Zudem streckt es seine Fühler nach China, Afrika, Südafrika, Brasilien, Südamerika und Korea aus und umkreist damit Europa. Für Europa ist das ein großer Schaden.
Das heißt für landwirtschaftliche Produkte wie Äpfel, Milch oder Fleisch gibt es weiterhin keinen Weg nach Russland?
Tomas Bruschetti: Richtig. Was den Bereich der Frischprodukte anlangt, bin ich eher pessimistisch. Außerdem werden Äpfel aus Südtirol und dem Trentino gar nicht mehr gebraucht, da es mittlerweile günstigere Äpfel von ähnlicher Qualität aus Serbien gibt. Die milchproduzierenden Betriebe in und um Moskau sind hingegen noch weit entfernt von der Qualität der Südtiroler Produkte, aber sie arbeiten daran und holen sich Unterstützung von Experten und italienische Technologie. Langsam nähern sie sich an … Mittlerweile gibt es sogar einen russischen Parmesankäse. Was viele jedoch nicht wissen ist, dass Länder wie Kasachstan, Aserbaidschan, Armenien und Usbekistan sehr wohl Frischeprodukte importieren. Die Kaufkraft dort ist zwar noch geringer als in Russland, aber es sind wachsende Märkte, die auch für Südtirol interessant sein können. Und von Moskau arbeiten wir auch mit diesen Ländern, da die Handelssprache auch dort Russisch ist.
Und wie sieht der Markt in anderen Bereichen aus?
Tomas Bruschetti: Bis zum Beginn des Embargos im Jahr 2014 hat Russland einfach importiert. Das lag auch am Wechselkurs: 40 Rubel für einen Euro. Heute braucht es doppelt so viel, damit ist die Kaufkraft halbiert. Heute sucht Russland verstärkt die Zusammenarbeit und importiert vor allem Know How oder Spezialprodukte, die dann mit eigenen Dingen wie Rohstoffen, ergänzt werden. Mehr denn je wird auf die Strategie „made with …“ gesetzt. Das heißt, Russland versucht, Produkte mit Hilfe von ausländischen Unternehmen vor Ort selbst herzustellen, um die russische Produktion in Gang zu bringen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Eigenproduktion kostet weniger und macht unabhängiger vom Euro. In allen Bereichen sehe ich jedoch ein großes Potential. Es gibt viele Dinge, die wir nach Russland bringen können. Wirklich viele. Nur wollen Russen nun eine wichtigere Rolle einnehmen als bisher – das muss man berücksichtigen.
Gibt es für ausländische Investoren Unterstützung von Seiten der russischen Regierung?
Tomas Bruschetti: Für Firmen, die in Russland produzieren, gibt es von politischer Seite die volle Unterstützung: eine Location, besondere steuerliche Konditionen und interessante Bedingungen. Das ist der Trend. Gesucht werden vor allem Dinge, die am Markt fehlen oder für den russischen Markt angepasst und vervollständigt werden können – wie bereits gesagt „made with … zum Beispiel Südtirol“.
Wie würden Sie russische Geschäftspartner als Menschen beschreiben?
Tomas Bruschetti: Sie sind anders als wir. Zunächst wirken sie sehr verschlossen, kennt man sie näher, dann möchte ich sie fast mit Italienern aus dem Süden vergleichen: Sie geben alles und zahlen auch gleich. Aber sie öffnen sich nicht sofort. Für sie ist Beziehung extrem wichtig und dafür braucht es Zeit und … Wodka. Das ist kein Scherz. Für Russen ist das gemeinsame Wodkatrinken ein Zeichen von Transparenz, ganz nach dem Motto: in vino veritas. Wodkatrinken bedeutet, sich zu öffnen und echte Freunde zu werden. In 90 Prozent der Fälle laufen Geschäfte so ab. Daher arbeite ich persönlich lieber mit Geschäftsfrauen, die sind verlässlich, rationaler und trinken weniger. Das ist so meine Erfahrung. Auf der anderen Seite sind Russen sehr bürokratisch. Ich muss lächeln, wenn jemand in Italien sagt, es gäbe zu viel Bürokratie, das ist nichts im Vergleich zu Russland. Vor einem Kauf beispielsweise, werden alle Details, Verträge und Lösungen analysiert und überprüft. Das darf jedoch nicht als Schikane gewertet werden, denn das ist einfach russisch und hat mit der Geschichte und Kultur des Landes zu tun.
Interview: Irene Schlechtleitner