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Gerhard Rinner: „Zurück zu den Wurzeln“

Seit Jänner 2023 arbeitet Gerhard Rinner in der Raiffeisenkasse Latsch. Den Posten als Direktor übernahm er im März von seinem Vorgänger Karl Heinz Tscholl. Wie es ihm nach den ersten Monaten im Amt geht, erklärt er im Interview.

Wie geht es Ihnen als neuer Direktor der Raiffeisenkasse Latsch?

Sehr gut. Ich schätze die gute Zusammenarbeit und die Unterstützung der Bankführung und der Mitarbeiter. Auch verspüre ich die Akzeptanz der Kunden. Viele schätzen es, dass ich gebürtiger Latscher bin. In den ersten zwei Monaten habe ich zusammen mit meinem Vorgänger, Karl Heinz Tscholl, zahlreiche Kundengespräche geführt und einige Vollversammlungen und Veranstaltungen im Einzugsgebiet besucht. Dabei konnte ich mit vielen Menschen persönlich reden. Das war eine schöne Erfahrung, die meisten kannten mich schon vorher, aber nachdem ich in den letzten 25 Jahre in Schlanders, Meran und Dorf Tirol tätig war, habe ich einige Personen (neu) kennenlernen dürfen. Mit meiner Aufgabe in Latsch schließt sich nun ein Kreis für mich. Hier kann ich für die Dorfgemeinschaft, Kunden und Mitglieder etwas bewegen.

Sie haben lange bei der Südtiroler Sparkasse gearbeitet. Was bedeutet es für Sie für eine Genossenschaftsbank zu arbeiten und worin sehen Sie den größten Unterschied zu einer „herkömmlichen“ Bank? 

Der größte Unterschied liegt darin, dass Kunden und Mitglieder bei uns im Mittelpunkt stehen und das nicht nur so gesagt, sondern vor allem gelebt wird. Wir legen viel Wert auf eine bedarfsorientierte Beratung. Dort sehe ich auch den größten Unterschied, da es bei der Raiffeisenkasse nicht nur um Produktverkauf geht, sondern vielmehr um das, was den Menschen auch nützlich ist. Wenn ich heute die Raiffeisenkasse und ihren Stellenwert im Dorf anschaue, muss man sagen, dass Nachhaltigkeit und soziale Aspekte schon lange vor der Einführung der ESG- Kriterien im Statut standen: Bei den Raiffeisenkassen fließt ein Teil des Ertrages in Form von Unterstützung für Vereine und Organisationen wieder an die Bevölkerung zurück. Im Gegensatz zu einer Aktiengesellschaft, die den Prinzipien der Gewinnmaximierung folgt und deren Gewinne den Aktionären als Dividende zugutekommen.

Welche Akzente möchten Sie in Ihrer neuen Rolle setzen?

Ich hatte das Glück eine gut aufgestellte Bank zu übernehmen, die im Einzugsgebiet solide dasteht und gut verwurzelt ist. Mein Ziel ist es, das bisher Geleistete zu erhalten und die Bank in die digitale Welt zu führen. Allerdings so, dass Kunden, die digital interessiert sind, dies nutzen können und andere weiterhin die Möglichkeit haben, in die Bank zu kommen und persönlich mit einem Berater vor Ort zu sprechen. Auch die Einführung der ESG- Kriterien haben für mich einen hohen Stellenwert, da mir die Zukunft der Bank bzw. der Gemeinschaft am Herzen liegt. Wir werden auch Vereine, Organisationen und Bedürftige weiterhin unterstützen. 

An welchen Projekten arbeiten Sie derzeit?

Aufgrund von Pensionierungen haben wir in den letzten drei Wochen zwei Neueinstellungen gemacht und setzen vor allem auf eine gute, fundierte Ausbildung. Gleichzeitig arbeiten wir daran, als Arbeitgeber interessant zu bleiben. Wenn Menschen gerne zur Arbeit gehen und motiviert sind, stimmt nicht nur das Arbeitsklima, auch der Umgang mit dem Kunden wird positiv beeinflusst.  Ich denke, dass unsere Kunden das bereits in der Vergangenheit gespürt haben und auch in Zukunft dieses Gefühl weiter erleben sollen. Wir haben diesbezüglich eine Mitarbeiterbefragung gemacht, eine Kundenbefragung ist in Zukunft angedacht. Weitere Projekte sind die Digitalisierung und die vorgegebenen ESG-Kriterien, die umgesetzt, aber vor allem gelebt werden müssen. 

