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Im Zeichen des Wandels

Auch das neue Jahr steht im Zeichen des Wandels. Zentrale Punkte bilden die organisatorische Umsetzung der Bankengruppe und ein neues Verbands-Strategiekonzept, betont Generaldirektor Paul Gasser im Ausblick für das Jahr 2017.

Nach der Globalisierungseuphorie der Neunzigerjahre scheint sich heute aufgrund der weltweiten Herausforderungen Ernüchterung breit zu machen. Der amerikanische Politikwissenschaftler Samuel Huntington spricht gar von einem erstarkenden globalen "Kampf der Kulturen". Vor allem zwischen dem Westen, Russland und der islamischen Welt treten die unterschiedlichen kulturellen Muster in ihrer Unvereinbarkeit stärker hervor. Auch die Wahl von Donald Trump macht die geopolitische Gesamtlage wohl nicht einfacher.

Die Lage der Weltwirtschaft hingegen erscheint mit einem prognostizierten Wachstum von 3,4 % ermutigend. In Europa hat die Wirtschaft wieder das Niveau von vor der Finanzkrise erreicht und Ökonomen rechnen, dass die Inflationsrate heuer nahe an die zwei Prozent heranreichen könnte. Die Niedrigzinsen werden dennoch weiter anhalten, auch wenn die Niedrigzinspolitik nach der Ankündigung weiterer Zinsschritte in Amerika wohl ihren Zenit erreicht hat und auch in Europa über kurz oder lang mit einer Zinsanhebung zu rechnen ist.

Am Scheideweg nach 60 Jahren

Vor einem Scheideweg steht indes die Europäische Union. Viele Wähler trauen ihr in Zeiten der Euro- und Flüchtlingskrise nicht mehr zu, Stabilität und Sicherheit zu garantieren und wenden sich Protestparteien zu. Der Euro ist - unverdient - für viele Menschen zum Symbol für Verarmung, Machtlosigkeit und Ungleichheit geworden; eine Ungleichheit, die vor allem zwischen den Süd- und Nordstaaten der EU verspürt wird: die einen fühlen sich zu sinnloser Sparpolitik gezwungen, die anderen sprechen vom verschwenderischen Süden. In einem entscheidenden Wahljahr bleibt die Frage, ob 60 Jahre nach der EWG-Gründung sich die europäische Idee der Integration behaupten kann oder ob nationale Interessen Oberhand nehmen.

Für Italien, das mit Jahresbeginn den G7-Vorsitz angetreten hat, ist für das heurige Jahr aufgrund der zu erwartenden Parlamentswahlen wohl keine Trendwende bei Wirtschaftswachstum und Defizitabbau zu erwarten. Hingegen scheint für Südtirol die gute Wirtschaftsentwicklung anzuhalten, wobei das WIFO ein reales Wachstum von 1,3 % prognostiziert.

Den Wandel begreifbar machen

Für die Raiffeisenorganisation zeigt sich angesichts der gesamtpolitischen Zusammenhänge, dass unsere länderübergreifende Zusammenarbeit heute mehr als wertvoll ist. Es gilt diese nicht nur in bewährter Form fortzusetzen, sondern im Sinne der Zukunftssicherung weiter auszubauen. Von besonderer Tragweite im neuen Jahr bleibt die organisatorische Umsetzung der Raiffeisen Bankengruppe. Sämtliche Dokumente für den Genehmigungsantrag wie Verbundvertrag, Statuten, Garantievertrag und Organisationsprojekt wurden ausgearbeitet. Noch im Januar erfolgt eine Erstabstimmung mit der Banca d'Italia. Bei der Umsetzung der Reform geht es neben allen organisatorischen Maßnahmen auch darum, eine Unternehmenskultur zu fördern, die den notwendigen Wandel begreift, akzeptiert und gestaltet.

Dank der guten und intensiven Zusammenarbeit in den Arbeitsgruppen und durch die laufende Information und Begleitung des Raiffeisenverbandes ist es gelungen, bei den Raiffeisenkassen einen breiten Konsens zur Reformgestaltung zu erreichen. Besonders wichtig war es uns dabei, die Menschen in diesem Veränderungsprozess mitzunehmen. Wir können heute ein Klima des Vertrauens und des Aufbruchs feststellen, wie auch die Bereitschaft, die Veränderungen aktiv anzugehen. Diese positive Gesinnung bildet die wichtigste Grundlage für die Zukunft der Raiffeisenorganisation und für ein erfolgreiches Gelingen der Reform.

Neues Strategiekonzept 2017-2020

Erfolgreich gelingen wird uns auch ein weiterer Schwerpunkt im neuen Jahr: das neue Strategiekonzept des Raiffeisenverbandes. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Bildung der neuen Raiffeisen Bankengruppe auch auf die Ausrichtung des Raiffeisenverbandes auswirkt, werden wir unsere bisherige "Strategie 2014-2018" einer Überprüfung unterziehen und die strategischen Schwerpunkte für die Jahre 2017-2020 neu definieren. Diese sollen u. a. auch den gesellschaftlichen Änderungen, den Auswirkungen der Digitalisierung, zukünftigen Arbeitsfeldern, der Arbeitsplatzsicherung, dem Erhalt des ländlichen Raumes und der lokalen Wertschöpfung Rechnung tragen. Zudem werden wir unsere Organisation im Sinne einer Neugestaltung auf den Prüfstand stellen.