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Das atemberaubende Tempo von Papst Franziskus

Vatikanexperten Marco Politi, kürzlich Gast beim 6. Presseempfang des Raiffeisenverbandes, mit Neugikeiten zu Papst Franziskus und seine Reformen.

Raiffeisen Nachrichten: Welche Neuigkeiten gibt es im Vatikan?

Marco Politi: Neu ist dieses atemberaubende Tempo von Franziskus: er war in Kuba, in Mexico, in den Vereinigten Staaten. Er arbeitet auf ökumenischer Ebene und hat den Patriarch von Russland Kyrill I., dem Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche getroffen, er wird zum Luthergedenktag nach Schweden fahren. Als Beobachter bleibt einem kaum Zeit auszuruhen, da macht er schon etwas Neues.

Papst Franziskus verfolgt teils unkonventionelle Strategien um Reformen in der Kirche anzugehen?

Ja er verfolgt ein großes Reformprogramm: In erster Linie will Franziskus keine monarchische, kaiserliche Kirche, sondern eine Kirche, die eine Gemeinschaft bildet und das großes Prinzip des Vaticanum II (Anm.: das Zweite Vatikanische Konzil) verwirklicht: die Kollegialität. Dementsprechend möchte er, dass der Papst UND die Bischöfe die Kirche leiten. Um das zu realisieren hat Franziskus einen Kronrat eingesetzt mit neun Kardinälen aus der ganzen Welt und den verschiedenen Richtungen: Reformer, Konservative und Persönlichkeiten der Mitte. Darunter sind nicht nur Franziskusanhänger.

Zweitens möchte Franziskus der Bischofssynode ein Vorschlagsrecht geben. Damit wäre die Synode nicht nur eine akademische Konferenz, sondern würde praktische Vorschläge ausarbeiten zu den dringenden Problemen der Kirche im 21. Jahrhundert.

Der Papst möchte außerdem mehr Finanztransparenz. In diesem Bereich hat er bereits viel erreicht und tausende Konten schließen lassen, ein Komitee gegen Geldwäsche und eine Kontrollstelle für Budgets von den verschiedenen Kongregationen und Ministerien in der Kirche einrichten lassen. Neu sind auch die Verträge mit Italien, Deutschland und den USA, die bei polizeilichen oder gerichtlichen Untersuchungen gegen Finanzkriminalität helfen sollen.

Schließlich möchte er auch die Stellung der Frauen in der Kirche verbessern und sie in Entscheidungspositionen bringen. Bereits jetzt gibt es zum ersten Mal eine Frau im Verwaltungskomitee der Vatikanischen Bank und eine Frau in der Kommission zum Schutz von Minderjährigen gegen Sexualverbrechen. In diesem Gremium gibt es mehrere Frauen, darunter sogar ein Opfer, also eine Frau aus Irland, die mit 13 Jahren Opfer eines Priesters war.

Wer sind also die Feinde von Franziskus? Wo sitzen sie?

Überall. Ein Teil der Kurie ist dagegen, dass Frauen mehr Platz bekommen sollen. Ein anderer Teil ist dagegen, dass Wiederverheiratete und Geschiedene nach einer Bußperiode wieder die Kommunion bekommen können. Unterschiedliche Auffassungen gibt es auch zur Aussage Franziskus: "Die Kirche sei ein Feldlazarett, das den Menschen helfen soll." "Die Kirche sei kein Lazarett sondern ein Gotteshaus", so die Gegner. Auf allen Ebenen gibt es Gegner, die ihren Unmut über Franziskus Reformpläne Ausdruck verleihen. Eine regelrechte Hetzkampagne gegen den Reformpapst gab es im Netz: Er sein ein Demagoge, ein Populist, ein Feminist und er vermindere die Sakralität des Papsttums.

Wie gehen die Medien mit diesem Papst um?

Medien lieben einen dynamischen Papst. Man hat das schon mit Johannes Paul II gesehen, oder mit Johannes XXIII. Papst Ratzinger hatte weniger Glück mit den Medien, auch weil er kein Regierungstemperament hatte und persönlich in seinem Pontifikat so viele Krisen ausgelöst hat. Aber im Großen und Ganzen sind die Medien und die öffentliche Meinung aufgrund seines großen sozialen Engagements - auch unter den Nichtgläubigen - dem Papst gegenüber positiv eingestellt.

Franziskus arbeitet sehr viel mit seinem persönlichen Zeugnis und seiner Arbeit. Er glaubt an die Kraft des Prozesses und will Dinge in Gang setzen. Er ist ein Mensch, der aussät. Dies bedeutet nicht, dass er die Ernte selbst nach Hause bringen wird. Der Papst weiß, dass es eine lange oder eine gewisse Zeit braucht, bis ein Reformgeist in dem großen Körper der Kirche verwirklicht wird. Deswegen fühlt er sich auch allein. Einmal hat er gesagt: "Ich hoffe, dass alle die Opfer, die ich für die Kirche tue, nicht so sind, wie ein Licht das plötzlich ausgeht."

Kann ein Nachfolger Franziskus die eingeleiteten Änderungen wieder rückgängig machen?

Einen Papst, der wie eine Ikone im Vatikan steht wird es nie mehr geben. Der Verlauf der Geschichte war aber immer schon zickzackförmig. Daher erwartet man sich, dass es nach Franziskus keinen so starken Papst geben wird, wie es Franziskus ist. Vielleicht wird sein Nachfolger eine diplomatische Figur sein. Der Fortschritt in Kirche und Gesellschaft ist nicht immer linear.

Seit Papst Ratzinger abgedankt hat, gibt es keinen Papst mehr auf ewig. Papst Franziskus hat selbst gesagt, mein Pontifikat wird nur vier bis fünf Jahre dauern und drei Jahre davon sind schon um. Man kann damit rechnen, dass der Papst in den nächsten drei bis vier Jahre abdankt.