Geschäftsführender Obmann - ein streitbarer Trend

Manche wenige Genossenschaften legen die beiden Führungspositionen Obmann und Geschäftsführer in einer Hand zusammen. Doch wird dies langfristig den Bedürfnissen und Besonderheiten einer Genossenschaft auch gerecht?

Mit der Funktion eines geschäftsführenden Obmannes zeigt sich in einigen Genossenschaften ein neuer streitbarer Trend. Damit befasste sich kürzlich auch der Koordinierungsausschuss der landwirtschaftlichen Genossenschaften im Raiffeisenverband in einer Sitzung. „Genossenschaft ist ein gelebtes Miteinander, und dies sollte sich in der Führung widerspiegeln“, sagte Verbandsobmann Herbert Von Leon.

Der Leiter der Rechtsabteilung Michael Obrist rief in der Sitzung die Rollen, Führungspositionen und Verantwortlichkeiten in einer Genossenschaft in Erinnerung. Darin sind die Kernfunktionen nicht auf Personen, sondern auf Personengruppen wie Vollversammlung, Verwaltungsrat und Kontrollorgan verteilt. Auch ist in Genossenschaften die Funktion eines Alleinverwalters nicht mehr vorgesehen. Als gesetzlicher Vertreter vertritt der Obmann die Genossenschaft nach außen, während der Direktor oder Geschäftsführer die betriebliche Struktur leitet und dem Verwaltungsrat weisungsgebunden ist.

Obrist erläuterte, dass die Rechtsordnung eine klare Vorstellung über die Verteilung der Aufgaben in einem Unternehmen hat. „Dazu gehört auch, dass eine Vermischung zwischen Funktionen nicht gerne gesehen wird“, erklärte Obrist. Die Zusammenlegung der Führungspositionen von Obmann und Geschäftsführer in einer Person wird von der Rechtsprechung zwar akzeptiert, aber grundsätzlich als negativ gesehen. „Grund dafür ist aus rechtlicher Sicht die Tatsache, dass die beiden Rollen gänzlich unterschiedliche sind, und ein und dieselbe Person sich von Natur aus schwertut, klar zu unterscheiden, wann sie in welcher Rolle agiert“, betont Obrist und ergänzt, dass folglich der geschäftsführende Obmann im Grunde zugleich Weisungsgeber und Weisungsempfänger ist.

Zusammenlegung nicht sinnvoll

In der Regel obliegt dem Verwaltungsrat und dem Obmann die Führung der Genossenschaft. Damit verbunden ist die strategische und visionäre Ausrichtung und die Mitgliedervertretung. Der Obmann ist erster Ansprechpartner für den Geschäftsführer, der unter anderem das Tagesgeschäft verantwortet. Der konstruktive Dialog zwischen Obmann und Geschäftsführung ist zentral, um gute Lösungen für die Interessen der Mitglieder und jene des Marktes umzusetzen.

„Dieses Vier-Augen-Prinzip, diese Dualität, bildet eine Grundsäule des Erfolges unserer Genossenschaften“, sagte der Unternehmensberater und Genossenschafter Horst Völser, der die Bedeutung einer klaren Trennung der Führungsfunktionen hervorhob. So führt etwa die Machtkonzentration in einer Person in der Praxis regelmäßig zu Problemen, weil es schwierig ist, die nicht immer deckungsgleichen Interessen der Mitglieder und des Unternehmens zu vertreten. Zudem entfällt die Kontrolle über die Geschäftsführung durch den Obmann. Auch ist es ungleich schwieriger, einen geschäftsführenden Obmann aufgrund der Doppelfunktion nachzubesetzen und die entsprechende Lücke zu schließen.

Eine Zusammenlegung genossenschaftlicher Führungsfunktionen mag auf den ersten Blick vorteilhaft erscheinen, etwa aus Effizienz- und Kostengründen oder durch schnellere Entscheidungswege. „Langfristig bringt diese Lösung aber durchwegs Nachteile für eine Genossenschaft. Diese lebt von mehr als einem Kopf und das sollte auch in der Führung so sein. Optimal ist die Konstellation, wenn die Funktionen Einkauf, Produktion und Verwaltung gemeinsam ein operatives Führungsteam bilden – eine dieser Funktionen davon als Geschäftsführer“, sagte Völser. Dieses Team bespricht sich mit dem Obmann und nimmt dessen Sichtweise bzw. jene des Verwaltungsrates und der Mitglieder, mit auf.

Klare Rollentrennung wichtig

Bei der Sitzung wurde einhellig unterstrichen, dass die Funktionen des Obmannes und des Geschäftsführers getrennt bleiben sollen und die Zusammenlegung in einer Hand kein geeignetes Führungsmodell für Genossenschaften darstellt. „Für eine Genossenschaft ist die vorgegebene Trennung der Funktionen mit ihren verschiedenen Interessen und Aufgaben auch strategisch ausschlaggebend und erfolgssichernd“, sagte Verbandsobmann Herbert Von Leon.

Im Rahmen der Sitzung wurde auch die Notwendigkeit betont, die Aus- und Weiterbildung speziell auch für neue Mandatarinnen und Mandatare zu forcieren und junge Genossenschaftsmitglieder für die Mitarbeit und Verantwortungsübernahme in der Genossenschaft zu motivieren. Viele Mitglieder bringen die Voraussetzungen mit, Führungsaufgaben zu übernehmen. Betont wurde auch die Bedeutung, dass Mandatarinnen und Mandatare für ihren Einsatz die nötige Wertschätzung seitens der Mitglieder erfahren.