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Neue MitbürgerInnen im ländlichen Raum

Am 22. November fand im Bildungshaus Lichtenburg in Nals die Herbsttagung der Plattform Land statt. Warum das Thema der Zuwanderung in den ländlichen Raum für Südtirol aktuell ist, erklären Andreas Schatzer, Präsident und Ulrich Höllrigl, Geschäftsführer der Plattform Land im Interview.

"Neue Mitbürger/innen im ländlichen Raum" war das Thema der diesjährigen Herbsttagung: Gibt es jetzt eine Kehrtwende zur Landflucht?

Andreas Schatzer: Nein, aber es ist ein allgemeiner Trend, dass auch im ländlichen Raum Zuwanderung stattfindet. Nicht nur von Asylwerbern und Nicht-Asylwerbern, sondern vor allem von Arbeitskräften aus allen Teilen Italiens.

Wer wandert konkret zu?

Andreas Schatzer: Stadtmenschen, Italiener aber auch Menschen aus dem europäischen und dem außereuropäischen Raum.

Gibt es dazu auch Zahlen?

Andreas Schatzer: Natürlich, jede Gemeinde führt Statistiken über die im Melderegister eingetragene Wohnbevölkerung. Auch die Bewohner ländlicher Gemeinden in Südtirol weisen mittlerweile bis zu zwanzig verschiedene Nationalitäten auf.

Was möchten Sie mit der Tagung erreichen?

Andreas Schatzer: Derzeit wird sehr viel von Asylwerbern und Flüchtlingen gesprochen. Wir glauben aber, dass das Thema "Neue Mitbürger im ländlichen Raum" viel umfassender ist. Es gibt verschiedenen Formen der Zuwanderung aus verschiedenen Herkunftsländern. Sogar die Zuwanderung innerhalb Südtirols von den Städten aufs Land gibt es - die Gegenbewegung zur Landflucht.

Ulrich Höllrigl: Mit der Veranstaltung wollen wir auf eine neutrale Art und Weise einen Überblick über das Thema Zuwanderung in den ländlichen Raum geben. Das ist schon eine spannende Geschichte, wenn man bedenkt, dass Südtirol noch in den 50er und 60er Jahren ein Auswanderungsland war, wo die Nicht-Erben am Hof keine Arbeit fanden und deshalb auswandern mussten. Heute sind wir ein Zuwanderungsland.

Wie geht die ländliche Bevölkerung mit Zuwanderung um?

Andreas Schatzer: Grundsätzlich glaube ich gibt es - auch wenn man die Medien anschaut -die Angst, dass Asylwerber Gemeinden unsicher machen. Viele "Ausländer", die häufig aus Arbeitsgründen hier leben, werden ebenfalls als fremd wahrgenommen, im Gegensatz zu Zuwanderern aus Deutschland oder Österreich. In meinen Augen fehlt das Zusammenleben mit der Landbevölkerung, auch weil es bei uns zum Teil Bevölkerungsschichten gibt, die sagen, wir brauchen keine Ausländer.

Ulrich Höllrigl: Es ist auch so, dass wir verschiedene Geschwindigkeiten der Zuwanderung haben. In den wirtschaftlich und touristisch starken Gemeinden Südtirols haben wir eine starke Zuwanderung an Arbeitskräften. Daneben gibt es peripher gelegene Gemeinden, wie Deutschnonsberg, hinteres Ahrntal, Seitentäler des Vinschgaus die einen negativen Bevölkerungssaldo aufweisen und vielleicht mehr Zuwanderung bräuchten.

Und wie könnte das in der Praxis ausschauen?

Andreas Schatzer: In diesen Zusammenhang bin ich gespannt auf den Vortrag von Gabriele Greussing, von Allianz in den Alpen, denn sie wird konkrete Praxisbeispiele präsentieren. Ich glaube, dass wir ein bisschen abschauen und lernen können, weil bei uns vor allem nicht EU-Bürger im Dorf als "nicht ganz zu uns gehörend" gesehen werden, obwohl sie auch hier arbeiten. Da gibt es Berührungsängste. Das muss man offen zugeben.

Es geht also um die Frage der Integration?

Ulrich Höllrigl: Ja. Gabriele Greussing hat eine Alpenstudie über die Formen der Integration begleitet. Sie weiß aus der Praxis, welche Formen der Integration funktionieren, welche nicht und wie sinnvolle Zuwanderung stattfinden kann. Mittlerweile gibt es auch bei uns viele positive Beispiele auf dem Land, gerade weil dort jeder jeden kennt und daher die Integration leichter stattfinden kann. Ich denke da an Zuwanderer aus Osteuropa, die in der Gastronomie arbeiten und Südtirolerinnen und Südtiroler heiraten und Familien gründen. Da funktioniert die Integration schon in der ersten Generation.

Andreas Schatzer: Kinder tun sich da viel leichter als Erwachsene, vor allem, wenn sie schon hier geboren sind: sie sind bei Vereinen, spielen Fußball, ministrieren. Sie schauen zwar nach wie vor anders aus, sind jedoch in der Gemeinschaft integriert. Und Ich denke das wächst.

Sieht sich Plattform Land in dieser Hinsicht als Ideen-Geber für die Politik?

Ulrich Höllrigl: Wir möchten schon Impulse geben und der Politik Ideen vermitteln, nicht nur beim Thema Zuwanderung, sondern auch im Bereich Leerstands-Management oder Entwicklung des ländlichen Raumes. Wir versuchen Themen wertfrei zu spielen und die entsprechenden Entscheidungsträger, vor allem Gemeindeverwalter, auf Themen aufmerksam zu machen und sie in ihrer Arbeit zu bestärken.

Andreas Schatzer: Unser Hauptziel ist ein lebendiger ländlicher Raum. Und dabei sind wir in Südtirol noch in einer sehr glücklichen Situation, da wir in jeder Gemeinde ein Geschäft und ein Gasthaus haben. Das findet man im nördlichen Ausland wie Österreich, Bayern nicht mehr. Als Initiativgruppe möchten wir, dass das so bleibt und dass neue Mitbürger so schnell und so gut wie möglich integriert werden.

Plattform Land

Das Ziel der "Plattform Land" ist es die Attraktivität des ländlichen Raumes in Südtirol zu steigern. Dabei soll die Lebensqualität in der Peripherie als Lebens-, Wirtschafts-, Arbeits- und Erholungsraum für die Landbevölkerung erhalten werden.

Grundlegend dafür ist die Sicherstellung von funktionierenden Diensten und Infrastrukturen, wie die Nahversorgung, soziale und medizinische Dienste oder schnelle Internetverbindungen.

Weiters möchte die "Plattform Land" für die Herausforderungen im Hinblick auf die ländlichen Räume und die intelligente Flächennutzung sensibilisieren und die Umsetzung von entsprechenden Maßnahmen anregen.