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Maria Dietl: „Frauen Sicherheit durch Ausbildung geben.“

Maria Dietl, Direktorin des Grundbuchamtes in Bozen, Verwaltungsrätin der Raiffeisenkasse Überetsch und Präsidentin der Carambolage in Bozen spricht aus Erfahrung, wenn es um das Thema „Frauen und Führung“ geht. Ein Interview.

Raiffeisen Nachrichten: Als langjährige Amtsdirektorin blicken Sie auf eine große Führungserfahrung und eine Reihe Fortbildungen in diesem Bereich zurück….

Maria Dietl: Ja, das ist ausschlaggebend. Wer eine Führungsposition einnimmt, sollte sich fortbilden, und zwar nicht nur am Schreibtisch. Man muss über den Schreibtisch hinausschauen. Es ist wichtig andere Meinungen zu hören. Wir, als Landesbedienstete, hatten das Glück bei einigen sehr interessanten und praxisbezogenen Ausbildungen im In- und Ausland dabei sein zu dürfen.

Sie halten viel von Aus- und Fortbildung?

Ganz viel. Und wenn wir Frauen in den Gremien haben wollen, müssen wir sie ausbilden, um ihnen Sicherheit zu geben. Werden sie dann in ein Gremium hineingewählt, sollte ihnen eine Einarbeitungszeit gewährt und jemand zur Seite gestellt werden als Mentor*in.

Sie selbst arbeiten als Verwaltungsrätin der Raiffeisenkasse Überetsch, wie ist es zu diesem Engagement gekommen?

Zum Engagement ist es gekommen, als ich 2018 zu einer Frauenveranstaltung marschiert bin. Da wurde ein Film über die Wahlbeteiligung in der Schweiz gezeigt – den ich schon kannte. Und der damalige und jetzige Obmann der Raiffeisenkasse Überetsch, Philipp Oberrauch, sagte in seiner Einleitung: „Schön, dass so viele Frauen hier sind, denn wir haben bald Neuwahlen und bräuchten Frauen für die Gremien der Raiffeisenkasse.“ So bin ich nach dem Film zu Dr. Oberrauch hin und habe gefragt: „Sie suchen mich?“ (lacht). So ganz war es dann doch nicht. Aber ich habe mich gemeldet. Denn wenn man nur zu Hause im Wohnzimmer bleibt, dann geschieht gar nichts.

Als Verwaltungsrätin in einer Bank braucht es gewisse Voraussetzungen. Und als der Bankdirektor mich nach drei Wochen anrief, um zu fragen, ob mein Interesse noch aktuell sei, musste ich erst recherchieren, ob sich das überhaupt mit meinem Amt vereinbaren lässt.

Wie sieht Ihre Arbeit im Gremium aus?

Wir haben einmal pro Woche eine Sitzung um 18.00 Uhr, die meist so zwei, zweieinhalb Stunden dauern, oft auch länger. Durch mein Fachwissen im Grundbuch kann ich mich gut einbringen, denn im erweiterten Sinne hat Bank mit dem Grundbuch zu tun. Das Grundbuch gibt die Sicherheit für die Kredite, dort werden Hypotheken eingetragen. Es ist schon von Nutzen, wenn jemand einen Grundbuchauszug genau lesen kann. Dennoch ist Bank nicht einfach. Ich musste mich selbst fast ein halbes Jahr lang hineinbeißen in die Materie.

Neben meinem Fachwissen und der Berufserfahrung kann ich sicher auch Lebenserfahrung einbringen, mit der man bestimmte Situationen besser einschätzen kann.

Wie begegnen Sie Herausforderungen?

Sehr positiv, ich freue mich immer, wenn es etwas Neues gibt. Oft kommt man unbedarft in eine neue Situation. Da ich mich auch als Präsidentin des Kulturvereins Carambolage in Bozen engagiere, kommt das immer wieder vor. Die verschiedenen Bereiche sind eine Herausforderung aber absolut spannend.

Was war die größte Herausforderung ihres Lebens?

Meine Mutter in ihrer Alzheimererkrankung zu begleiten. Wer einmal Alzheimererkrankte zu Hause gepflegt hat, den wirft nimmer viel um. Ich habe während dieser Zeit immer weitergearbeitet. Im öffentlichen Dienst konnte ich Zeitausgleich nehmen. Zudem habe ich nie weiter als 500 Meter von der Arbeit entfernt gewohnt und konnte daher alles gut organisieren. Mein Vater war damals auch noch zu Hause, aber trotzdem.

