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Diplomatin Gerlinde Manz-Christ: „Ruhe bewahren ist das oberste Gebot"

Für viele Unternehmen und Genossenschaften ist Krisenprävention nach wie vor ein Fremdwort. Dabei wird es immer wichtiger, sich gut auf Krisen vorzubereiten, meint die langjährige Diplomatin Gerlinde Manz-Christ.

Nach Jahren im diplomatischen Dienst für Österreich und zuletzt als Leiterin der internationalen Kommunikation und Regierungssprecherin des Fürstentums Lichtenstein, widmet sich Gerlinde Manz-Christ heute der „Business-Diplomatie" und berät Unternehmen in den Bereichen Kommunikation und Krisenprävention. Für den Raiffeisenverband hat sie die Kommunikationsstrategie „Sicher gemeinsam“ entwickelt. Als Diplomatin für Wirtschaft und Politik teilt sie ihre Erfahrungen mit Unternehmen, um eine neue Kultur der Business-Kommunikation zu begründen, Krisen zu verhindern, Konflikte zu lösen und Win-win-Situationen zu schaffen. Zudem lehrt die promovierte Juristin, Wirtschaftsexpertin und Bestsellerautorin als Dozentin an der Universität Innsbruck und an der Diplomatischen Akademie Wien.

 

Frau Manz-Christ, Sie waren im diplomatischen Dienst tätig. Was ist die Essenz Ihrer Erfahrungen, die Sie heute an Unternehmen weitergeben?

Gerlinde Manz-Christ: Da gibt es Vieles, aber die Essenz liegt wirklich darin, im Moment präsent zu sein und was man tut, bewusst zu tun. Ob in der Politik, im Unternehmen oder im Privaten. Das macht den spürbaren, aber oft nicht erklärbaren Unterschied von wirklich guter Arbeit aus.

Trifft es immer noch zu, dass viele Unternehmen erst dann reagieren, wenn sie von einer Krise oder Krisensituation betroffen sind?

Ja, leider wollen sich immer noch viele nicht mit Krisenprävention beschäftigen. Jedes Unternehmen sollte sich aber im Klaren sein, dass es jederzeit in eine Krisensituation geraten kann. Häufig höre ich in meinen Seminaren, uns kann nichts passieren oder das machen wir dann, wenn es so weit ist. Dabei sind viele Unternehmen auf Krisen einfach unvorbereitet. Sie sollten sich aber fragen, welche Krisen oder Probleme sie treffen könnten und sich darauf vorbereiten.

Gibt es typische Fehler, die Unternehmen in Krisensituationen machen?

Einer der häufigsten Fehler ist, sich eben nicht vorzubereiten und die Möglichkeit von Krisen zu ignorieren. Ein zweiter häufiger Fehler ist, eine eingetretene Krisensituation dann nicht wahrhaben zu wollen, nicht darauf zu reagieren, keine Fragen zu beantworten und zu warten, bis sich die Krise von alleine löst – was sie im Regelfall nicht tut.

Sie sagen, Krisen in Unternehmen sind in erster Linie Kommunikations- und Medienkrisen. Warum?

Wer mit Krisen und Krisensituationen kompetent und offen umgeht, kann die Reputation des Unternehmens und das Vertrauen sogar stärken. Aber umgekehrt auch viel Vertrauen verspielen, wenn unsicher, schlecht oder gar nicht kommuniziert wird. Häufig ist es so, dass durch Nicht-Kommunikation oder schlechte Kommunikation erst wirklich eine Krise entsteht und die Medien auf den Plan gerufen werden; vorher ist es ein kritischer Moment oder ein Unglück.

Wann ist eine Krise für ein Unternehmen wirklich eine Krise und wie lässt sich dies  erkennen?

 Man spricht heute oft zu schnell von einer Krise. Eine Krise stellt einen Wendepunkt, einen Schnittpunkt dar, an dem sich die Geschicke einer Organisation zum Guten oder zum Schlechten wenden können. Je nachdem, wie damit umgegangen wird. Dabei spielt heute   auch die Allgegenwart der Medien eine wichtige Rolle. Eine wirkliche Krise haben wir aber in jeden Fall dann, wenn die Interessen von Menschen beschädigt werden oder gar ihr Leben gefährdet wird.

Wie hat sich Krisenprävention und Krisenmanagement in den letzten Jahren  gewandelt?

