Karin Ausserhofer: „Es geht darum, die Balance der Interessen zu finden.“

Karin Ausserhofer ist in der Raiffeisenwelt groß geworden und ihr – als Kundin und Verwaltungsrätin der Raiffeisenkasse Überetsch - heute noch verbunden. Ihr Aufruf an Frauen lautet „Gestalte, sonst wirst du gestaltet!“ Wie und warum erklärt sie im Interview.

Raiffeisen Nachrichten: Sie engagieren sich als Verwaltungsrätin der Raiffeisenkasse Überetsch, warum?

Karin Ausserhofer: Ich bin in der Raiffeisenwelt groß geworden, zuerst als Sommeraushilfe, nach dem Studium als Mitarbeiterin, schließlich als Direktorin der Raiffeisenkasse Mölten und später als Vizedirektorin in der Fusionskasse Etschtal. Raiffeisen ist meine Welt, da fühle ich mich sicher und verwurzelt. Auch begeistert mich das genossenschaftliche Bankmodell, denn hier vereinigen sich das trockene, harte Bankgeschäft und die menschlichen Werte einer Genossenschaft. Als Person wirke und gestalte ich gerne und auch wenn ich mich beruflich zwischenzeitlich anderweitig orientiert habe, kann ich mich in meiner Rolle als Verwaltungsrätin weiterhin in eine Raiffeisenkasse einbringen.

Wie bringen Sie sich ein?

Mein Ansatz ist es eine Balance zu finden zwischen den verschiedenen Interessen, die es in einer Genossenschaftsbank gibt: Als Verwaltungsrätin habe ich für Stabilität und Entwicklung der Bank zu sorgen. Doch auch die Mitarbeitenden sind Bank und haben Bedürfnisse. Und last but not least gibt es die Interessen der Mitglieder und Kund*innen. Um diesen jeweiligen Bedarf auszubalancieren und gleichzeitig die Balance der Risiken nicht außer Acht zu lassen, hilft es mir, dass ich alle Rollen innegehabt habe. Das ist spannend und erfüllend zugleich.  

Was gefällt Ihnen an Ihrem Engagement?

Mich begeistert das Wirken, denn mit jeder Entscheidung, die man trifft, gestaltet man die Zukunft der Raiffeisenkasse, der Mitarbeitenden und der Kundschaft. Dieser Verantwortung muss man sich bewusst sein, denn ob wir z.B. einen Kredit genehmigen oder nicht, bedeutet oft Sein oder Nicht-Sein für die Kunden. Aber jede Entscheidung birgt auch ein Risiko. Ob sie richtig oder falsch ist, weiß man erst im Nachhinein. Deshalb ist entscheiden nach bestem Wissen, aber auch nach bestem Gewissen gefragt.

Das hat mit Macht zu tun…

Ja, wirken können heißt Macht haben. Es ist wichtig, die Selbst-Wirksamkeit zu kennen, d.h., zu wissen, was ich bewirken und damit Macht ausüben kann. Wie ich diese Macht ausübe, ist eine Frage der Ethik, der Haltung und der eigenen Werte. Man kann Macht ausüben um die eigenen Interessen zu verfolgen oder eben danach streben, die Balance zu halten und so zu wirken, dass es möglichst vielen gut geht.

Wie legen Sie Führung an?

Mein Grundsatz ist in erster Linie mir und meinen Werten treu zu sein. Dazu gehört für mich zu schauen, dass möglichst viele Interessen gedeckt werden können – wohl wissend, dass man nie „everybodys Darling“ sein kann. Ich frage mich immer, was die Entscheidung für alle Betroffenen bedeutet und versuche, dies im Hinblick auf die Zielerreichung und mit Blick auf das große Ganze zu berücksichtigen.

Was empfinden Sie als Herausforderung?

Die Konsequenzen einer Entscheidung abzuschätzen ist oft eine Herausforderung. Wir als Gremium entscheiden oft über Menschen, die wir nicht kennen oder einschätzen können. Da muss ich auf die Informationen vertrauen, die an mich herangetragen werden und auf mein Gefühl. Und weil man es immer mit Menschen zu tun hat, kommt die Wirkung einer Entscheidung oft ganz anders an, als sie gemeint war.

