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Energie der Zukunft ist erneuerbar und bürgernah

Südtirols Energielandschaft durchlebt eine Zäsur. Nach Sel-Skandal, der „Heimholung der Energie“ und der Stromhochzeit zwischen SEL und Etschwerken muss sich auch der Südtiroler Energieverband neu orientieren. Anlässlich der Vollversammlung des SEV spricht Geschäftsführer Rudi Rienzner über die Perspektiven des Klima-Landes Südtirol und die neuen Herausforderungen der Energiewende.

Global denken – dezentral handeln. Unter dieses Motto stellt der Südtiroler Energieverband seine Visionen für die Zukunft bei der heurigen Jahresvollversammlung.
Das Dezentrale ist laut Geschäftsführer Rudi Rienzner der heimischen Energiewirtschaft ureigen. 77 Genossenschaften und Konsortien, 195 Betriebe und 34 Gemeinden und öffentliche Körperschaften sorgen seit vielen Jahrzehnten für ein kapillares bürgernahes Versorgungsnetz mit kundenfreundlichen Preisen und Servicedienstleistungen. Die seit über 100 Jahren bestehenden Energiewerke haben sich in den letzten Jahren laut Rienzner zu „Utilities“ entwickelt. Zu Versorgungsdienstleistern, die die Haushalte nicht nur mit Strom versorgen, sondern auch mit anderen Diensten wie z.B. Wärme. So seien auch in der Peripherie so etwas wie Stadtwerke entstanden. Der SEV reagierte zuletzt mit der Aufstockung des Fachpersonals im Bereich des Stromhandels, der Fernwärmeversorgung und Elektromobilität auf eine gleichzeitig steigende Nachfrage. Denn den Vorteil der dezentralen Energielieferer spürt der Konsument laut Rienzner vor allem im Preis: 40 bis 70 Prozent liege das Angebot der integrierten Betriebe unter den gängigen Marktpreisen, so Rienzner.

Daran soll nach der beschlossenen Fusion zwischen SEL und Etschwerke auch eine noch größere Landesgesellschaft nicht viel ändern, ist man beim Südtiroler Energieverband optimistisch. Dennoch blickt man in der Raiffeisenstraße noch mit etwas Bauchweh auf die Stromhochzeit: „Klar, wir hätten eine andere  sprich dezentralere Lösung bevorzugt. Aber die Fakten sind nun andere, und wir müssen mit den Gegebenheiten zurechtkommen“, meint Rienzner. Es gehe nun darum, den Neustart im Südtiroler Energiegeschäft gemeinsam anzupacken und die Südtiroler Konsumenten wieder in den Mittelpunkt zu stellen. „Langfristig gelingen Energieprojekte, vor allem große wie beispielsweise die alternative abgelehnte Windnutzung am Brenner, nur mehr mit Bürgerbeteiligung. Das zeigen uns etliche Beispiele im Ausland. Wir als Vertreter des kapillaren, bürgernahen Netzwerkes können bei einem entsprechenden Sinneswandel bei den Entscheidungsträgern entscheidend mithelfen.“

Laut Rienzner sind aus diesem Grund  in ganz Europa und in den USA Energiegenossenschaften auf dem Vormarsch. Wie dort neue Kooperationsmodelle mit Energieindustrie und Zivilgesellschaft erfolgreich ausprobiert werden, davon konnte sich der SEV im März bei einem „transatlantischen Meinungsaustausch“ in Brüssel überzeugen, der vom Europäischen Verband der unabhängigen Strom- und Gasverteilerunternehmen (GEODE) veranstaltet wurde. Die Südtiroler waren 2014 dem Verband beigetreten. Genossenschaften mit über 160.000 Mitgliedern wie in einem Fall im amerikanischen Virginia machen dem Südtiroler Energieverband Mut. Denn Südtirol habe mit über 50 % regenerativer Energie schon von seiner Grundvoraussetzung her beste Chancen, die Herausforderungen der Zukunft im Bereich der Energiewende zu meistern. Laut dem Energieverband gelte es nun, diese Chancen entsprechend zu nutzen.