen in Führungsgremien ein, was zu vielfältigeren Entscheidungen und innovativeren Lösungsansätzen führt. Ich bin überzeugt, dass Gremien, die aus Männern und Frauen bestehen, besser funktionieren. Zudem ist es eine Frage der Gerechtigkeit: Frauen stellen einen erheblichen Teil der Gesellschaft dar, sind häufig sehr gut ausgebildet und verfügen über eine hohe berufliche Expertise. Daher verdienen sie es, in allen Bereichen der Gesellschaft angemessen vertreten zu sein.

Wie gehen Sie mit Herausforderungen um?

Karin Obergasser: Wenn ich vor großen Herausforderungen stehe, hilft mir eine analytische Herangehensweise weiter. Schritt für Schritt kann man ein Problem nach dem anderen lösen und kommt so ans Ziel.

Welches war für Sie die größte Herausforderung auf Ihrem bisherigen Lebensweg?

Karin Obergasser: Ich musste mich in Vergangenheit verschiedenen Herausforderungen stellen, die zeitlich sowie inhaltlich sehr intensiv waren. Ich habe mein Studium beispielsweise neben meiner Vollzeitbeschäftigung abgeschlossen, ebenso die Ausbildung und Prüfung beim Befähigungslehrgang zur Gemeindesekretärin.

Was gefällt Ihnen bei der Arbeit im Gremium?

Karin Obergasser: Ich identifiziere mich mit den Werten und Ideen der Genossenschaft und es freut mich, für das Tätigkeitsgebiet einzustehen, da ich eine starke Verbundenheit dazu empfinde. In unserem Verwaltungsrat wird jede Meinung geschätzt. Ich habe das Gefühl, dass jeder aufgrund seiner Erfahrungen wertvoll ist und ernst genommen wird. Es gibt auch ein gutes Zusammenspiel zwischen älteren, erfahrenen und jüngeren Frauen und Männern.

Welche Dinge konnten Sie bisher einbringen?

Karin Obergasser: Ich bemühe mich, konstruktiv mitzuarbeiten und bei den verschiedenen Entscheidungsprozessen die Perspektive der Frau miteinzubringen. Unser Verwaltungsrat hat Frauen gegenüber grundsätzlich eine aufgeschlossene Haltung. Das gilt sowohl bei der Unterstützung der Mitglieder als auch im Verwaltungsrat selbst. Es wird großer Wert daraufgelegt, dass Frauen angemessen vertreten sind.

Als Genossenschaft sprechen wir Frauen gezielt an, Mitglied zu werden. Wir greifen bewusst Themen auf, die für Frauen relevant sind, z.B. Finanzberatung für Frauen oder Beratung in den Bereichen Vorsorge und Pflegezeiten.  

Fördern Sie bewusst andere Frauen?

Karin Obergasser: Ja, mir liegt sehr viel daran, Frauen zu fördern und zu stärken. Das beginnt für mich bei den Mitarbeiterinnen. Ich bin der Meinung, dass sich Frauen oft zu sehr zurücknehmen und versuchen bestimmte Positionen Männern zu überlassen, weil sie es sich nicht zutrauen. Und daher muss man Frauen bewusst ansprechen, sie motivieren und sagen, „Probiere es!“

Was gibt Ihnen im Leben das Gefühl, stark zu sein?

Karin Obergasser: Ich fühle mich weniger als besonders starke, sondern vielmehr als selbstbewusste Frau. Es geht nicht darum, ständig an sich zu zweifeln und alles zu hinterfragen, sondern anzupacken und einfach auszuprobieren. Nach diesem Motto agiere ich und genau diese Haltung möchte ich vermitteln. Letztendlich kochen alle, auch die Männer, nur mit Wasser.

Wir Frauen sollten uns mehr zutrauen und wir sollten uns gegenseitig stärken.

Was bedeutet Führung für Sie?

Karin Obergasser: Führung bedeutet für mich, dass ich ein Ziel vor Augen habe und mit den vorhandenen Ressourcen, das Beste aus der Situation mache. Das heißt den Mitarbeitenden entgegenkommen und gleichzeitig auch das Ziel des Betriebes nicht aus den Augen verlieren.

Wie erleben Sie in Ihrem Bereich die Bedeutung des Frauseins für den Erfolg?

Karin Obergasser: Ich muss ehrlich sagen, das war nie ein Thema für mich. Ich arbeite in der öffentlichen Verwaltung und da wird die unterschiedliche Behandlung der beiden Geschlechter weniger wahrgenommen, da auch die Gehälter angeglichen sind. Ich hatte in meiner beruflichen Laufbahn nie das Gefühl, dass mir bestimmte Wege verschlossen gewesen wären, weil ich eine Frau bin.

Welchen Rat würden Sie einer Frau geben, die überlegt, im Gremium einer Genossenschaft mitzuarbeiten?

Karin Obergasser: Ich bin überzeugt, dass es sehr wichtig ist, dass Frauen in Gremien vertreten sind. Frauen haben andere Sicht- und Herangehensweisen und es kann nicht sein, dass die Rahmenbedingungen, in denen wir leben und wirtschaften, fast zur Gänze von einem Geschlecht bestimmt werden. Daher ist es notwendig, als Frau auch mal ein zeitliches Opfer zu bringen, Aufgaben zu übernehmen, mitzuarbeiten und daran zu wachsen. Die Arbeit im Verwaltungsrat einer Genossenschaft kann sehr bereichernd sein, man lernt vieles dazu.

Man kann auch nicht immer nur sagen, Männer nehmen uns die Plätze weg. Es braucht die Bereitschaft von Frauen, Zeit und Energie, die sie zur Verfügung haben, in solche Aufgaben zu investieren. Dasselbe Thema gilt für die Politik. Auch da ist es wichtig, dass es Frauen gibt, die mitarbeiten und sich zur Verfügung stellen, damit ihre Perspektiven in Entscheidungsprozessen miteinfließen.

Haben Sie abschließen noch einen Wunsch an die Fee?

Karin Obergasser: Da denke ich in erster Linie an die derzeitigen großen und globalen Herausforderungen. Vor allem in Gebieten, wo Konflikte den Alltag bestimmen, haben Frauen sehr wenig Mitspracherecht. Mein Traum wäre jener, dass in Zukunft auch außerhalb unserer Breitengrade Frauen gehört und respektiert werden. In unserer europäischen Gesellschaft haben wir bereits bedeutende Fortschritte in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter gemacht. Ich wünsche mir dies auch für den restlichen Planeten.

Vielen Dank für das Gespräch!