„Frauen sollten sich einfach mehr getrauen“

Frauen sind in manchen genossenschaftlichen Gremien nach wie vor kaum vertreten. Um dem entgegenzuwirken, hat der Raiffeisenverband vor einigen Jahren den Arbeitskreis „Frauen in der Führung von Genossenschaften" ins Leben gerufen. Im engen Netzwerk mit Frauenorganisationen wie der Südtiroler Bäuerinnenorganisation leistet der Arbeitskreis Sensibilisierungsarbeit, um mehr Frauen für die Kandidatur und Mitarbeit zu motivieren. Dass hier noch viel zu tun ist, betonen Arbeitskreis-Vorsitzende Paulina Schwarz und Landesbäuerin Antonia Egger im Interview.

Frau Schwarz, Sie sind eine erfolgreiche Unternehmerin: welche besonderen Voraussetzungen braucht es heute als Frau, um erfolgreich zu sein?

Paulina Schwarz: Da gibt es sicher mehrere. Wichtig ist für mich vor allem die Freude und die Begeisterung für die Arbeit, die man macht. Damit allein ist es aber nicht getan. Es braucht Disziplin und Fleiß und eine gewisse Beharrlichkeit, die eigenen Ziele zu verfolgen. Man darf sich von Misserfolgen nicht sofort beirren lassen und versuchen, das umzusetzen, von dem man überzeugt ist. Ich persönlich finde es auch wichtig, die Chancen, die sich uns allen immer wieder bieten, zu nutzen. Nicht alles zerreden, sondern „Handeln und Tun“. Auch sollten wir als Frauen nicht gleich jede Kritik auf die Goldwaage legen.

Frau Egger, was bedeutet es für Sie Bäuerin zu sein und was ist Ihr Antrieb, sich für die Bäuerinnen und damit für Frauen einzubringen?

Antonia Egger: Ich bin Bäuerin aus Leidenschaft. Es gibt nichts Schöneres, als eigene Produkte zu erzeugen und diese, verbunden mit der eigenen Hofgeschichte, erfolgreich zu vermarkten. Als Landesbäuerin ist es mir besonders wichtig, alle Bäuerinnen und damit die Bäuerinnen in ihrer breiten Vielfalt zu vertreten, denn die Situationen vor Ort sind sehr unterschiedlich. Deshalb ist es mir wichtig, in den Ortsgruppen draußen zu sein, um ein gutes Stimmungsbild zu bekommen, denn jede Talschaft hat ihre Besonderheiten.

Frau Schwarz, Sie sind seit 2015 Vorsitzende des Arbeitskreises „Frauen in der Führung von Genossenschaften“. Welches Fazit ziehen Sie über die bisherige Tätigkeit?

Paulina Schwarz: Wir haben vor allem Sensibilisierungsarbeit geleistet, um Frauen zu motivieren, für den Verwaltungs- oder Aufsichtsrat zu kandidieren, u.a. haben wir Netzwerktreffen für Mandatarinnen und interessierte Frauen organisiert. Der Austausch untereinander und das Aufzeigen von Vorbildern ist uns sehr wichtig, um weitere Frauen zu motivieren. Wir haben je nach Sektor sehr unterschiedliche Situationen. In den Raiffeisenkassen konnte der Anteil der Frauen in den letzten Jahren stetig erhöht werden und es gibt nur mehr wenige Verwaltungsorgane, in denen keine Frau vertreten ist. Allerdings sind wir von einer angemessenen Anzahl noch weit entfernt. Das ist auch ein Grund, warum die Bankenaufsicht und der Gesetzgeber nun eingeschritten sind. Zukünftig ist eine geschlechterausgewogene Vertretung vorgeschrieben und eine Mindestanzahl von Frauen muss im Verwaltungsrat als auch und im Aufsichtsrat gegeben sein.  Ganz anders ist die Situation in den landwirtschaftlichen Genossenschaften, wo derzeit nur vereinzelt Frauen in den Gremien sitzen. Das ist historisch und traditionell bedingt, aber wir haben immer mehr Frauen, die landwirtschaftliche Betriebe übernehmen und dieses veränderte Bild soll sich auch auf die Führungsebene der Genossenschaften auswirken. Eine ausgewogene Anzahl von Frauen und Männern in den Gremien finden wir eigentlich nur bei den Sozialgenossenschaften vor. 

Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Hofinhaberinnen. Etwa 13 Prozent oder rund 2800 landwirtschaftliche Betriebe sind heute in Frauenhand. Frau Egger, die Bäuerinnenorganisation feiert heuer ihr 40-jähriges Bestehen. Wie hat sich das Bild der Bäuerin verändert?

Antonia Egger: Sehr positiv, es musste über die Jahrzehnte herauf aber auch vieles hart erkämpft werden. Die Bäuerinnen sind offener und selbstbewusster geworden. Ihre Stellung am Hof und in der Gesellschaft wird geschätzt und sie entscheiden in der Regel über die wirtschaftliche Entwicklung am Hof mit. Ich finde es auch wichtig, dass man heute versucht, den Hof in der Partnerschaft gemeinsam weiterzubringen. Und die Bäuerinnen haben durchaus große wirtschaftliche Fähigkeiten. 

Frau Schwarz, bei der Klausurtagung der Bäuerinnenorganisation, zum Motto „Mehr Mitsprache der Bäuerinnen in den Entscheidungsgremien“, haben sie auf die Möglichkeit verwiesen, dass sich Frauen der Wahl in einer landwirtschaftlichen Genossenschaft stellen können, auch wenn sie nicht die Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes sind. Eine Möglichkeit, die nicht immer hinlänglich bekannt ist …

Paulina Schwarz: Das stimmt leider, dabei ist das eine sehr interessante Möglichkeit. Um im Verwaltungs- oder Aufsichtsrat tätig zu sein, muss ich nicht unbedingt selbst als Frau die Betriebsinhaberin sein, sondern ich kann mir die Vollmacht vom Mann als Betriebsinhaber geben lassen und mich entsprechend der Wahl stellen. Das Prinzip dabei ist, dass sich der Einzelunternehmer, und in der Regel ist der Landwirt ein solcher, in der Vollversammlung vertreten lassen kann, und zwar vom Ehepartner, von Verwandten bis zum dritten Grad und von Verschwägerten bis zum zweiten Grad. Voraussetzung ist die Mitarbeit im Betrieb. Durch diese Vollmacht kann der Inhaber oder die Inhaberin sowohl wählen als auch gewählt werden.

Antonia Egger: Ich kann diese Möglichkeit nur unterstreichen, die einfach zu wenig bekannt ist. Deshalb ist es wichtig, dass man auf diese Chance für Frauen immer wieder hinweist. Und es braucht hier auch vonseiten der Männer die nötige Offenheit und Unterstützung.

Was sind Ihrer Meinung die wichtigsten Gründe, warum Frauen noch sehr wenig in den Gremien der Genossenschaften vertreten sind?

Paulina Schwarz: Der Knackpunkt bei den Frauen ist sicher die Familiengründung und die Frage der Kinderbetreuung. Wir haben in Südtirol noch eine recht traditionelle geschlechterspezifische Rollenverteilung: Familienarbeit ist Frauensache und Führung ist in vielen Köpfen immer noch Männersache. 

Antonia Egger: Ich finde auch, dass sich die Genossenschaften sehr bemühen, Frauen für die Vorstände zu gewinnen, aber es sind halt noch sehr wenige Frauen.  Für viele ist es schwierig, Familie und ein zusätzliches Engagement in den Gremien gut zu vereinbaren. Vielfach stimmen auch die Rahmenbedingungen nicht, damit ein Zugang für Frauen möglich ist, da meine ich die Sitzungszeiten, die Satzungen könnten auch einen leichteren Zugang ermöglichen. Aber oft getrauen sich Frauen auch nicht, wenn sie nicht überzeugt sind, eine Aufgabe auch gut zu machen. Deshalb versuchen wir, die Frauen zu ermutigen, den Schritt in ein gewähltes Gremium auch zu wagen. Es sollte heute selbstverständlich sein, dass auch eine Frau sich der Wahl stellt, mit der Möglichkeit, am Ende nicht gewählt zu werden. Wir haben heute beispielsweise schon einige Höfekommissionen, denen Frauen als Präsidentinnen vorstehen und die Bauern sind damit sehr zufrieden! 

