Verwaltungsrätin Sandra Lamp: „Leben im Einklang mit der Natur“

Sandra Lamp vom Großbühlhof in Obergummer, arbeitet seit vier Jahren als einzige Frau im Verwaltungsrat der Genossenschaft Bioregio, eine Viehwirtschaftsgenossenschaft die Bio-Jungrindfleisch vermarktet.

Raiffeisen Nachrichten: Wie geht es Ihnen als Verwaltungsrätin in einer männerdominierten Genossenschaft?

Sandra Lamp: Sehr gut. Bioregio ist eine Genossenschaft, ein Zusammenschluss von 22 Südtiroler Biobauernhöfen mit Mutterkuhhaltung, um Fleisch zu erzeugen. Unser Hof ist einer dieser Mitgliedsbetriebe. Und ich bin gefragt worden, weil man weibliche Unterstützung für den Verwaltungsrat suchte. 

Wie ist es Ihnen in diesen ersten Jahren gegangen?

Die Zusammenarbeit ist gut. Man schätzt es, dass auch die weibliche Seite vertreten ist, weil Frauen anders denken und die Ideenvielfalt im Gremium größer ist, wenn Frauen dabei sind.

Wie haben Sie sich bisher eingebracht im Verwaltungsrat?

Ganz unterschiedlich. Als gelernte Grafikerin bringe ich mich vor allem bei der Umsetzung von Marketingideen, Werbung usw. ein. Für die Genossenschaft gestalte ich Etiketten, Verpackung, Werbung für Zeitungen, Inserate, den Internetauftritt, alles, was so anfällt. Hauptsächlich kümmere ich mich um unsere Privatkunden, die per Telefon und E-Mail ihre küchenfertigen Mischpakete bestellen können. Wir liefern zweimal im Monat Fleischpakete in ganz Südtirol.

Wir sind eine kleine Genossenschaft und haben uns die Aufgaben innerhalb des Verwaltungsrates aufgeteilt. Ich betreue die Haushaltskunden, jemand aus dem Verwaltungsrat liefert, jemand wickelt die Geschäfte ab und vertritt unsere Genossenschaft in der Öffentlichkeit.

Es ist auch nicht immer gleich viel los. In der Ferienzeit von Juni bis August ist es etwas ruhiger, für den Bauer, weil die Tiere meistens auf der Alm sind und auch die Leute in den Sommermonaten weniger Fleisch konsumieren, viele sind im Urlaub oder in den Bergen unterwegs. Im September geht es dann wieder los, im Herbst/Winter und auch im Frühjahr, zu Ostern oder Muttertag, um die Feiertage herum wird mehr Fleisch bestellt.

Was empfinden Sie als Herausforderung?

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine Herausforderung: Unsere Kinder sind noch relativ klein. Sie sind 15 Monate, fünf und sieben Jahre alt. Ich arbeite von zu Hause aus, meistens am Vormittag, wenn die beiden größeren in der Schule sind. Aber ich muss schauen, wie ich mir das einteile und es ist nicht immer ganz leicht, denn mir ist es wichtig, dass die Kinder nicht zu kurz kommen.

Wie wird das organisiert?

Mein Mann ist Vollzeit zu Hause, da wir hier ein Sägewerk, eine Tischlerei und den Hof betreiben. Das ist fein, weil auch er mal kurzfristig die Kinder übernehmen kann. Eine weitere große Hilfe ist meine Schwiegermutter, dafür bin ich sehr dankbar. Sie lebt auch im Haus.

Was fällt Ihnen besonders leicht?

Im Verwaltungsrat bringe ich mich gerne ein, auch mit Ideen, und hinterfrage Dinge gerne kritisch.

Die Umsetzung von Ideen in unserer Genossenschaft erfolgt oft in kleinen Schritten. Beispielsweise ist die hofnahe Schlachtung schon über mehrere Jahre ein Thema. Leider haben wir noch keine perfekte Lösung gefunden. Die Idee mit den Fertigprodukten haben wir hingegen bereits umgesetzt und eine Serie mit Steaksauce, "Chili con Carne", Ragout und eine Suppe auf den Markt gebracht. Es liegt uns sehr am Herzen, das gesamte Tier zu verwerten und so wenig wie möglich wegzuwerfen. Auf diese Weise wird auch das Fleisch verwendet, das nach Entnahme der Fleischteile für die Mischpakete übrigbleibt. Das kommt gut an.

Wie läuft das Geschäft?