Alles ist viel schneller geworden. In der Krise haben Sie praktisch keine Zeit mehr zum Nachdenken wie Sie jetzt vorgehen. Deswegen muss möglichst viel im Vorfeld vorbereitet werden. Immer mehr Unternehmen schaffen die Position eines Risiko-Managers, legen Krisenhandbücher an. Doch es ist wie bei Brandschutzübungen: Es geht alle im Unternehmen an und jeder Einzelne muss seine Rolle und Aufgabe im Notfall kennen. So muss zum Beispiel die Telefonistin wissen was sie einem Anrufer zu sagen hat, oder dass bei einer Katastrophe mit einem Todesfall die fröhliche Musik in der Telefon-Warteschleife und die knackigen Marketing-Slogans zu ändern sind. Jeder muss dann Verantwortung für seine Aufgaben übernehmen und wissen, was er oder sie zu tun hat. Das muss man einmal im Jahr auch praktisch üben.

Das wäre Sicherheitsprävention direkt im eigenen Unternehmen selbst, aber was umfasst Krisenprävention darüber hinaus?

Die Krisenszenarios sind äußerst vielfältig und völlig unterschiedlich. Das kann vom Chemieunfall über ein schlechtes Produkt wegen einer unterbrochenen Kühlkette bis hin zum ethisch nicht korrekten Verhalten einer Führungskraft reichen. Darum ist es ja genau die Aufgabe eines Unternehmens rechtzeitig zu schauen, welche Krisenfälle in der eigenen Branche, im eigenen Haus passieren könnten. Das ist schon Teil der Krisenprävention, das sind Hausaufgaben, die jedes Unternehmen machen sollte.

Die Investition in Krisenschutz und -prävention ist also gut investiertes Geld?

So ist es, denn zum Reputationsaufbau und zum Reputationsschutz eines Unternehmens gehört die Krisenprävention unbedingt dazu. Jedes Unternehmen strebt ja schließlich danach, Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei den Kunden aufzubauen und zu erhalten. Also ist es gut zu wissen, was die eigene Glaubwürdigkeit und die eigene Reputation schwächen könnte.
Meine Devise ist, besser einen Regenschirm mitzunehmen und man braucht ihn nicht, als bei einem plötzlichen kalten Regenguss ohne Schutz dazustehen. Es ist also besser, Krisenprävention zu betreiben und man braucht sie dann nicht, als hier unbegründet nachlässig zu sein.

Gibt es ein oberstes Gebot im Krisenmanagement, also wenn tatsächlich ein Krisenfall eintritt?

Im Krisenfall gilt als aller oberstes Gebot Ruhe bewahren. Das klingt jetzt einfach, aber in einem echten Krisenfall wächst der Druck auf die Verantwortlichen. Und dann ist Ruhe bewahren sehr schwierig aber extrem notwendig. Nur dann behält man einen klaren Kopf dafür, was jetzt richtig und wichtig ist. Das andere ist Empathie zeigen für jene Menschen, die möglicherweise geschädigt wurden, egal in welcher Form. Das ist genauso wichtig, passiert aber leider häufig nicht. Und der dritte Punkt, den Verantwortlichen beherzigen sollten, ist zu verstehen, dass die Medien nur ihre Arbeit tun und nicht per se böse Absichten verfolgen. Diese Herangehensweise macht es sicher etwas leichter, einen Krisenfall erfolgreich zu handhaben.

Seminar für Mitgliedsgenossenschaften:
„Krisenschutz vor und in schwierigen Situationen"

Krisen entstehen immer schnell und meistens zum schlechtesten Zeitpunkt. Deshalb gilt es, sich darauf vorzubereiten. "Krisenschutz vor und in schwierigen Situationen" ist der Titel eines Seminars mit Dr. Gerlinde Manz-Christ, das der Raiffeisenverband am 29. und 30. September 2017 im Hotel Eberle/Bozen veranstaltet . Das Seminar richtet sich an die Unternehmens- und Geschäftsleitung, Pressesprecher und Mitarbeiter in Presse- und PR-Stäben der Mitgliedsgenossenschaften.

Die Teilnehmer lernen, wie sie durch eine professionelle und zeitnahe, sachliche und transparente Krisenkommunikation den Verlauf, die Länge und Ausprägung von Kommunikationskrisen positiv beeinflussen können.

Einige Inhalte des Seminars:

  • Was macht eine Krise zur Krise?
  • Wie funktioniert eine klassische Krise?
  • Instrumente der Krisenprävention. Umgang mit potenziellen Krisenthemen
  • Krisen-Prävention: der richtige kommunikative Umgang.
  • Faktoren einer professionellen Krisenkommunikation.
  • Krisenpotenziale besser einschätzen.
  • Ad hoc-Kommunikation in Krisensituationen.
  • Die eigene Krisentauglichkeit und das eigenen kommunikative unter Druck erkennen.

Anmeldung:
E-Mail: rvs.bildungswesen(at)raiffeisen.it
Telefon: 0471/ 945 450