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Aufholbedarf: Frauen in Führung von Genossenschaften

Seit 2015 gibt es in der Raiffeisenorganisation einen Arbeitskreis, der sich für mehr Frauen in Führungsgremien von Genossenschaften einsetzt. Paulina Schwarz ist die Vorsitzende dieses Arbeitskreises. Im Interview am Tag der Frau spricht sie darüber, warum es nach wie vor nur wenige Frauen in der Führung von Genossenschaften gibt.

Raiffeisen Nachrichten: Wie steht es um den Anteil der Frauen in Führungsgremien der Südtiroler Genossenschaften?

Paulina Schwarz: Die Situation ist in den einzelnen Sparten sehr unterschiedlich. Während wir bei den Sozialgenossenschaften - also in den Bereichen, wo Frauen vermehrt tätig sind – ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Männer und Frauen haben, sieht es in den anderen Bereichen leider nicht so gut aus. 

Als Arbeitskreis "Frauen in der Führung von Genossenschaften", der sich aus Frauen und Männern zusammensetzt, sehen wir, dass es bei den Raiffeisenkassen zwar seit einigen Jahren eine leichte Steigerung der Anzahl der Frauen in den Verwaltungsräten und Aufsichtsräten gibt, allerdings ist es eine sehr langsame Entwicklung. Noch geringer ist die Anzahl der Frauen in den Führungsgremien der landwirtschaftlichen Genossenschaften. Es besteht deshalb Handlungsbedarf.   

Warum geht diese Entwicklung so langsam?

Paulina Schwarz: Historisch und gesellschaftlich war die Mitgliedschaft bei Genossenschaften lange Zeit den Männern vorbehalten. Deshalb gilt es Maßnahmen zu ergreifen, den Anteil der Frauen bei den Mitgliedern zu erhöhen. Weiters müssen wir Frauen ansprechen, die Interesse haben, in der Genossenschaft aktiv mitzuwirken und sich für die Wahl in ein Gremium zur Verfügung stellen. Es entscheidet dann die Mitgliederversammlung/Vollversammlung. Die Hemmschwelle sich in reinen Männergruppen zu engagieren, ist aber immer noch groß. Das ist leichter, wenn bereits Frauen in den Gremien sitzen.

Und welche Maßnahmen setzt der Arbeitskreis?

Paulina Schwarz: Besonders vor Wahlen bei den Raiffeisenkassen weisen wir als Arbeitskreis die Obmänner und den Verwaltungsrat darauf hin, dass auch Frauen in den Gremien vertreten sein müssen. Wir fordern sie auf, rechtzeitig interessierte Frauen anzusprechen, ihnen die Möglichkeiten aufzuzeigen und sie zu motivieren. Dazu haben wir auch eine Broschüre ausgearbeitet, wo wir auf die Voraussetzungen und die Aufgaben hinweisen und wo bereits erfahrene Mandatarinnen zu Wort kommen. Ich weiß, dass es sehr wohl interessierte Frauen gibt. Es ist aber seltener, dass sie sich von selbst melden. Da müssen wir alle – auch Männer - bewusst anfragen und aktiv auf sie zugehen.
Rückenwind gibt es auch von der Banca d’Italia. Die Bankenaufsicht weist schon länger darauf hin, dass in allen Führungsgremien beide Geschlechter vertreten sein müssen. In einem Konsultationspapier wird inzwischen sogar über eine 33-Prozent-Quote nachgedacht. Ob eine Quote kommen wird, weiß ich nicht. Es ist jedenfalls sinnvoll, selbst aktiv zu werden, damit es eine Quote nicht braucht. Quoten lösen immer zwiespältige Gefühle aus. Aber wie wir in der Politik sehen, ist es kurz- bis mittelfristig ohne Mindestquote kaum möglich, einen höheren Anteil von Frauen in die Gremien zu bekommen.

Also doch ein gesamtgesellschaftliches Problem?

Paulina Schwarz: Ja sicher, es geht immer um dieselben Themen: Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Freizeit. Interessierte aktive Frauen haben meistens schon viele Aufgaben, Rollen und Funktionen. Eine weitere Aufgabe in Gremien zu übernehmen, ist dann oft zu viel.  An Kompetenz mangelt es jedenfalls nicht, da inzwischen viele Frauen, was Aus- und Weiterbildung angeht, den Männern sogar überlegen sind. Das Umfeld entscheidet, ob Frauen einen gewissen Schritt machen und für Gremien kandidieren. Und das müsste sich ändern.

Wie können Männer dafür sorgen, dass sich die Situation ändert?

Paulina Schwarz: Beide, Männer wie Frauen müssen sich dafür einsetzen, dass eine ausgeglichene Geschlechtersituation erreicht wird. Deshalb haben wir auch Männer im Arbeitskreis. Den meisten Männern ist es inzwischen bewusst, dass auch Frauen in Führungspositionen gehören. Diesen Weg können wir nur gemeinsam gehen. Ohne Männer ist es schwieriger. Einiges hat sich in den letzten Jahren getan, aber es gibt noch sehr viel zu tun.

Was raten Sie Frauen, die Interesse haben in einem Führungsgremium zu arbeiten?

Paulina Schwarz: Mittlerweile gibt es in allen Bezirken des Landes Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten. Sie alle nehmen eine Vorbildfunktion ein. Bei unseren Netzwerktreffen zeigen wir weiters Bestpractice-Modelle auf. Wir laden Frauen ein, die bereits in einer Führungsposition sind und bringen diese mit Frauen zusammen, die an einer solchen Tätigkeit interessiert sind. Die Neueinsteigerinnen brauchen allerdings auch ein Mindest-Durchhaltevermögen und sollten nicht zu schnell „lugg lossn“.