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Drei Jahre Forschung zur Governance in Kreditgenossenschaften – Positive Bilanz und neue Perspektiven

Seit 2022 untersucht das Centro di Ricerca del Credito Cooperativo (CRCC) die Governance der italienischen Kreditgenossenschaften. Getragen von der Università Cattolica in Mailand, der Federcasse und dem Verband der lombardischen Kreditgenossenschaften, hat das Forschungszentrum eine erste Bilanz gezogen. Das Fazit nach drei Jahren: Die Strukturen haben sich verbessert – und das sichtbar.

Vor kurzem wurde an der Università Cattolica del Sacro Cuore in Mailand der Dreijahresbericht des Centro di Ricerca del Credito Cooperativo (CRCC) vorgestellt. Die Bilanz fällt positiv aus: In den vergangenen drei Jahren legte das CRCC wissenschaftliche Grundlagen für die Governance der Banche di Credito Cooperativo (BCC-CR), zu denen auch die Südtiroler Raiffeisenkassen gehören. Es veröffentlichte Studien zu Digitalisierung und Regulierung und trieb die Ausbildung von Führungskräften voran. Im Zentrum stand stets die Frage, wie Kreditgenossenschaften ihre Identität bewahren und zugleich die wachsenden Anforderungen von Markt und Aufsicht erfüllen können.

Die Experten des CRCC – darunter Prof. Giovanni Petrella, Prof. Stefano Bozzi und Prof. Matteo Arrigoni – betonten, dass sich die Governance-Strukturen zwischen 2021 und 2024 deutlich verbessert haben. Zentrale Entwicklungen sind:

  • mehr Frauen in den Genossenschaftsorganen,
  • ein höherer Bildungsgrad der Bankexponenten,
  • größere Diversität nach Alter und beruflichem Hintergrund sowie
  • intensive Weiterbildungsprogramme mit Schwerpunkten auf ESG-Themen und Digitalisierung.

Damit hat der Sektor gezeigt, dass er seine Strukturen erfolgreich an ein komplexes Wettbewerbs- und Regulierungsumfeld anpassen kann.

Die Sicht des Raiffeisen-IPS-Verbundes

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion zur „Transizione di genere e intergenerazionale nella governance delle BCC“ brachte Andreas Mair am Tinkhof, Bereichsleiter Banken & Genossenschaftsförderung im Raiffeisenverband Südtirol, die Sicht des Raiffeisen-IPS-Verbundes ein. Er betonte, dass „der Bericht ein überaus wertvolles Instrument ist, um die Entwicklung der Governance zu messen.“ In seinen Ausführungen hob er drei wesentliche Entwicklungen hervor:

  • Der Bericht macht deutlich, dass auch im Raiffeisensektor die Qualifikation der Mandatare deutlich gestiegen ist. Der Eintritt neuer Berufsgruppen in die Genossenschaftsorgane sowie die gezielte Aus- und Weiterbildung durch den Lehrgang „Fit & Proper für Kreditgenossenschaften“ trägt erste Früchte.
  • Die Verwaltungs- und Aufsichtsräte der Raiffeisenkassen zeichnen sich durch eine größere Vielfalt in der Besetzung aus. Vor allem der Frauenanteil in den Verwaltungsräten stieg auf 32% und in den Aufsichtsräten auf 38 %. Mair am Tinkhof betonte die Bedeutung des Arbeitskreises „Frauen in der Führung von Genossenschaften“, der seit 10 Jahren zur Sensibilisierung für dieses wichtige Thema beiträgt.
  • Die Genossenschaftsorgane sind in den vergangenen Jahren deutlich effizienter geworden. Der Verwaltungsrat einer Raiffeisenkasse besteht im Schnitt aus 6,5 Mitgliedern.
Weibliche Führung, junge Mitglieder

Trotz dieser Fortschritte bleibt Handlungsbedarf: Mair am Tinkhof betonte die Notwendigkeit, weibliche Führung gezielt zu fördern – derzeit blickt man lediglich auf eine Präsidentin, drei Aufsichtsratsvorsitzende und drei Direktorinnen in den Raiffeisenkassen. Auch der Generationswechsel müsse durch die Aufnahme junger Mitglieder forciert werden, denn das Durchschnittsalter in den Verwaltungsräten liege derzeit bei etwas mehr als 55 Jahren. Betont wurde auch, dass die mehrsprachigen Rahmenbedingungen in Südtirol es manchmal erschwerten, geeignetes Personal zu rekrutieren.

Genossenschaftliche Identität stärken

Luisa Nena, Bereichsleiterin Personal im Raiffeisenverband, diskutierte am runden Tisch zum Thema „Le strategie formative“ zu praxisnahen Impulsen, alltäglichen Herausforderungen in der Aus- und Weiterbildung sowie konkrete Maßnahmen für die Gestaltung wirksamer Lerninhalte. „Es galt, die Besonderheiten unserer Raiffeisenwelt herauszuarbeiten, insbesondere die unterschiedlichen sprachlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Bankgenossenschaften.“ Dabei verwies sie auf das mit 119 Kursen sehr breit gefächerte Kursangebot mit einem überaus hohen Anteil an Präsenzveranstaltungen von über 60 %: „Dies wird sehr geschätzt, denn vor allem im Persönlichen entstehen fruchtbringende Diskussionen“.
Für die Zukunft soll die genossenschaftsspezifische Ausbildung noch stärker in den Mittelpunkt rücken. Die Priorität liegt dabei nicht auf dem Ausbau zusätzlicher technischer Kompetenzen, die bereits heute umfangreich vorhanden sind, sondern auf der Stärkung der genossenschaftlichen Identität. Was Andreas Mair am Tinkhof und Luisa Nena betonten: „Die demografische Entwicklung ist wohl als die allergrößte Herausforderung für die westlichen Volkswirtschaften zu erachten.

An der Tagung in Mailand hatte neben Andreas Mair am Tinkhof und Luisa Nena unter anderem auch Mirco Mauloni, Direktor der Raiffeisen IPS Genossenschaft teilgenommen.