Haben Sie das Gefühl, dass Sie als Frau einen anderen Blickwinkel einbringen können?

Davon bin ich überzeugt! Genauso wie eine jüngere Person einen anderen Blickwinkel einbringt als eine ältere, ein Handwerker einen anderen als z.B. eine Unternehmensberaterin, so eben auch eine Frau einen anderen als ein Mann. Es sind alles verschiedene Menschen, mit unterschiedlichen Erfahrungen und anderen Rahmenbedingungen. Die bunte Mischung zählt, Vielfalt ist immer bereichernd. Daher tut es einem rein männlichen Gremium gut, wenn Frauen dazu kommen – aber umgekehrt genauso!

Und wie bekommt man mehr Frauen in die Gremien von Genossenschaften?

Frauen müssen vermehrt an sich glauben, sich ihrer bewusst sein – mit all ihren Werten und spezifischen Stärken. Diese Form des „Selbst-Bewusstseins“ schafft Selbstsicherheit. Diese wiederum hilft, klare Entscheidungen zu treffen und zu diesen zu stehen. Auch hier geht es darum, eine Balance der Interessen zu finden. Denn besonders als Mutter ist man oft gesellschaftlichen Diskussionen ausgeliefert, denen man nur aus eigener Überzeugung entgegnen kann. Anders packt man das nicht.

Es geht also darum das Selbstbewusstsein von Frauen zu fördern?

In erster Linie ist es wichtig Frauen zu ermutigen, aktiv zu werden – was übrigens auch Männer tun dürfen! 😉 Ich versuche, sie zu inspirieren, ihnen Vorbild zu sein; aber auch Coaching und Mentoring können helfen. Aber klar, Frauen haben andere Rahmenbedingungen als Männer und meist auch privat ein schwierigeres Umfeld als Männer, wenn sie große Schritte planen. Das ist so und muss Frau wissen.

Welchen Rat würden Sie Frauen geben, die sich überlegen in Gremien mitzuarbeiten?

Mein Leitspruch ist „Gestalte, sonst wirst du gestaltet!“. Warte nicht, dass jemand auf dich zukommt, sei aktiv. Männer warten nicht, die stehen auf und sagen ich kandidiere. Frauen tun das nicht. Trau dich und mach dich sichtbar! Aber davor musst du eine klare Entscheidung treffen: Passt dieses Engagement zu mir, zu meinen Werten, will ich das wirklich? Und wenn du davon überzeugt bist, steh auf und stell den Fuß in die Welt. Dann schaffst du es, auch wenn Hindernisse auf dich zukommen.

Drei Eigenschaften, die Sie als Person beschreiben?

Mutig, offen für Neues oder Anderes und entscheidungsfähig. Und ich bin auch sehr tiefgründig und sinnorientiert. Für mich müssen Dinge einen Sinn haben und stimmig sein.

Wie lautet Ihr Lebensmotto?

Lebe liebe lache. Oder auch leben und leben lassen. Denn jeder Mensch ist anders und hat seine Stärken, seine Ideen, sein Gutes. Sobald man verstanden hat, dass es Menschen gibt, die einfach anders denken, weil sie eine andere subjektive Wirklichkeit haben, hat man es im Leben viel leichter.

Gibt es Menschen, die Sie inspirieren?

Mich inspirieren Menschen, die das Leben in die Hand nehmen, mutig sind, sich ständig entwickeln und wachsen wollen. Und tiefgründige Menschen, die über sich nachdenken. Vor allem inspirieren mich aber Kinder, weil sie so ehrlich sind, die Dinge so klarsehen und eine große Gelassenheit an den Tag legen. Nicht zuletzt inspirieren mich kranke Menschen, die trotz ihres Schicksals Zuversicht, Positivität und Lebensgeist ausstrahlen, wie beispielsweise Schmetterlingskinder beim Verein DEBRA, den ich begleite. Da nehme ich unglaublich viel mit.

Was macht Sie privat und beruflich glücklich?

Wenn ich sein darf, wie ich bin, mich nicht verbiegen muss und meine Stärken und Werte leben darf - das macht mich glücklich. Denn ich selbst kann recht gut mit mir.

Vielen Dank für das Gespräch!