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"Die Zeit ist reif für Frauen"

Bettina Kastner koordiniert den Funktionärinnen-Beirat im Österreichischen Raiffeisenverband und war als Referentin zum 2. Erfahrungsaustausch von Frauen in den Führungsgremien der Südtiroler Raiffeisenkassen nach Bozen geladen. Raiffeisen Nachrichten hat mit ihr gesprochen.

Frau Kastner, Sie sind als Referentin geladen bei einer Veranstaltung zu Themen, die Sie in Österreich bereits diskutiert haben. Kommt Ihnen das bekannt vor?

Die Diskussionen hier zu mehr Frauen in den Führungsgremien von Genossenschaften sind zeitverzögert wirklich ähnlich. Wir hatten das vor eineinhalb Jahren: Auch bei uns ist die Hälfte der Kunden, Mitglieder und Mitarbeiter weiblich. Dieses Verhältnis wünschen wir uns auch bei den Funktionärinnen und Funktionären des Österreichischen Raiffeisenverbands und mittlerweile sagen viele Obmänner und Geschäftsleiter bei uns: "Die Zeit ist reif für Frauen".

Welchen Erfahrungsschatz bringen sie uns aus Wien mit? Wie sind Sie das Thema angegangen?

Zunächst ging es uns um Sensibilisierung auf allen Ebenen. Die Öffentlichkeitsarbeit war uns ganz wichtig. Erscheint nur ein Artikel in der Zeitung, ist er zwei Wochen später vergessen. Das muss ein ständiges Begleiten sein durch die Medien - unsere Raiffeisenzeitung war da sehr hilfreich - und dafür muss man natürlich Inhalte vorweisen.

Mit dem KompetenzPlus-Seminar "Das neue Miteinander - Vielfalt in der gremialen Arbeit bei Raiffeisen" haben wir versucht die Funktionäre ins Boot zu holen. Wir haben ihnen die Vorteile von gemischten Gremien dargelegt, aber auch alles was an den Rahmenbedingungen geändert gehört, sprich von der Kommunikation her, von der Herangehensweisen, von den Themen. Dass man da einfach auch offen sein muss, um andere Meinungen zu akzeptieren und das neue Miteinander zu leben.

In welchem Bereich gibt es den größten Aufholbedarf? Was ist zu tun?

In einem ersten Schritt, sollte man positive Beispiele zeigen, damit alle sehen, dass die Vielfalt beim Verhältnis von Frauen und Männern Erfolg hat und dass es ist notwendig ist, da Kraft hineinzustecken. Noch wichtiger ist es, dass die Initiative von oben mitgetragen wird. Sonst geht gar nichts. Es braucht das Formale, das offizielle Kommittent von der Chefetage. Das klingt zwar nach Formalismus, ist aber ganz wichtig für die Bedeutung der Anliegen. Dazu gehören auch Interviews vom Vorstand.

Dann muss man die Basis für die Idee gewinnen und das heißt wiederum persönliche Überzeugungsarbeit. Man muss in persönlichen Gesprächen aufzeigen, welche Vorteile sich durch eine Rolle in einem Führungsgremium ergeben. Diese Überzeugungsarbeit ist bei uns in Österreich die Aufgabe der Bundeslandvertreterinnen, die hier ein Netzwerk aus Funktionärinnen der Bundesländer bilden.

Außerdem ist es notwendig, dass jede dieser Frauen in ihrer Raiffeisenbank mit den Vorständen, mit den Funktionären spricht und sie von der Sache überzeugt. Und so geht das in die Breite, wird von oben getragen und von der Basis unterstützt.

Haben Sie Ratschläge wie man für die anstehenden Wahlen für Raiffeisengremien mehr Frauen überzeugen könnte, sich aufstellen zu lassen?

Man muss Frauen aufklären über das Funktionärsamt und zwar ganz offen. Da darf man nicht sagen, dass dauert eh nicht lange und es braucht gar nicht viel Zeit dafür. Man muss ehrlich aufklären darüber, dass es für die Rolle einer Funktionärin Ausbildung bedarf, dass man Zeit und Energie darauf verwenden muss und auch dass man Interesse für die Tätigkeit haben muss. Wir haben für die Aufklärung einen Folder ausgearbeitet - wie er ja auch in Südtirol geplant ist. Damit gibt man Obmännern eine Hilfe für Aufklärungsgespräche.

Das andere ist, dass die Jugend für die Genossenschaft gewonnen werden muss. Nicht nur junge Damen, sondern auch junge Herren. Derzeit ist das Interesse der Mitarbeit nicht so groß wie noch vor zehn oder fünfzehn Jahren und daher versuchen wir in Informationsseminaren zu erklären wie man Netzwerken kann, wie man die Region mitgestalten kann und welchen Mehrwert man persönlich hat, wenn man ein Funktionärsamt ausübt. Und die Ausbildung muss man - glaube ich - positiv bewerten. Man muss kommunizieren: Du darfst eine Ausbildung machen, das wird ja alles gezahlt. Das ist auch für dich in deinem Beruf ein Mehrwert und hilft dir bei deinem Fortkommen; von dieser Seite muss man das aufziehen.

Was würden Sie den SüdtirolerInnen persönlich mit auf den Weg geben?

Mut, Mut dabei zu sein und mitzumachen. Das schaffen die Damen genauso wie die Herren...