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„Ganzer Einsatz für die Mitglieder“

Am 11. Juni hält der Raiffeisenverband die Vollversammlung über das Geschäftsjahr 2020 ab. Damit geht auch die reguläre dreijährige Amtsperiode zu Ende. Verbandsobmann Herbert Von Leon zieht eine positive Bilanz über ein bewegtes Triennium.

Raiffeisen Nachrichten: Herr Von Leon, das Geschäftsjahr 2020 und die letzten Monate waren von der Pandemie geprägt. Welches Fazit ziehen Sie für den Raiffeisenverband?

Herbert Von Leon: Wir blicken auf ein herausforderndes, aber auch erfolgreiches Jahr zurück. Die Covid-19-Pandemie zwang uns zu einem konsequenten Krisenmanagement. In erster Linie galt und gilt es, die Gesundheit der Mitarbeiterschaft zu schützen und die Mitgliedsgenossenschaften verstärkt zu beraten, zu betreuen und zu unterstützen. Dazu stehen wir im ständigen Dialog und Austausch, um die krisenbedingten Entwicklungen zu begleiten. Die Corona-Krise hat uns gelehrt, dass Veränderungen schnell und abrupt eintreten können und dass darauf agil und flexibel zu reagieren ist, was uns gelungen ist. Das gilt aber nicht nur für die Pandemie, sondern wir erleben auch eine weitere Beschleunigung an den Märkten, was die Herausforderungen an die Genossenschaften erhöht.

Wie haben die Mitgliedsgenossenschaften das Corona-Jahr und die ersten Monate des laufenden Jahres bewältigt?

Es gibt unterschiedliche Entwicklungen je nach Sparte. Die Kellereigenossenschaften, aber auch die Molkereigenossenschaften waren bekanntermaßen speziell gefordert. Der massive Ausfall des Tourismus wirkte sich entsprechend aus. Auch den Sozialgenossenschaften, vor allem jene in der Kinderbetreuung und Pflege, machte und macht Corona zu schaffen. Tatsache ist aber auch, dass viele Genossenschaften in der Pandemie mit zur kritischen Infrastruktur gehörten, also eine systemrelevante Funktion einnehmen. Denken wir an die lokale Lebensmittelversorgung oder an eine verlässliche Liquiditäts- und Kreditversorgung. Die Raiffeisenkassen haben im Vorjahr beispielsweise rund 545 Mio. Euro an Stundungen für 9900 Kreditpositionen gewährt und bildeten eine wichtige Stütze in der Krise.

Inwieweit hat die Corona-Krise die Digitalisierung im Raiffeisenverband beschleunigt?

Sie hat dem Digitalisierungsprozess einen enormen Schub gegeben. Wir wollen deshalb die Investitionen in digitale Technologien und Anwendungen weiter vorantreiben, um mit vernetzten Geschäftsprozessen die Qualität der Leistungserbringung weiter zu erhöhen. Zudem hat sich die Telearbeit im Lockdown gut bewährt, als ein Großteil derMitarbeiterschaft von zu Hause aus tätig war. Aufgrund der positiven Erfahrungen wollen wir eine breite Form der Telearbeit auch nach Corona gewährleisten. Auch die Kommunikation mit den Mitgliedern über die digitale Schiene hat sich gut bewährt. Hier braucht es künftig einen guten Mix aus digitaler Kommunikation und physischen Präsenztreffen.

Was waren abseits der Corona-Krise die größten Herausforderungen – mit Blick auf die endende Amtsperiode?

