Laut EU-Frühjahrsprognosen wird auch die Eurozone heuer um 2,3 Prozent wachsen. Weder inflationäre noch exzessive Kreditentwicklungen wie in der Phase vor der Finanzkrise nach 2008 seien zu erkennen. Dank der Geldpolitik von Mario Draghi ist der Euroraum in Schwung gekommen, die Arbeitslosigkeit geht zurück, die verfügbaren Einkommen der Haushalte steigen. "Jetzt kommt es darauf an, dass der Europäischen Zentralbank der Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik gelingt, ohne dass es zu Instabilität auf den Kapitalmärkten kommt," sagte der Wirtschaftsexperte. Positiv sei auch, dass die Banken über deutlich höhere Kapitalpuffer als vor zehn Jahren verfügen und es auch keine Anzeichen für gefährliche Blasenentwicklungen an den Immobilienmärkten im Euroraum gibt.
Einige Risiken haben zugenommen
Die positiven Wachstumsaussichten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung zuletzt zugenommen haben, darunter die Gefahr einer nach innen gewandten und protektionistischen Politik. Auch der nach wie vor unklare Ausgang der Verhandlungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU stellt ein besonderes Risiko dar. Laut Bofinger wird der Brexit vor allem für das Vereinigte Königreich Nachteile bringen. Die anderen Mitgliedsstaaten könnten von einer Abwanderung von Finanzinstituten und Industrieunternehmen durchaus profitieren.
Auch geopolitische Risiken, die schwer kalkulierbar sind, und eine Eskalation des globalen, aber unwahrscheinlichen Handelskrieges zählen zu den Risikofaktoren für den Euro. Die Verschuldung einiger Mitgliedsstaaten im Euro-Raum, vor allem in Italien, ist weiterhin hoch. Sollten die Finanzmärkte aufgrund der politischen Unsicherheit das Vertrauen in die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung verlieren, kann aufgrund der Größe Italiens ein Wiederaufflammen der Euro-Krise nicht ausgeschlossen werden. Einer geplanten Einführung der "Flat Tax" in Italien steht Bofinger kritisch gegenüber: "Italien täte besser daran, in Bildung, Infrastruktur und Forschung zu investieren, als Steuergeschenke zu verteilen." Auch in der aggressiven Rhetorik gegenüber der EU sollte sich die neue italienische Regierungsmannschaft zurücknehmen.