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Mitten in der Transformation

Digitale Transformation – Mehr Kopfsache als Technologie: Unter diesem Motto stand eine Tagung im Raiffeisenhaus zum rasanten Strukturwandel in der Kommunikation von Unternehmen.

"Die digitale Transformation ist eine echte Herausforderung für das Management von Unternehmen", sagte der Professor für Marketing und Marktforschung an der Cologne Business School in Köln Klemens Skibicki. In seinem Referat "Die digitale Transformation beginnt im Kopf" ging der promovierte Wirtschaftshistoriker auf den Faktor Mensch im digital vernetzten Zeitalter ein und skizzierte das Bild eines tiefgreifenden Strukturwandels, geprägt von den Haupttreibern Social Web, Mobile Web und Internet der Dinge. So hat die digitale Transformation etwa die Transaktionskosten in der Kommunikation nahezu aufgelöst und verändert damit die Rahmenbedingungen und Chancen für Unternehmen völlig. Jedes Unternehmen muss sich in der sogenannten Netzwerkökonomie heute mit den besten messen lassen. Beispielsweise setzen Paypal als das weltweit größte Online-Bezahlsystem oder auch Google, Amazon & Co. mit den Möglichkeiten der Sprachsteuerung neue Maßstäbe.

Großer Paradigmenwechsel

Bei Social Media geht es nicht nur um technische Plattformen, sondern um einen Paradigmenwechsel in der Kulturtechnik. Im Unterschied zur älteren Generation verstehen die Jungen locker mit den neuen Entwicklungen umzugehen. Für sie ist online, offline, virtuell oder real alles eine Welt. Allein Facebook hat heute über zwei Milliarden Menschen vernetzt, Youtube 1,5 Mrd. und WhatsApp 1,3 Mrd. Menschen. "Wir befinden im Zeitalter der massenhaften Individualisierung", sagte Skibicki.

Jeder Einzelne entscheidet, wer und was ihn interessiert. Als Dialogmedien ermöglichen Social Media Unternehmen eine vernetzte und direkte Kommunikation mit den Kunden. Die Kundenmeinung im Netz wird immer wichtiger und vielfältiger. Unternehmen müssen heute wissen, wer wo wann über die Produkte und Dienstleistungen spricht. "Sie müssen dem Kunden zuhören lernen und in Echtzeit reagieren, sich positionieren und ihn einbinden", meinte Skibicki. Unternehmen sollten sich nicht fragen, ob sie soziale Plattformen brauchen, sondern wo sie heute ihre Kunden am besten erreichen können. Sie müssen die sogenannte "Nähe zum Kunden" neu gestalten.

Durch die digitale Transformation fallen gewohnte Hierarchien, wie von oben nach unten oder von unten nach oben, zunehmend weg. Das Netzwerkdenken rückt in den Mittelpunkt, die Rollen im Betrieb müssen neu definiert und verteilt werden. Daher betrifft die digitale Transformation alle Mitarbeiter im Unternehmen und die gesamte Führung; alle sollten dafür dasselbe Verständnis entwickeln. "In der digitalen Transformation ist das Gelernte von gestern ein Auslaufmodell und kann auch hinderlich sein. Deshalb muss ein neues Denken die Führungsrolle in den Unternehmen übernehmen", betonte Skibicki und erinnerte an den Deutschen Kaiser Wilhelm II, der fest an das Pferd glaubte und das Automobil nur als eine vorübergehende Erscheinung betrachtete.

Wer nicht interessant ist, fliegt

Die deutsche Unternehmensberaterin und Medienökonomin Viviane Wilde sprach bei der Tagung für die Raiffeisenkassen zum Thema "Markenführung im digital vernetzten Zeitalter". Wilde zeigte auf, wie Unternehmen die entsprechenden Voraussetzungen schaffen können.

Menschen wollen nicht mit Marken oder Unternehmen kommunizieren, sondern eben mit Menschen. Menschen filtern Inhalte über ihr soziales Umfeld. Wer und was für sie nicht interessant erscheint, wird nicht wahrgenommen und fliegt einfach raus. Unternehmen müssen also auch in der digitalen Transformation schauen, wie sie bei den Kunden im Gespräch bleiben. Werden über die alten Kommunikationsmittel wie Radio, TV und Zeitung Informationen gepuscht, ohne genau zu wissen, ob und wie sie beim Kunden ankommen, rückt heute die interaktive Kommunikation in den Mittelpunkt. "Unternehmen sollten sich deshalb fragen, wie sie im digitalen Zeitalter eigentlich kommunizieren wollen", meinte Wilde. Sie müssen wissen, warum sie Social-Media-Plattformen nutzen und mit wem sie dort kommunizieren wollen. Hier braucht es klare Vorstellungen in der Strategie und in der Umsetzung - und einen Veränderungsprozess im Unternehmen.

Über das Omnikanal-Modell der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken berichtete der Marketingleiter des Bundesverbandes BVR Rainer Eisgruber. "Wir wollen ein Omnikanalerlebnis für unsere Kunden durch ein vernetztes Dienstleistungsangebot über alle Kanäle und Barrieren hinweg erreichen". Dabei bilden drei, völlig aus Kundensicht aufgebaute, gleichberechtigte Vertriebskanäle die Basis: Persönliches Banking, Digital-persönliche Banking und Digitales Banking. Der Kunde entscheidet, welchen Kanal er nutzt und kann dabei barrierefrei wechseln.

Generaldirektor Paul Gasser betonte bei der von Marketingleiterin Astrid Schweiggl moderierten Tagung abschließend die gesellschaftliche Dimension der digitalen Transformation, die man nicht ignorieren kann. Deshalb ist es auch Aufgabe des Raiffeisenverbandes, hier entsprechende Sensibilisierungsarbeit zu leisten.