Wir haben in dieser Amtsperiode mit unserer „Strategie 2018–2020“ einen tief greifenden strategischen Veränderungs- und Erneuerungsprozess eingeleitet und vorangebracht. Dazu wurde ein neues Zukunftsbild verabschiedet, um den Raiffeisenverband schrittweise noch markt- und dienstleistungsorientierter zu positionieren und unsere Mitglieder gezielt mit individuellen Lösungen zu bedienen. Wir haben ein neues Organigramm umgesetzt, das die Kompetenzen und Verantwortungsbereiche neu regelt und auf eine verstärkte Mitglieder- und Kundenorientierung abzielt. Mit der im Vorjahr gegründeten Raiffeisen Information Service Konsortialgenossenschaft mbH und der Auslagerung des Betriebszweiges Raiffeisen Informationssystem (RIS) in diese Gesellschaft konnten wir unseren IT-Bereich neu ausrichten.

Welche Akzente wurden speziell in der Interessenvertretung gesetzt – eine der zentralen Aufgabenfelder des Verbandes?

Der Raiffeisenverband ist ständig bemüht, über seine lokale, nationale und internationale genossenschaftliche Vernetzung die Interessen der Mitglieder zu wahren. Gerade die Corona-Krise erforderte eine verstärkte Interessenvertretung. So galt es beispielsweise, schwierige Rahmenbedingungen für die Sozialgenossenschaften in kleinen Etappen zu verbessern, damit sie ihrem Auftrag besser nachkommen können. Auch ist es 2020 gelungen, mehrere Kollektivverträge wie den Landesergänzungsvertrag für die Raiffeisenkassen und die territorialen Kollektivverträge für Sozialgenossenschaften, Obstmagazine,E-Werke sowie für privat geführte Alten- und Pflegeheime zum Wohle der Mitarbeiter und der Arbeitgeber erfolgreich abzuschließen.
Als Meilenstein erfolgreicher Interessenvertretung möchte ich an den im Geschäftsjahr erreichten Institutsschutz für die 39 Raiffeisenkassen erinnern. Mit dem institutsbezogenen Sicherungssystem (IPS) konnten wir nach jahrelangem Einsatz im Rahmen der Reform der italienischen Genossenschaftsbanken die Eigenständigkeit und genossenschaftliche Grundausrichtung der Raiffeisenkassen für die Zukunft bewahren. Ich bin überzeugt, dass das italienweit erste IPS Vorbildcharakter hat.

Sie stellen sich bei der Vollversammlung im Juni der dritten Amtsperiode. Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung, was ist für Sie vorrangig?

Der Raiffeisenverband wird sich weiterhin uneingeschränkt für die Weiterentwicklung des Genossenschaftswesens im Allgemeinen und seiner Mitgliedsgenossenschaften im Besonderen einsetzen. Wir wollen unserer Rolle als Problemlöser und Interessenvertreter weiter voll gerecht werden. Wir haben den Veränderungen im Geschäftsumfeld Rechnung getragen und die Organisationsstruktur an die Bedürfnisse eines modernen Dienstleistungsunternehmens angepasst, ohne die genossenschaftlichen Prinzipien zu vernachlässigen, die unseren Verband prägen. Unseren strategischen Veränderungsprozess werden wir fortsetzen, das neue Organisations- und Betreuungsmodell für unsere Mitglieder etablieren und die fachliche Exzellenz unserer Dienstleistungen weiter stärken. Beispielsweise wollen wir die neu eingeführten Bereiche „Mitgliederbetreuung“ und „Schutz & Förderung des Genossenschaftswesens“ zum Nutzen unserer Genossenschaften weiter ausbauen. Unsere Nachhaltigkeitsstrategie wollen wir mit den vorgesehenen konkreten Maßnahmen untermauern. Prioritär bleibt es für uns auch, die digitale Transformation zu begleiten, damit die Genossenschaften im Raiffeisenverband ihren Auftrag weiterhin effektiv und wettbewerbsfähig erfüllen können. Auch steht in der neuen Amtsperiode die Erstellung einer neuen Wahlordnung an, die den berechtigten Interessen der Mitgliedersparten noch mehr Rechnung trägt.
Großes Augenmerk legen wir auch in Zukunft auf die kooperative Kommunikation, um die Kultur und die Ideen unseres Gründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen an die nächste Generation weiterzugeben.