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Bürgergenossenschaften in Südtirol und Trentino

In Südtirol und im Trentino wird derzeit an einer rechtlichen Vorlage für Bürgergenossenschaften gearbeitet. Gesucht wird ein Modell für Bürgergenossenschaften, das auf die lokalen Gegebenheiten der Region Trentino-Südtirol zugeschnitten ist. Die Erwartungen sind groß.

Ausgangsidee für eine Bürgergenossenschaft ist immer das Bedürfnis einer Gemeinschaft, für das eine Lösung gefunden werden soll: Kinderbetreuung, Beschaffung von Arbeitsplätzen für benachteiligte Personen, Aufrechterhaltung von Infrastrukturen wie Straßendienst oder Kinos. Von den örtlichen Gegebenheiten hängt ab, was zu organisieren ist. Häufig handelt es sich um Dienste, die sich finanziell kaum rechnen. Oder übergreifende Dienste aus dem Bereich Energie, Tourismus oder Landwirtschaft.

In Apulien, Emilia Romagna, Abruzzen und Sardinien gibt es bereits gut funktionierende Bürgergenossenschaften. Diese Regionen haben auch die entsprechenden Gesetze bereits definiert. Auf staatlicher Ebene muss der vorliegende Gesetzesentwurf jedoch noch diskutiert werden. Für die Region Trentino-Südtirol arbeitet die Regionalkommission für genossenschaftliche Körperschaften Südtirol-Trentino derzeit an einem Modell für Bürgergenossenschaften, das auf die lokalen Gegebenheiten zugeschnitten ist.

Auf einer Tagung, organisiert von der regionalen Kommission für genossenschaftliche Körperschaften in Bozen, in Zusammenarbeit mit der Region Trentino-Südtirol, der Länder Südtirol und Trentino und den fünf regionalen Vertreterverbänden der Genossenschaften: Raiffeisenverband Südtirol, AGCI, Cooperadolomiti, Coopbund und Federazione Trentina della Cooperazione, sollten alle Beteiligten von einem Erfahrungsaustausch profitieren. Vorgestellt wurden sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse des Europäischen Forschungsinstitut EURICSE und gelungene Beispiele von Bürgergenossenschaften aus Perugia, Belluno und Südtirol.

Mauro Lusetti, Präsident der Allianz italienischer Genossenschaften (ACI), freute sich über das steigende Interesse an dieser Unternehmensform und betonte jedoch: „… dass die Bürgergenossenschaften nicht die Lösung für alles sind. Auch wenn die Aufgabenfelder von Bürgergenossenschaften unbegrenzt sind, müssen wir vielen Bürgern von der Gründung abraten, weil die notwendigen Voraussetzungen für einen funktionierenden Betrieb nicht gegeben sind.“ Lusetti unterstrich, dass es letztlich immer um das Gemeinwohl und eine nachhaltige, wirtschaftliche Entwicklung gehe. Dies sei besonders wichtig für wirtschaftlich benachteiligte Gebiete, oder für Orte, die von Abwanderung bedroht sind.

Auch in Südtirol gibt es einige wenige Bürgergenossenschaften. Der Geschäftsführer der EUM (Energie, Umwelt, Moos), Theodor Lanthaler, hat die Entwicklung der Passeirer Bürgergenossenschaft nachgezeichnet: „Seit den 60er Jahren hatte die Gemeinde Moos, damals eine der ärmsten Gemeinden Südtirols, ein E-Werk und ein schlechtes Stromnetz. Eine Gruppe von Bürger griff die Idee auf, das Wasser nicht ungenutzt abfließen zu lassen und hat die Genossenschaft gegründet. Die Einwohner der Gemeinde standen alle hinter dem Projekt und so hat sich die Genossenschaft bis heute stetig weiterentwickelt.“  Heute bietet die Genossenschaft ihren Mitgliedern nicht nur eine günstige und sichere Stromversorgung, sondern versorgt sie auch mit einem „der besten Glasfasernetze von Südtirol“, wie der Geschäftsführer betont. Sie betreibt weiters die Tankstelle in Moos, inklusive Auto-Werkstatt und Dorfläden. Das Ziel der Genossenschaft umschreibt der Geschäftsführer folgendermaßen: „Wir möchten, dass das Leben in der Gemeinde Moos weiterhin lebenswert bleibt. Daher möchten wir das Erreichte konsolidieren und suchen weiter Möglichkeiten, wie wir den Bürgern etwas bieten können.“

Landflucht, Abwanderung aus der Peripherie, Leerstand in Ortszentren: Es zeigt sich, dass Bürgergenossenschaften vielseitig einsetzbar sind. Daher gibt es bei der Ausarbeitung des entsprechenden Rahmengesetzes auch kaum Gegenstimmen. Vertreter von Land, die regionale Genossenschaftskommission, Gemeinden, Genossenschaftsverbände und andere Organisationen aus Südtirol und der benachbarten Provinz Trentino haben das große Potential der Bürgergenossenschaften erkannt. Überzeugend ist vor allem die Überlegung, dass eine Genossenschaft, die gleichzeitig mehrere Dienste anbietet, über eine Form der Umweg-Rentabilität jene Tätigkeiten finanziert, die nicht so kostendeckend sind. Damit erreicht man, dass Dienstleistungen, die sich allein nicht rechnen, gemacht werden können.

Auch der für das Genossenschaftswesen zuständige Landesrat Thomas Widmann sieht in Bürgergenossenschaften durchaus Chancen: "Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass sie für gerade in abwanderungsgefährdeten oder strukturell unterversorgten Gebieten eine wirksame Lösung sein können, von denen die ganze Gemeinschaft profitiert." Die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren auf Landes- und regionaler Ebene sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einer angemessenen Unterstützung dieser Initiativen.

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