Raiffeisen Nachrichten: Frau Mark, wie wurden Sie als erste Frau in den Verwaltungsrat der Raiffeisenkasse Salurn gewählt?
Adelinde Mark: 1999 standen Wahlen in der Raiffeisenkasse Salurn an. Dieses Thema interessierte mich, also nahm ich mit meinem Mann an den Vorwahlen in Margreid teil, einer Zweigstelle im Einzugsgebiet der Raiffeisenkasse. Während der Veranstaltung stand plötzlich ein Herr auf und schlug mich als Kandidatin vor. Ich war überrascht, bedankte mich und bat um Bedenkzeit. Zuhause erzählte ich meiner ältesten Tochter, damals 18 Jahre alt, von der Situation. Ihre Antwort gab den entscheidenden Anstoß: „Mami, wenn Männer eine Frau vorschlagen, dann muss man zustimmen.“ Meine Familie stand hinter mir, und die Herausforderung reizte mich.
Was hat Sie davon überzeugt, sich im Verwaltungsrat zu engagieren?
Beruflich hatte ich fast täglich mit der Bank zu tun. Es reizte mich, die Bank aus einer anderen Perspektive kennenzulernen. Natürlich hatte ich anfangs Zweifel, ob ich den Anforderungen gewachsen war – Frauen sind oft zu selbstkritisch und haben sehr hohe persönliche Ansprüche. Doch meine Neugier und die Unterstützung, die ich erfuhr, gaben den Ausschlag. Die große Zustimmung bei der Wahl bestärkte mich zudem. Von 1999 bis 2005 war ich Verwaltungsratsmitglied, anfangs als einzige Frau. Von 2005 bis 2008 bekleidete ich das Amt der zweiten Vizeobfrau, und von 2008 bis 2020 war ich erste Vizeobfrau. Von 2020 bis 2023 war ich Vorsitzende vom Vollzugsausschuss. Bis heute habe ich keinen einzigen Tag bereut.
Wie haben Sie sich im Gremium eingebracht?
Ich habe kritische Fragen gestellt, Ideen eingebracht und Beschlüsse aktiv mitgetragen. Mein Ziel war es stets, die Anliegen von meinem Heimatdorf Margreid, zu vertreten. Brachte mich aber auch für die Anliegen der anderen Dörfer des Einzugsgebietes unserer Raiffeisenkasse ein.
Gibt es ein Projekt, an das Sie sich besonders erinnern?
Eine lange Zeit ... Es gab viele Herausforderungen und viele spannende Projekte. Jedes Jahr legt die Vollversammlung nach dem Bilanzabschluss ein Budget fest, das dem Gemeinwohl zugutekommt. Dieses Budget wird nach der Größe der Dörfer aufgeteilt, um lokale Vereine wie beispielsweise die Musikkapelle, Feuerwehr, Schützen, Alpini oder auch Kindergärten zu unterstützen. Selbst für eine Romfahrt der Ministranten konnten wir finanzielle Mittel bereitstellen.
Was hat Sie besonders gefreut?
Das erste Netzwerktreffen für Frauen im Ansitz Freienfeld in Kurtatsch im Sommer 2022 war ein Highlight. Ich erinnere mich gut, wie ich sogar im Urlaub vom Strand aus Telefonate führte, um die Veranstaltung zu organisieren. Es war eine großartige Erfahrung und zeigte, wie wichtig es ist, Frauen zu motivieren und zu bestärken: „Stellt euch der Herausforderung und probiert es aus.“
Was brauchen Frauen, um sich in Gremien zu engagieren?
Die Anforderungen sind heute durch die Vorgaben der Banca d’Italia gestiegen. Dennoch bleibt entscheidend, dass man Interesse und Leidenschaft für das Amt mitbringt. Ich habe viel gelernt, meine fachlichen Kenntnisse erweitert, interessante Menschen kennengelernt und war Teil diesen großen Netzwerkes. Das war für mich persönlich und beruflich eine enorme Bereicherung.
War die Vereinbarkeit von Familie und Beruf jemals eine Herausforderung für Sie?
Ehrlich gesagt, nein. Meine Schwiegermutter und mein Mann waren eine große Unterstützung. Meine Schwiegermutter wohnte im selben Haus im oberen Stock und hat mich bei der Kinderbetreuung unterstützt. Dadurch hatte ich die Möglichkeit mich beruflich zu entfalten.
Was bedeutet Führung für Sie?