Wir arbeiten mit einem soliden Kundenstock. Kunden, die monatlich bzw. dreimonatlich ihre Fixbestellungen haben aber auch Kundinnen, die kurzfristig anrufen an und bestellen. Momentan haben wir gerade genug Jungrinder, um den Markt gut zu decken. Mehr wäre gar nicht möglich und möchten wir auch nicht, da wir ja keine Großviehhaltung anstreben. Allerdings suchen wir immer wieder neue Mitgliedsbauern. Wenn die Voraussetzungen passen, nehmen wir auch gerne neue Mitgliedsbetriebe auf. Immer wieder fragen interessierte Bauern an oder kommen vorbei, um sich Betriebe anzuschauen.

Wer wechselt zur Muttertierhaltung?

Unterschiedlich. Es gibt Bauern, die Milch gestellt haben, jedoch keine Zeit mehr dafür haben, weil sie nebenher arbeiten. Andere Bauern haben ab Hof verkauft und möchten sich jetzt einer Genossenschaft anschließen, weil die Abwicklung vielleicht einfacher ist. Die Bauern kümmern sich gut um die Tiere und wenn sie schlachtreif sind, werden sie an der Stalltür von der Genossenschaft abgeholt. Den Rest übernimmt die Genossenschaft Bioregio.

Welche Ziele verfolgen Sie?

Dass die Genossenschaft weiterhin besteht und die Menschen bewusster hinterfragen, was auf dem Teller landet und dass sie mehr auf regionale Produkte zurückgreifen. Es muss nicht immer Bio sein, auch regional Produkte sind gesund. Es geht darum, dass ein Umdenken stattfindet. Weniger ist mehr. Weniger Fleisch essen, aber dafür das von Tieren, die artgerecht gehalten werden. Das Tierwohl liegt mir schon sehr am Herzen.

Welche Rolle spielt das Frausein bei Ihrer Arbeit?

Frausein ist positiv, weil ich glaube, eine Frau denkt anders, vielleicht fühlt sie auch anders und kann sich anders einbringen. Besonders in der Landwirtschaft.

Zum Beispiel in Bezug auf die Mutterkuh-Haltung und Fleischerzeugung, oder wenn die Jungrinder gehen, glaube ich, denkt eine Frau anders als ein Mann. In den zehn Jahren, seit ich auf dem Hof bin, habe ich mich oft gefragt, wie man Tiere halten könnte, damit es ihnen noch besser geht, vielleicht ist das auch das Mütterliche in uns Frauen. Männer denken eher wirtschaftlich, technisch.

Wo holen Sie sich die Inspiration für Ihre Arbeit?

Das ist verschieden, ich informiere mich im Internet oder in Büchern und schaue, was andere Länder, andere Betriebe so machen. Wir sind eine eher kritische Familie, die viel hinterfragt und versucht möglichst biologisch und nachhaltig zu leben. Das entspricht unserer Lebenseinstellung.

Von welchen Menschen fühlen Sie sich inspiriert?

Von Menschen, die eine ähnliche Einstellung haben wie wir, die den Mut haben neue Dinge auszuprobieren, Ideen einbringen mit Aha-Effekt, nicht nur in der Landwirtschaft. Jene, die ein Umdenken im Umgang mit Menschen, Tier und Natur unterstützen.

Was würden Sie sich wünschen?

Dass Menschen mehr hinterfragen in jeder Hinsicht, bei Lebensmitteln, beim Umgang mit der Natur. Dass das Ganzheitliche wieder mehr zu den Menschen zurückkommt, und sie wieder mehr im Einklang mit der Natur leben. Die wenigsten interessieren sich für die Geschichte hinter ihrem Nahrungsmittel oder wissen, wer oder wie viel Arbeit hinter Gemüseanbau, Milch, Fleisch steckt. Viele wissen nicht einmal, wie die Milch entsteht, beim Fleisch ist es ähnlich.

Was gibt Ihnen im Leben das Gefühl, stark zu sein?

Dass man Gleichgesinnte hat, auch Frauen, die am selben Strang ziehen, die ähnlich denken. Es stärkt mich, wenn ich an die Nachkommen denke, wenn es darum geht, ihnen gewisse Werte zu vermitteln und vorzuleben. Beispielsweise um ihnen mitzugeben, etwas zu hinterfragen und nicht einfach blind durch die Welt zu rennen. Diese Überzeugung gibt mir Kraft.

Folgen Sie einem bestimmten Lebensmotto?.

Ich finde das Zitat von Mahatma Gandhi sehr treffend: "Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt."