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CCS Intersales: Geschäftsanbahnung in Russland

Seit 18 Jahren lebt der gebürtige Meraner Tomas Bruschetti in Moskau. Für die Genossenschaft CCS Intersales begleitet er Unternehmen bei der Geschäftsanbahnung nach Russland und den angrenzenden Ländern. Vor kurzem war er auf Besuch in Bozen. Im Interview erläutert Bruschetti unter anderem, wie er die derzeitige Marktsituation in Russland sieht.

Tomas Bruschetti spricht fließend Russisch, kennt Kultur und Tradition des Landes und ist bestens vernetzt. Gerade bei der Verhandlung und Ausarbeitung von Verträgen zwischen Ländern ist dies wichtig: „Es hilft ungemein, wenn man die Gepflogenheiten der russische Geschäftspartner kennt“, weiß Bruschetti aus Erfahrung. Im Rahmen von Mediationsprozessen konnte er bereits mehrfach Missverständnisse oder Verhandlungsschwierigkeiten ausräumen und den Vertragspartnern zu erfolgreichen Geschäftsabschlüssen verhelfen. Derzeit betreut er, in Zusammenarbeit mit Stefan Ties, dem Koordinator der Genossenschaft CCS Intersales, gleich zwei größere Unternehmen aus dem Trentino: die börsennotierte GPT-Group, die im Bereich Soft- und Hardware für Krankenhäuser arbeitet, und Vetri Speciali SPA, die Spezialglas für das Luxussegment produziert. Beide Firmen verkaufen ihre Produkte nun auch nach Russland. Stefan Ties ist überzeugt, dass dieser Erfolg auf die direkte Betreuung vor Ort zurückzuführen ist: „Russen legen besonders viel Wert auf persönliche Beziehungen“, sagt Ties. Und die laufen über Tomas Bruschetti oder seinem Kollegen Johannes Ausserer in Moskau. Ties betont: „Hilfreich ist auch, dass wir unsere Kunden langfristig betreuen. Es geht niemals um Einzelaktionen, also „hit and leave“, wie er das von anderen kennt.  

Tomas Bruschetti: "Das Embargo wird noch länger bestehen bleiben..."

Herr Bruschetti, wie schätzen Sie die derzeitige Marktsituation in Russland ein – aus Sicht von Südtiroler Firmen?

Tomas Bruschetti: Jeder, der mit Russland zu tun hat, weiß, dass das Embargo noch länger bestehen bleiben wird. Russland hat sich mittlerweile darauf eingestellt und versucht nun über ein staatliches Autonomieprogramm Wege zu finden, um in den nächsten 5 bis 6 Jahren im Bereich der Frischeprodukte autonom und unabhängig von Importen aus Europa zu werden.

Zudem streckt es seine Fühler nach China, Afrika, Südafrika, Brasilien, Südamerika und Korea aus und umkreist damit Europa. Für Europa ist das ein großer Schaden.

Das heißt für landwirtschaftliche Produkte wie Äpfel, Milch oder Fleisch gibt es weiterhin keinen Weg nach Russland?

Tomas Bruschetti: Richtig. Was den Bereich der Frischprodukte anlangt, bin ich eher pessimistisch. Außerdem werden Äpfel aus Südtirol und dem Trentino gar nicht mehr gebraucht, da es mittlerweile günstigere Äpfel von ähnlicher Qualität aus Serbien gibt. Die milchproduzierenden Betriebe in und um Moskau sind hingegen noch weit entfernt von der Qualität der Südtiroler Produkte, aber sie arbeiten daran und holen sich Unterstützung von Experten und italienische Technologie. Langsam nähern sie sich an … Mittlerweile gibt es sogar einen russischen Parmesankäse. Was viele jedoch nicht wissen ist, dass Länder wie Kasachstan, Aserbaidschan,  Armenien und Usbekistan sehr wohl Frischeprodukte importieren. Die Kaufkraft dort ist zwar noch geringer als in Russland, aber es sind wachsende Märkte, die auch für Südtirol interessant sein können. Und von Moskau arbeiten wir auch mit diesen Ländern, da die Handelssprache auch dort Russisch ist.

Und wie sieht der Markt in anderen Bereichen aus?

Tomas Bruschetti: Bis zum Beginn des Embargos im Jahr 2014 hat Russland einfach importiert. Das lag auch am Wechselkurs: 40 Rubel für einen Euro. Heute braucht es doppelt so viel, damit ist die Kaufkraft halbiert. Heute sucht Russland verstärkt die Zusammenarbeit und importiert vor allem Know How oder Spezialprodukte, die dann mit eigenen Dingen wie Rohstoffen, ergänzt werden. Mehr denn je wird auf die Strategie „made with …“ gesetzt. Das heißt, Russland versucht, Produkte mit Hilfe von ausländischen Unternehmen vor Ort selbst herzustellen, um die russische Produktion in Gang zu bringen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Eigenproduktion kostet weniger und macht unabhängiger vom Euro. In allen Bereichen sehe ich jedoch ein großes Potential. Es gibt viele Dinge, die wir nach Russland bringen können. Wirklich viele. Nur wollen Russen nun eine wichtigere Rolle einnehmen als bisher – das muss man berücksichtigen.

Gibt es für ausländische Investoren Unterstützung von Seiten der russischen Regierung?

Tomas Bruschetti: Für Firmen, die in Russland produzieren, gibt es von politischer Seite die volle Unterstützung: eine Location, besondere steuerliche Konditionen und interessante Bedingungen. Das ist der Trend. Gesucht werden vor allem Dinge, die am Markt fehlen oder für den russischen Markt angepasst und vervollständigt werden können – wie bereits gesagt „made with … zum Beispiel Südtirol“.

Wie würden Sie russische Geschäftspartner als Menschen beschreiben?

Tomas Bruschetti: Sie sind anders als wir. Zunächst wirken sie sehr verschlossen, kennt man sie näher, dann möchte ich sie fast mit Italienern aus dem Süden vergleichen: Sie geben alles und zahlen auch gleich. Aber sie öffnen sich nicht sofort. Für sie ist Beziehung extrem wichtig und dafür braucht es Zeit und … Wodka. Das ist kein Scherz. Für Russen ist das gemeinsame Wodkatrinken ein Zeichen von Transparenz, ganz nach dem Motto: in vino veritas. Wodkatrinken bedeutet, sich zu öffnen und echte Freunde zu werden. In 90 Prozent der Fälle laufen Geschäfte so ab. Daher arbeite ich persönlich lieber mit Geschäftsfrauen, die sind verlässlich, rationaler und trinken weniger. Das ist so meine Erfahrung. Auf der anderen Seite sind Russen sehr bürokratisch. Ich muss lächeln, wenn jemand in Italien sagt, es gäbe zu viel Bürokratie, das ist nichts im Vergleich zu Russland. Vor einem Kauf beispielsweise, werden alle Details, Verträge und Lösungen analysiert und überprüft. Das darf jedoch nicht als Schikane gewertet werden, denn das ist einfach russisch und hat mit der Geschichte und Kultur des Landes zu tun.

Interview: Irene Schlechtleitner