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„Der Mensch soll im Mittelpunkt stehen“

Vor kurzem wurde das neue Bildungsprogramm für Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften 2020-2022 vorgestellt. Neu ist auch der Bereich Personalentwicklung & Aus- und Weiterbildung im Raiffeisenverband Südtirol (RVS). Walter Eisendle, Leiter des Bereichs, erläutert im Interview, warum Personalentwicklung so wichtig ist.

Die fortschreitende Internationalisierung der Märkte stellt Unternehmen vor vielfältige Herausforderungen. Betriebe, die sich auf den sich rasch ändernden Märkten behaupten wollen, müssen anpassungsfähig bleiben. Dies gilt auch für Genossenschaften.

Mit dem neuen Bildungsprogramm für Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften ist es dem Bereich Personalentwicklung & Aus- und Weiterbildung gelungen, ein praxisorientiertes Programm zu organisieren, das Unternehmen darin unterstützt ihre vorhandenen Kompetenzen und Stärken zu verdichten und gleichzeitig kontinuierlich neue Kompetenzen aufzubauen. Das Angebot für Führungskräfte, Verwaltungs- und Aufsichtsräte, sowie Mitarbeiter von Genossenschaften ist in sechs Bereiche gegliedert:

  1. Fachspezifischer Bereich: Steuerrecht, Arbeitsrecht, Lebensmittelrecht, Gesellschaftsrecht, Hygienestandard, Betriebswirtschaft usw.
  2. Management und Führung: strategisches Management, Leadership, Change Management, Führungsinstrumente, Projektmanagement, Teamentwicklung
  3. Persönlichkeit & Entwicklung: Kommunikation, Konfliktmanagement, mentales Training, Gesundheit, Eigenmotivation
  4. RAIFFEISEN.GOES.GSUND: Inhouse-Schulungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung
  5. Arbeitssicherheit: gesetzlich vorgeschriebene Aus- und Fortbildungen
  6. Arbeitstechniken: u.a. Microsoft Programme, MS Office 365 und Sprachen

Neben dem vielseitigen Bildungsangebot bietet der Raiffeisenverband seit kurzem auch Personalentwicklung für Mitgliedsgenossenschaften an. Warum Personalentwicklung oft über den Erfolg eines Betriebes entscheidet, erklärt Walter Eisendle, Leiter des Bereichs, im Interview.

Raiffeisen Nachrichten: Warum ist Bildung und Personalentwicklung so wichtig?

Walter Eisendle: Ganz einfach deshalb, weil der Mensch den Unterschied macht. Technik und Maschinen kann sich jeder kaufen, aber sie so einsetzen, dass der Kunde den Mehrwert schätzt und dafür bezahlt, das kann nicht jeder. Dies erfordert kompetente und engagierte Mitarbeiter, die gut (abteilungsübergreifend) zusammenarbeiten, sich absprechen und ergänzen. Ein Beispiel: Es gibt Betriebe, die technisch identisch ausgestattet sind und dennoch hat der eine Erfolg und der andere nicht. Den entscheidenden Unterschied machen eben genau diese Mitarbeiter und Führungskräfte aus. Mit zunehmender Technologisierung werden die Werkzeuge und dessen Auswirkungen immer mächtiger. Daher soll der Mensch noch stärker in den Fokus gestellt werden.

Wo liegen diesbezüglich die größten Entwicklungspotentiale?

Walter Eisendle: Viele Betriebe sind sich nicht bewusst, welches Potential in ihren Mitarbeitern steckt. Meiner Meinung nach muss der Mensch im Mittelpunkt stehen, weil dadurch u.a. die Identifikation mit dem Betrieb verstärkt wird. Wer sich stark mit seinem Betrieb und dessen Produkte identifiziert und stolz darauf ist, dass der Kunde diese annimmt, leistet mehr und macht die Arbeit mit mehr Freude. Wer etwas gerne macht und sich beteiligen darf, macht es automatisch besser, interessiert sich und bleibt up to date.  

Wie geht der Bereich Personalentwicklung & Aus- und Weiterbildung auf diese Themen ein?

Walter Eisendle: Unsere Aus- und Weiterbildungsprogramme sind inzwischen sehr gut eingeführt und werden von den Mitgliedsgenossenschaften gut genutzt. Vor allem Inhouse-Schulungen, die auf den Betrieb zugeschnitten sind, werden immer stärker nachgefragt. Neu hinzugekommen ist der Bereich „Personalentwicklung“. Hier geht es immer um individuelle, an den Betrieb angepasste Lösungen. Im strukturierten Vorgespräch mit den Verantwortlichen analysieren wir unverbindlich die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Betriebes, um zu erkennen welche Themen aktuell eine Herausforderung darstellen. Mit einer maßgeschneiderten Lösung werden diese Themen gemeinsam mit den Betroffenen und Beteiligen gezielt, effizient und professionell angegangen.

Welche Themen könnten das sein?

Walter Eisendle: Personalentwicklung umfasst die Betreuung und Begleitung von Menschen auf drei Ebenen: das Individuum, das Team, die Organisation.
Auf der Ebene des Individuums sind es alle Themen vom Moment der Bewerbung an bis zum Austritt, wie z.B. Onboarding, Entwicklungsplanung, aber auch Konfliktmanagement. Für Teams stehen immer wieder Themen, wie z.B. Zusammenarbeit, Rollenklarheit und Zielfindung, auf der Agenda.  

Es geht natürlich aber auch um die Organisation selbst, mit Themen wie, Leit- und Wertebild, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Unternehmenskultur, Mitarbeitergespräche, Eigenmarke und vieles mehr. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Personalentwicklung immer eng mit der Entwicklung der Organisation, und umgekehrt, einhergehen sollte. 

Hat sich durch die Corona-Krise in Ihrem Bereich etwas verändert?

Walter Eisendle: Wir merken, dass der Wunsch nach Onlinelearnings zugenommen hat. Auch Webinare werden nun häufiger gebucht. Der Vorteil liegt auf der Hand: die Fahrtzeit fällt weg, die einzelnen Module sind meist kürzer getaktet und auf mehrere Sessions aufgeteilt. Die Teilnehmer sind konzentrierter und haben die Gelegenheit vom einen zum nächsten Mal Fragen zu stellen. Künftig können auch Pflichtschulungen und Prüfungen online erfolgen. Eine wesentliche Veränderung, die wir bemerkt haben, ist dass die Sensibilisierung für Mitarbeiterführung generell stark zugenommen hat. Als Personalentwickler ist es nun sehr interessant zu schauen, was wir von dieser Krise lernen und wie wir das System der Organisation stärken können. Dabei denke ich vor allem an die Eigenständigkeit, Flexibilität, Solidarität, aber auch das Engagement der Mitarbeiter, welche in dieser Phase ganz stark zum Tragen gekommen sind.