Führung verstehe ich als Teamarbeit, nicht als Einzelaufgabe. Ein gut funktionierender Führungsstab ermöglicht es, verschiedene Ideen einzubringen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Niemand hat immer recht – wahre Stärke zeigt sich darin, offen zu sein und durch Zusammenarbeit bessere Ergebnisse zu erzielen.
Gab es Momente, in denen Sie sich stark gefühlt haben?
Ja, besonders in den Momenten, in denen ich mich beruflich weiterentwickeln und flexibel auf neue Herausforderungen einstellen konnte. Es hat mir Stärke verliehen, neue Fähigkeiten zu lernen und mich erfolgreich an neue Situationen anzupassen. Diese Fähigkeit, kontinuierlich zu wachsen und mich weiterzuentwickeln, hat mir gezeigt, wie viel Potenzial in mir steckt.
Was steht in den nächsten Jahren auf dem Programm?
„Bereits bei den letzten Wahlen hatte ich signalisiert, meinen Platz zur Verfügung zu stellen. Doch die Bitte von Vorstand und Aufsichtsrat, weiterhin aktiv zu bleiben, hat mich sehr bestärkt. Dieses Vertrauen hat mir gezeigt, dass mein Beitrag weiterhin geschätzt wird. Auch wenn meine Kolleginnen und Kollegen jünger sind, empfinde ich das nicht als Hindernis – im Gegenteil, der Austausch zwischen den Generationen inspiriert mich und gibt mir neue Energie. Für die kommenden Jahre möchte ich weiterhin meinen Beitrag leisten, meine Erfahrung einbringen und gemeinsam mit dem Team an neuen Zielen arbeiten.“
Wie würden Sie sich selbst beschreiben?
Ich kann nicht „Nein“ sagen – das liegt einfach nicht in meiner Natur. Alles, was ich beginne, bringe ich zu Ende. Für halbe Sachen bin ich nicht zu haben.
Was fällt Ihnen besonders leicht?
Organisieren, Netzwerken und neue Herausforderungen annehmen. Das hat und macht mir immer noch große Freude.
Wo finden Sie Ausgleich zu Ihrem Engagement?
Sport ist für mich der ideale Ausgleich. Aktivitäten wie Wandern, Marschieren und Schwimmen helfen mir, den Kopf freizubekommen.
Was macht Sie beruflich und privat glücklich?
Beruflich macht mich vor allem der Erfolg glücklich. Es erfüllt mich, dass ich mich trotz der Verantwortung für drei Töchter beruflich verwirklichen konnte – und das dank der großartigen Unterstützung meines Mannes und meiner Familie. Ich bin stolz darauf, diesen Weg gegangen zu sein und meine beruflichen Ziele erreicht zu haben.
Privat macht mich vor allem die Zeit mit meiner Familie glücklich. Mit meinen Enkelkindern kann ich heute vieles nachholen, was ich bei meinen eigenen Kindern aus zeitlichen Gründen nicht immer geschafft habe. Diese Momente sind für mich besonders wertvoll und geben mir große Freude und Zufriedenheit.
Haben Sie ein Lebensmotto?
Zum Glück kann man selbst viel beitragen. Und: „Wer rastet, der rostet.“
Ihr Wunsch an eine Fee?
Mein größter Wunsch wäre Gesundheit – für mich und meine Familie. Gesundheit ist das wertvollste Gut, das weder gekauft noch ersetzt werden kann. Wenn dieser Wunsch in Erfüllung geht, habe ich alles, was ich brauche. Gesundheit schafft die Grundlage für ein erfülltes Leben, für Freude, für gemeinsames Erleben und für die Kraft, sowohl berufliche als auch private Herausforderungen zu meistern.
Was möchten Sie Frauen sagen, die sich überlegen, in einem Gremium mitzuwirken?
Traut euch und probiert es aus! Es ist eine wertvolle Erfahrung, die eigenen Ideen und Perspektiven einzubringen und aktiv an Entscheidungen mitzuwirken. Viel zu oft hindern uns Selbstzweifel oder die Angst vor Ablehnung daran, neue Wege zu gehen. Doch es wäre viel schlimmer, später zurückzublicken und sich zu fragen: „Warum habe ich es nicht wenigstens versucht?“
Ein Gremium lebt von Vielfalt – und die Perspektive von Frauen ist unverzichtbar, um ausgewogene und innovative Lösungen zu finden. Es ist nicht nur eine Chance, etwas zu bewegen, sondern auch, persönlich zu wachsen und neues Selbstvertrauen zu gewinnen. Jede Stimme zählt, und gerade Frauen können mit ihrer Stärke und Empathie einen großen Beitrag leisten.
Vielen Dank für das Gespräch