Was bedeutet Macht für Sie? 

Ich sehe mich als Dienstleister mit Führungsrolle, also eher als ein Motivator oder Trainer, der Menschen motiviert und bewegt. Wenn man Menschen an seinen Entscheidungen teilnehmen lässt, werden diese anders, positiv, mitgetragen. Ich versuche eine gewisse Gerechtigkeit und Gleichbehandlung der Mitarbeiter und Kunden gegenüber walten zu lassen. In einer Genossenschaft hat jedes Mitglied die gleichen Rechte, wobei Entscheidungen situationsbezogen, getroffen werden: in Ausnahmesituationen kann von dieser Linie abgewichen und den Bedürftigen mehr Unterstützung zugesagt werden.

Angenommen Sie blicken in ein paar Jahren auf die Raiffeisenkasse Latsch zurück, was wäre für Sie ein Erfolg? 

Für mich wäre es ein Erfolg, wenn ich sehe, dass die Bank weiterhin ihre soziale Rolle im Mittelpunkt der Gemeinschaft lebt, solide dasteht und die Anzahl der Mitglieder gewachsen ist. Es geht darum das Schiff durch Stürme zu lenken, und trotzdem den Blick für das Wesentliche beibehalten zu können und niemanden in Stich zu lassen. Wenn ich dann sagen kann, dass ich mein Bestes gegeben habe und mit dem Resultat zufrieden bin, dann ist das meine Definition von Erfolg. 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Dass wir die Zeiten, die wir jetzt erleben als Bank und Gemeinschaft gut überstehen. Die Raiffeisenkasse hat eine treue Kundschaft bzw. Mitglieder und wir halten zusammen. Genau das macht Genossenschaft aus. Ich wünsche der Raiffeisenkasse Latsch, dass sie mit beiden Füssen auf dem Boden bleibt und das Erreichte hält und weiterhin für die Kunden da ist. Das ist das Fundament, das uns als Bank ausmacht.

Was sollte nicht passieren?

Wir sollten nicht als eine Bank angesehen werden, wie es sie zu tausenden gibt. Der Mehrwert, den wir in der Bevölkerung und im Einzugsgebiet generieren, soll als solcher anerkannt und für die Zukunft beibehalten werden. Denn Raiffeisen ist viel mehr. Vielen Menschen ist das jedoch nicht mehr so bewusst, weil es schon selbstverständlich geworden ist, dass die Raiffeisenkasse der Bevölkerung unterstützend zur Seite steht. 

Was wünschen sie sich persönlich?

Ich wünsche mir, dass meine Begeisterung für die Arbeit anhält. Ich muss auch sagen, dass ich mich, ohne die Unterstützung von zu Hause, nicht für diese Position entscheiden hätte können. Meine Frau Sonja hält mir den Rücken für die Arbeit frei. So kann ich mich verwirklichen und dafür bin ich ihr und meinen beiden Kindern, Mathias und Josefine sehr dankbar. Ich bin ein Familienmensch und wenn ich auch durch meine neue Arbeit mehr gebunden bin, machen sie es mir leichter Arbeit und Familienleben zu organisieren. 

Wo finden Sie Ausgleich zu Ihrer Arbeit in der Bank?

Ausgleich finde ich bei der Familie, zu Hause und unseren Tieren. Meistens stehe ich um 5 Uhr in der Früh auf, versorge die Katzen, Hühner und gehe dann mit dem Hund eine halbe, dreiviertel Stunde lang spazieren. Das gibt mir die Kraft für den ganzen Tag und macht einen klaren Kopf. Abschalten kann ich auch bei anderen Dingen. Oft helfen auch kurze Momente, welche man intensiv erlebt. Wenn man sich zum Beispiel bewusst Zeit nimmt, um zu reden oder auch mal zusammen ein Glas trinkt und über sich lachen kann.  Viel Kraft verdanke ich derzeit auch der Dorfgemeinschaft, aus der zahlreiche positive Feedbacks kommen. 

Folgen Sie einem Lebensmotto?

Mit der Zeit lernt man, dass das Leben nicht einfach ist und dass der Weg, den man gehen muss, auch steil und steinig sein kann. Wenn man irgendwo hinkommen will, sollte man das Ziel nie aus den Augen verlieren. Und wenn es mal einen Rückschlag gibt, gilt es aufzustehen, aus den Fehlern lernen, weitermachen und an das glauben, was man tut, denn früher oder später wird es gelingen. Es ist nicht alles, was man sich vornimmt, erreichbar, aber zumindest versuchen sollte man es.