Und wie haben Sie damals Familie und Beruf unter einen Hut gebracht?

Ich bin zwar verheiratet, habe aber keine Kinder und daher ist die Vereinbarkeit leichter. Denn hätte ich Kinder gehabt, wäre das anders gewesen. Sobald man Kinder hat, stellt man sie in den Vordergrund. Und der Rest ist Zeitmanagement: wenn ich im Grundbuch bin, bin ich im Grundbuch und wenn ich mich um die Carambolage kümmere, dann ist die Carambolage das Wichtigste.

Hatten Sie je das Gefühl, dass das Frausein Ihrer Karriere im Wege stand?

Nein, Frausein hat in meiner beruflichen Karriere nie eine Rolle gespielt.

Welche drei Eigenschaften beschreiben Sie als Persönlichkeit am besten?

Engagiert, Ausgleich suchend, kreativ. Die Harmonie liegt mir schon sehr…. Mit dem lebe ich: engagiert und harmoniebedürftig.

Harmonie ist oft ein Frauen-Thema, nicht?

Ja, aber ich stehe dazu und ich glaube, dass wir uns genau deswegen in der Führung unterscheiden. Weil wir vielleicht andere Ansätze haben und das ist gut so.

Was bedeutet Führung für Sie?

Führung bedeutet für mich gemeinsame Interessen zu verfolgen für die Aufgaben, die gestellt werden. Gemeinsame Ziele vereinbaren und sich gemeinsam zu engagieren.

Was macht Sie glücklich und gibt Ihnen im Leben das Gefühl, stark zu sein?

Dass ich in einer harmonischen Beziehung leben darf und dass ich rundum zufrieden bin, das gibt mir die Stärke. Und wenn ich auf einen erfolgreichen Arbeitstag zurückblicken kann und alles lösen konnte, dass ich angegangen bin oder den Menschen, die mich anrufen eine Lösung anbieten konnte. macht mich das glücklich.

Welchen Rat würden Sie Frauen geben, die sich überlegen im Gremium einer Genossenschaft mitzuarbeiten?

Es hängt vom Gremium ab, denn es ist ein großer Unterschied, ob man sich für ein Gremium einer Raiffeisenkasse oder einer landwirtschaftlichen Genossenschaft engagiert. Wer die entsprechende Ausbildung hat, kann sich bei einer Bank einbringen. Die Vorgaben der Banca d‘Italia und der europäischen Banken sind inzwischen enorm. Ich selbst habe Rechtswissenschaften studiert und sage, es wäre fast ein Wirtschaftsstudium vonnöten. Die Verantwortung ist da, man spürt sie. Und es ist nicht so einfach. Man sollte sich auch Zeit nehmen, um sich in die Materie einzulesen und fordern, dass man Unterstützung bekommt. So hat das zumindest bei mir funktioniert. Ich bin sicher vier Monate lang immer, wenn wir Sitzung hatten, eine Stunde vorher hin und habe mir von den Fachleuten aus Kreditwesen, Revision oder Versicherung abwechselnd alles erklären lassen.

Sind Sie jemand der Frauen bewusst unterstützt und fördert?

Ja schon, da genügt ein Blick in mein Büro: wir sind 26 und davon sind 23 Frauen (lacht). Aber das hängt auch mit dem öffentlichen Dienst zusammen, da ist es schon sehr frauen-lastig. Das ist auch verständlich, denn hier lässt sich die Arbeit mit Familienplanung vereinbaren.

Gibt es noch einen Wunsch, den sie in diesem Zusammenhang hegen?

Ja schon: dass die Gremien halbe-halbe besetzt wären, wäre erstrebenswert. Neben der Fachausbildung ist es wichtig, dass die richtige Frau am richtigen Platz ist. Auch müsste man die Gremien frauenfreundlicher gestalten, so müsste z.B. die Uhrzeit der Sitzungen für Frauen mit kleinen Kindern flexibler sein.

Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Insgesamt habe ich schon ein gutes Gefühl. Aber bestimmte Genossenschaften sind so männerlastig – v.a. Wasser- und Energiegenossenschaften. Da brauchen wir nicht darüber reden: bis sich da eine Frau traut, braucht es noch lang.

Vielen Dank für das Gespräch!