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Lebensmittel: So sicher wie noch nie

„Noch nie waren Grundnahrungsmittel so günstig und sicher wie heute und noch nie mussten so wenig Menschen Hunger fürchten“, stellt Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler beim kürzlich in Glaning am Werner Hof abgehaltenen Pressegespräch fest.

Die enorme Entwicklung im Bereich Technik und Pflanzenschutz mache dies möglich bestätigt Prof. Andreas Hensel, Präsident des Deutschen Bundesinstitutes für Risikobewertung. Er war auf Einladung des Land- und Forstwirtschaftlichen Versuchszentrums Laimburg, des Landesressorts für Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Zivilschutz und Gemeinden und des Südtiroler Apfelkonsortiums zu einem Austausch unter Experten und Wissenschaftlern und zum Pressegespräch nach Südtirol gekommen.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wurde 2002 gegründet und gehört zum
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Berlin. Als unabhängige
Einrichtung forscht es zu den Themen Lebens- und Futtermittelsicherheit mit dem Schwerpunkt: „Risiken erkennen – Gesundheit schützen.“
Bürgerinformation gehört ebenfalls zu den Kernaufgaben der Institution: „Eines sind die Fakten über die Lebensmittelsicherheit, etwas anderes die Diskussion darüber. Jeder Mensch hat mit Essen zu tun, Ernährung ist Kultur... Somit ist auch jeder ein
Experte, wenn es ums Mitdiskutieren geht. Nur: Sehr oft wird mit wenig oder nicht
fundierten Informationen argumentiert“, erklärte Hensel.

„Das schaffen noch nicht mal die Bayern“
Besonders sensibel reagieren die Menschen auf das Thema Pflanzenschutz, weil
Pflanzenschutzmittel als gefährlich empfunden werden. Bei der Bewertung der Risiken käme es allerdings nicht allein darauf an, ob Rückstände von Pflanzenschutzmitteln gefunden würden, sondern vor allem darauf, wie und in welchem Ausmaß Menschen damit in Berührung geraten, betonte Hensel. Ein Beispiel: „Wir alle haben gehört, dass in einigen Biersorten Spuren des Unkrautvernichters Glyphosat nachgewiesen wurden – vor allem in Deutschland eine Schreckensnachricht. Nur: Glyphosat wurde von der internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als „wahrscheinlich krebserregend’ eingestuft; Alkohol als ,sicher krebserregend’; Bier enthält 20.000 mal mehr Alkohol als
Glyphosat. Trotzdem reden alle nur vom Glyphosat als Krebserreger im Bier, nicht vom Alkohol“, so Hensel. Um über Bier eine Menge an Glyphosat aufzunehmen, die
gesundheitlich bedenklich sein könnte, müsste ein Erwachsener rund 1.000 Liter Bier
am Tag trinken. „Das schaffen noch nicht mal die Bayern“, scherzte Hensel, um den
Widerspruch zwischen wissenschaftlich fundierter Risikobewertung und subjektiver
Wahrnehmung aufzuzeigen. Ähnliches gelte für viele weitere Wirkstoffe und Mittel.
Rückstände von Pflanzenschutzmitteln seien bei sachgemäßer Anwendung der
Produkte gesundheitlich unbedenklich – für denjenigen, der sie ausbringt, als auch für denjenigen, der damit in Kontakt gerät. Was die Lebensmittelsicherheit betrifft, so sei diese am ehesten durch mangelhafte Küchenhygiene gefährdet. „In Küchen finden sich meist mehr krankheitserregende Fäkalkeime als im Klosett.“

Grenzwerte: In Südtirol noch tiefer
Hensel erläuterte die komplexen und strengen Zulassungsprozesse, die
Pflanzenschutzmittel international durchlaufen müssen, bevor sie eingesetzt werden
dürfen. „Hier wird einfach alles geprüft: die Giftigkeit für Schädlinge, Pflanzen, Früchte, Tiere, Menschen; die Abbauprodukte der Stoffe in Pflanzen, im Boden... Schließlich die Auswirkungen aller Art beim Menschen, der damit durch Arbeit in Berührung kommt bzw. bei Endkonsumenten landwirtschaftlicher Produkte“, so Hensel. Die Grenzwerte werden dann jeweils so festgelegt, dass die jeweils schwächste Gruppe der Menschen noch sicher ist – z. B. Kinder.

In Südtirol sind diese Grenzwerte noch tiefer, verwies Kössler auf die Richtlinien der
Arbeitsgruppe für den Integrierten Obstanbau in Südtirol (AGRIOS). Der AGRIOS
gehören praktisch alle Südtiroler Bauern an, die nicht biologisch anbauen: Im
integrierten Anbau in Südtirol darf nur die Hälfte der staatlich zugelassenen Werte
erreicht werden.

Wie kommt es dann, dass immer wieder Nachrichten über Rückstände von
Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln an die Öffentlichkeit dringen? „Das liegt
tatsächlich an den Messungen. Vor 50 Jahren konnte bis zu 1ppm – part per million –
gemessen werden. Das ist 1 Milligramm pro Liter. Heute messen wir 1ppq – part per
quadrillion. So finden wir ein einzelnes Roggenkorn in einem 20.000 Kilometer langen Güterzug voll Weizen.“ Was man sucht, das kann man also finden. „Aber nur weil etwas messbar ist, ist es noch lange nicht bedenklich für die Gesundheit“, unterstrich Hensel, „entscheidend ist die Exposition, also in welcher Menge etwas aufgenommen wird.“
Auch Landesrat Schuler plädierte für bessere Information und mehr Sachlichkeit in der Diskussion: „Das Versuchszentrum Laimburg und viele andere Institutionen leisten dazu ihren Beitrag. Denn mehr Sachlichkeit tut dringend not. Diskutiert wird nur über Äpfel, aber nicht über den Kampf gegen die Tigermücke mit gefährlichen Insektiziden oder über die Pflanzenschutzbehandlungen in Stadtgärten und Parks in unmittelbarer Wohnumgebung.“