Frau Schwarz, glauben Sie, dass in den nächsten Jahren der Frauenanteil in den genossenschaftlichen Gremien wesentlich erhöht werden kann?

Paulina Schwarz: Ich glaube, die Obmänner, sehr viele Obfrauen haben wir ja nicht, und die Verwaltungsräte sind sich voll bewusst, dass sich hier etwas ändern muss. Von Seiten der Männer ist auch eine große Bereitschaft vorhanden. Die Zeit ist reif, das können wir drehen und wenden, wie wir wollen. Aber es braucht auch die Frauen, die sich für ein Mandat zur Verfügung stellen. Wir Frauen müssen deshalb noch mehr unsere Netzwerke aktivieren und nutzen. Hier möchte ich auch die enge Zusammenarbeit mit den bäuerlichen Organisationen hervorheben, wenn es darum geht, Frauen für die Mitarbeit in den Gremien der landwirtschaftlichen Genossenschaften zu motivieren.

Immer wieder hört man den Ruf nach einer Frauenquote. Ist das ein Thema im Genossenschaftsbereich und wie stehen Sie dazu?

Antonia Egger: Grundsätzlich glaube ich, dass wir Frauen es aus eigener Kraft schaffen sollten, entsprechend stark in den Gremien vertreten zu sein. Eine Quote würde aber zusätzlich einen Ansporn und eine Verbindlichkeit darstellen, was positiv wäre. Ich sehe eine Quote nicht als eine zahlenmäßige Festschreibung, sondern eher, dass es einfach selbstverständlich sein sollte, Frauen bei den Wahlen zu berücksichtigen, aber ebenso, dass sich Frauen dieser Aufgabe und der damit verbundenen Verantwortung stellen. 

Paulina Schwarz: Auch ich bin nicht eine große Verfechterin der Quotenregelung. Tatsache ist aber, dass es ohne konkrete Verpflichtung sehr langsam geht. Ich sehe die Quote als Instrument, um die Entwicklung diesbezüglich zu beschleunigen und schneller voranzubringen. Das sehen wir jetzt ja beispielsweise ganz genau bei den Raiffeisenkassen. Alle guten Vorsätze und Willensbekundungen haben nicht zum gewünschten Resultat geführt. Jetzt führt der Gesetzgeber eine angemessene geschlechterausgewogene Vertretung in den Gremien ein. In den anderen Sektoren müssen wir die Quote sicher differenzierter betrachten. 

Welchen Rat geben Sie Frauen, die sich ein Mandat in einer Genossenschaft anstreben möchten?

Antonia Egger: Frauen sollten sich einfach mehr getrauen und ihr Interesse an einer Kandidatur für ein Gremium bekunden. Sie brauchen keine falsche Bescheidenheit üben. Wichtig finde ich, dass man mit einer positiven Einstellung die Sache angeht und zur guten Entwicklung in einem Gremium beitragen möchte. Und: Frauen sollten einfach auch mehr Mut haben, gerade auch in Genossenschaften mehr Verantwortung zu übernehmen.

Paulina Schwarz: Wir müssen weiter sensibilisieren, dass es mehr Frauen in den genossenschaftlichen Gremien braucht. Wir müssen bewusst machen, dass Frauen auch in der Lage sind, solche Aufgaben auszuüben. Viele verfügen heute über die nötige Voraussetzung und eine gute Aus- und Weiterbildung. Ihr Engagement wäre deshalb auch zum Vorteil der Genossenschaft. Wichtig ist auch, dass sich interessierte Frauen gut über Aufgaben und Voraussetzungen als Mandatarinnen informieren. Zudem können sich interessierte Frauen jederzeit gerne an unseren Arbeitskreis „Frauen in der Führung von Genossenschaften“ wenden.

Interview: Thomas Hanni