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„Krise bringt Bewusstsein für Lebensmittel“

Martin Pinzger, VI.P-Direktor, blickt auf die vergangenen Monate zurück. Im Interview mit Markus Frings verrät er, wie sich die Obstgenossenschaften in der Krise bewährt haben und warum er dabei nie Angst hatte eine falsche Entscheidung zu treffen.

Wie geht es den Apfelproduzenten im Vinschgau nach Abflauen der Coronakrise?

Grundsätzlich ist der Apfelsektor im Vergleich zu den anderen Sektoren zufriedenstellend und akzeptabel aus der Krise hervorgegangen. Der Primärsektor hatte Bewegungsfreiheit und so konnten die ordentlichen Arbeiten auf dem Feld verrichtet werden. Unter Einhaltung der Auflagen konnten in einem zweiten Moment unsere Packstationen wieder öffnen, auch im Interesse der Mitarbeiter. Bis zuletzt hat auch das Marktgefüge normal bis positiv reagiert. Im Rückblick ist unser Sektor einer der wenigen glücklichen Sektoren.

Es gab sogar Engpässe bei der verpackten Ware…

Ja. Die Konsumenten haben ihr Kaufverhalten verändert. Sie gehen mittlerweile eher ein bis zweimal die Woche einkaufen und wählen eher haltbare Obst- und Gemüsesorten. Das spricht für den Apfel. Verunsicherte Konsumenten haben außerdem eher zu verpackter Ware gegriffen. Daher nahmen die Bestellungen für Beutelware und gelegter Ware in Schalen stark zu. Anfangs konnten wir nicht mehr mithalten und mussten teilweise Aufträge absagen. Mittlerweile hat sich diese Situation entspannt. Mit dem Eintreten der Sommersaison tritt der Apfel im Vergleich zu anderen Sommerfrüchten in den Hintergrund. Das heißt wir können die Bestellungen der Kunden und Partner wieder erfüllen.

Das ist eine gute Nachricht für Bauern. Und jetzt kommt die Ernte von Erdbeeren und Kirschen?

Die Apfelsaison wird positiv ausklingen. Die roten Sorten sind fast vollständig verkauft, Pinova und Jonagold schließen die Saison ab und der Golden Delicious reicht als letzter Apfel bis in die nächste Saison hinein. Das ist so geplant und wird auch so umgesetzt im Interesse der Kunden und Partner, die das ganze Jahr über von uns beliefert werden. Die neue Saison startet bei uns im Vinschgau Mitte Juni mit dem Blumenkohl, die Erdbeerernte beginnt normalerweise Ende Juni, Anfang Juli kommen Marillen und Kirschen hinzu.

Was hat sich durch die Krise verändert?

Uns allen ist der Stellenwert der Lebensmittel wieder bewusster geworden. Uns Produzenten und Genossenschaften beruhigt es zu wissen, dass wir ein Basis-Produkt produzieren und auch in Krisensituationen eine gesicherte Situation vorfinden. Es hat unsere innere Überzeugung als Produzent und als genossenschaftliche Struktur stark gefestigt. Auch unsere Mitarbeiter konnten feststellen, dass wir krisensicher sind und die Situation gut gemeistert haben. Manchmal werden wir auch ein bisschen kritisch gesehen. Ich hoffe, dass wir nun ein bisschen besser wahrgenommen werden, auch als sicherer Arbeitgeber, denn wir beschäftigen im Vinschgau 900 Mitarbeiter.

Wie haben sich die Arbeitsprozesse in den Magazinen verändert?

In der ersten Phase mussten wir uns einrichten: Temperaturmessung, Distanz- und Zutrittsregelungen. Wir haben uns abgestimmt und versetzte Schichten organisiert, auch Videokonferenz ist mittlerweile Standard in unserer Organisation. Wir hatten keinen aktiven Fall in unseren Betrieben und konnten auch deshalb rechtzeitig und gut reagieren.

Was wünschen sich die Vinschgauer Obstproduzenten von ihrer Dachorganisation dem Raiffeisenverband?

Ich bin seit 25 Jahren in diesem Genossenschaftsgefüge und habe dieses positive Gefühl des Zusammenhalts bisher immer als Bereicherung gesehen, nicht nur sozial, sondern auch wirtschaftlich. Das aktuelle Krisenmanagement hat bewiesen, dass das Genossenschaftsmodell greift. Der Raiffeisenverband, unsere Dachorganisation, bietet Serviceleistungen in vielen Bereichen, wie z.B. Steuerberatung, Revisionstätigkeit und Betriebsberatung. Wir fühlen uns stark eingebunden und haben unsere Vertreter in der Verwaltung. Und so wie wir es im täglichen Leben, im Verband und in der VI.P erleben, sind wir auch Fans von einem funktionierenden Dachverband, wo wir uns einbringen können und über das genossenschaftliche Gemeinschaftserlebnis die positiven Nebeneffekte und Professionalitäten abrufen können.

Wo sind diese Vorteile des Genossenschaftswesens besonders gut spürbar?

Jedes Unternehmen, das in Südtirol erfolgreich sein will, ist auf Arbeitskräfte angewiesen. Das ist in Südtirol für jedes größere Unternehmen ein kritischer Faktor. Mit dem Raiffeisenverband haben wir über eine Konvention ein sehr gutes Miteinander mit den Gewerkschaften. Das heißt, wir haben keine Schlichtungsstelle – weil wir Gott sei Dank wenig streiten - aber eine Koordinationsebene, die glaubhaft Interessen in beide Richtungen zusammenfügt. Natürlich ist es unsere Interessensvertretung, aber es ist eine paritätische Kommission, die auf Augenhöhe versucht, die Interessen der Gewerkschaften der Arbeitskräfte und der Arbeitgeber auch in solchen Situationen zu meistern, wie wir sie in den letzten Wochen erlebt haben.

Hatten Sie in den letzten Monaten jemals Angst die falsche Entscheidung zu treffen?

Eigentlich nicht, weil wir uns als Mannschaft fühlen. In unserem Genossenschaftsgefüge bin ich im Verband V.IP für 45 Mitarbeiter direkt zuständig. Daneben habe ich auch meine Geschäftsführerkollegen. Mit dem Geschäftsführer der MEG sind es sieben, die natürlich als Arbeitgeber für über 100 Mitarbeiter die Verantwortung tragen. Und so haben wir die Verantwortung ein bisschen teilen können, zumindest was Arbeitgeber und Mitarbeiter betrifft. Richtung Verkauf, also vor dem Kunden, ist die VIP mittlerweile allein verantwortlich, als Absender der Produkte. Aber in den letzten Wochen war das Produkt weniger das Thema, sondern eher die Gesundheit der Mitarbeiter. Das Gefühl, in einer kompakten und verwurzelten Unternehmung und Gruppe eingebunden zu sein, hilft, auch in Zeiten der Krise relativ entspannt und koordiniert zu bleiben.