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Manuela Obojes: „Nehmt euer Leben selbst in die Hand“

Manuela Obojes ist Aufsichtsrätin der Raiffeisenkasse Val Badia – als einzige Frau im Gremium. Die etablierte Rechtsanwältin für Erb- und Familienrecht und zweifache Mutter erzählt im Interview, wie es zu diesem Engagement kam.

Raiffeisen Nachrichten: Wie sind Sie dazu gekommen, sich für ein Amt im Genossenschaftsgremium aufstellen zu lassen?
Manuela Obojes:
Ich war bereits Ersatzmitglied im Aufsichtsrat der Raiffeisenkasse Gadertal – damals waren meine Kinder noch klein, das ließ sich gut vereinbaren. Später wurde ich gefragt, ob ich als ordentliches Mitglied kandidieren möchte. Ich habe zugesagt – die Zeit war reif, und ich fühlte mich bereit, neue Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen und war neugierig auf die Verwaltung und Abläufe einer Bank. In solchen Gremien lernt man viel – nicht nur für sich selbst, sondern kann auch einen Beitrag für andere leisten.

Was war bisher die größte Herausforderung im Gremium?
Als Aufsichtsrat haben wir Einblick in die Bank und prüfen, ob alles regelkonform abläuft. Ich wurde mir erst nach und nach der großen Verantwortung bewusst. Aber man wächst hinein, und es gibt immer Menschen, die einem weiterhelfen. Aber natürlich liegt es an uns selbst, sich zu trauen und Fragen zu stellen.

Und das macht Ihnen Spaß?
Absolut. Abläufe zu studieren, Hintergründe zu erforschen, sich zu fragen, warum etwas so und nicht anders geregelt ist, das liegt mir. Das kenne ich auch von meiner Arbeit. Wenn man diese Neugierde hat, erfährt man sehr vieles und das wiederum erschließt neue Wege.

Können Sie da ein Beispiel nennen?
Der Ablauf von Banken und Weltwirtschaftssystem scheint ganz weit weg zu sein. Wenn man sich damit jedoch auseinandersetzt, versteht man, dass Dinge wie Leitzinsen in Europa, den USA, die Weltwirtschaftskrise, dass Entscheidungen von einzelnen Personen und Gremien, auch von solchen, die weit weg sind, Einfluss auf einzelne Positionen, den eigenen Kredit, Zinsen und Löhne haben. Alles hängt zusammen. Und daher sollte man nicht einfach alles nur so auf sich zukommen lassen. Wer Abläufe versteht, kann im privaten und im beruflichen Umfeld auch anders und besser handeln.

… und gestalten…
Natürlich, in jeglicher Hinsicht hat man die Möglichkeit zu gestalten und sich einzubringen. Mein Ziel und Anspruch bei der Arbeit war es immer Menschen zu helfen. Deshalb habe ich mich auch für das Familien- und Erbrecht entschieden, weil man dort tagtäglich mit Menschen, ihren Schicksalen oder schwierigen Umständen zu tun hat. Anfangs dachte ich, dass ich mich in diesem Bereich persönlich entfalten könnte. Doch durch die Möglichkeit, im Aufsichtsrat mitzuarbeiten – und vielleicht künftig auch in weiteren Gremien – habe ich erkannt, dass ich auch in anderen Bereichen wirksam sein kann und dabei persönlich viel gewinne.

Sie sprechen von Macht?
„Macht“ hat einen negativen Beigeschmack. Es geht mir ums Mitreden, Mitgestalten und Entscheidungen mittragen – anstatt alles nur hinzunehmen. Besonders Frauen möchte ich ermutigen sich einzubringen: Sie bringen oft andere Sichtweisen mit und decken Bedürfnisse auf, die für Männer keine Priorität haben. Die Hälfte der Bevölkerung ist weiblich – sie sollte auch zur Hälfte vertreten sein.

Wie erleben Sie das Thema Vereinbarkeit Familie-Beruf?
Es wird selten wirklich berücksichtigt, aber für eine Frau ist es ein alltägliches Thema. Ich habe zwei Kinder im Grundschulalter. Ich bin sehr froh und stolz Mutter zu sein, denn auch das ist keine Selbstverständlichkeit. Es erfordert jedoch Organisation und Unterstützung. Ohne Hilfe würde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht funktionieren, aber wenn man sich gut organisiert, ist es machbar. Mein Partner und ich - beide Freiberufler - stimmen uns ab. Auch die Großeltern helfen, wenn’s eng wird. Ich habe zudem das Glück, in einer großen Kanzlei mit verständnisvollen Kolleg*innen zu arbeiten.

Und haben sie jemals das Gefühl gehabt, dass Ihr Frausein eine Hemmschwelle war, auf Ihrem Weg?
Absolut. Ja, ich habe Diskriminierung erlebt. Noch immer gibt es Menschen, die Frauen mit weniger Respekt begegnen – trotz gleicher oder gar besserer Qualifikation. Das ist besonders im ländlichen Raum noch spürbar. Und es liegt sicher nicht an den Kompetenzen der Frauen, sondern an der Mentalität der Menschen.

Und wie gehen Sie damit um?
Am Anfang hat mich das sehr getroffen. Heute konzentriere ich mich darauf, meine Arbeit bestmöglich zu machen und Mundwerbung macht den Rest.

Sind sie jemand, der Frauen fördert?
Ich versuche, Frauen gezielt zu unterstützen – etwa durch Vorträge. Viele kommen erst in der Krise zu mir, oft weil sie sich zu spät um Finanzielles gekümmert haben. Das schmerzt. Deshalb ist Information so wichtig – schon früh, auch innerhalb der Familie. Mir ist es wichtig, Frauen und auch alle anderen zu informieren, sie zu ermutigen nachzufragen, auch in der Partnerschaft oder der eigenen Ursprungsfamilie.

Und was hilft Ihnen dabei voll Motivation, Energie und Überzeugung zu arbeiten?
Wenn ich jemandem zu einer guten Lösung verhelfen kann, ist das sehr erfüllend. Das motiviert mich. Ansonsten finde ich Ausgleich in den Bergen. Da bin ich an den Wochenenden mit meiner Familie unterwegs. Ich lese sehr gerne, verbringe Abende mit Freund*innen, aber die Familie und die Berge sind mein ein und alles. Ich bin im Gadertal also inmitten der Berge aufgewachsen. Die Berge waren immer da. Das gibt mir Kraft.

Gibt es ein Lebensmotto, das hinter dem Ganzen steht?
Nicht die Schatten deiner Geschichte, sondern das Licht deiner Ziele soll deinen Weg bestimmen.

Wie würden Sie sich in drei Begriffe charakterisieren?
Motiviert. Zielstrebig. Und ja, empathisch vielleicht. Ich gebe mir schon viel Mühe mich in die Rolle von meinem Gegenüber zu versetzen.

Gibt es abschließend noch einen Ratschlag, den sie Frauen geben möchten?
Seid neugierig. Fragt nach. Nehmt euer Leben selbst in die Hand – nicht erst in der Krise. Dabei sollte man sich merken: Wer nichts sagt, kriegt nichts. Wer die eigene Lage versteht, kann selbst gestalten, Entscheidungen treffen und die eigenen Ziele erreichen. Davor muss man sich jedoch klar werden, welche Ziele man hat.

Vielen Dank für das Gespräch!