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Klemens Skibicki: "Zu 100% nach den Wünschen der Kunden richten"

Wie sieht die Bank der Zukunft aus? Welche Rolle werden dabei Genossenschaftswerte spielen? Digitalexperte und Universitätsprofessor Klemens Skibicki gibt im Interview einen Ausblick zu den wichtigsten Entwicklungen.

Raiffeisen Nachrichten: Wie wird die Digitalisierung das Bankwesen verändern? Was wird auf die Kunden zukommen?

Klemens Skibicki: Die Veränderungen sind mehrdimensional, aber für Kunden wird es im digitalen Zeitalter vor allem einfacher, schneller und kostengünstiger, finanzielle Themen zu regeln. Für die Banken gilt es, Kundenbeziehungen auszuweiten und sie gegen neue Player in einem zunehmend weltweiten und branchenübergreifenden Markt zu verteidigen - an deren Maßstäben von Einfachheit, Kosten, Individualität und Geschwindigkeit werden sie sich messen lassen müssen.

Persönliche Beratung, regionale Kreisläufe: Werden diese Aspekte in einer unübersichtlichen und schnelllebigen Welt wieder wichtiger?

Skibicki: Ich denke, dass persönliche Beziehung und Vertrauen noch viel wichtiger werden, schließlich werden Menschen zunehmend gläsern und transparent. Hier muss aber „persönliche Kundennähe“ neu definiert werden, d.h. nicht, dass Regionalität und persönliche Beratung ersetzt, aber auf jeden Fall um alle digitalen Möglichkeiten erweitert werden sollten. Unternehmen müssen sich dabei zu 100% nach den Wünschen und Kanälen der Kunden richten, um diesen nahe zu sein.

Werden sich die Menschen bei den Banken nach den Genossenschaftswerten wie Solidarität und Mitgliederverpflichtung sehnen?

Skibicki: Ich hoffe es und letztendlich entspricht der Ursprung der Genossenschaft ja genau dem Gedanken der Communities im Internet. Die Vernetzung zu gemeinsamen Zwecken ist im digitalen Zeitalter jedoch viel einfacher und mit weniger regionalen Grenzen herzustellen. Die Werte sollten also bleiben, aber eben ein Update in der Ausführung und Dimension erfahren.

Stichwort Blockchain & Kryptowährungen: Ist das nur ein vorübergehender Hype oder haben diese technologischen Entwicklungen das Potenzial, unser Geld- und Banksystem zu revolutionieren?

Skibicki: Das Potential haben diese definitiv, aber am Ende müssen sich solche dezentralen Lösungen erst in der breiten Masse durchsetzen. Da gilt es, Hürden auf Nutzerseite genauso zu überwinden, wie Widerstände von Notenbanken, Regierungen und Regulierungsbehörden, da diese neuen Möglichkeiten letztendlich einen Machtverlust bei der Geldpolitik bedeuten. Wer hier in Zukunft welche Rolle spielen wird, ist völlig unklar. Spannend wird z.B. ob Facebook 2020 seine Kryptowährung wird aufbauen dürfen – immerhin kann sich dann eine weltweit vernetzte Population von 2,4 Milliarden Menschen dort bedienen.

Werfen wir einen Blick in die Glaskugel: Wie sieht eine Bank in 30 Jahren aus?

Skibicki: Kaum vorherzusagen, aber es dürfte einen anderen Wettbewerb und vielleicht neue Rollen geben. Entweder die heutigen Banken werden Kundenkenntnis, persönliches Vertrauen und Kompetenzen extrem ausgebaut haben oder andere werden sich hier neu als der jeweilige kompetente und vertrauenswürdige Ansprechpartner für Finanzen entwickeln. Egal wer es sein wird, den Kunden über Datenanalyse besser zu verstehen und ihm immer und überall kostengünstig zur Verfügung zu stehen, wird der Schlüsselfaktor sein.

Prof. Dr. Klemens Skibicki (Jahrgang 1972) promovierte nach seinen Diplomabschlüssen in BWL und VWL an der Universität zu Köln am gleichen Ort 2001 zum Dr. rer. pol. im Fach Wirtschaftsgeschichte. Seit 2004 ist er Professor für Economics, Marketing und Marktforschung an der Cologne Business School in Köln. Im Raiffeisenverband Südtirol leitete er einen Workshop zum Thema  „Positionierungsstrategie von Führungskräften“.