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Regionale Wertschöpfungsketten stärken

Die Plattform Land hat vor kurzem eine Online-Tagung zum Thema „Regionale Wertschöpfungsketten“ veranstaltet, die mit 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gut besucht war. Dabei wurden erfolgreiche Praxisbeispiele in- und außerhalb Südtirols präsentiert: z.B. Schloss Gut Obbach, 2020 in Deutschland mit dem Ökolandbaupreis ausgezeichnet.

Andreas Schatzer, Präsident der Plattform Land, eröffnete die Tagung zum Thema regionale Wertschöpfungsketten, indem er auf das wachsende Ernährungsbewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten hinwies: „Die Kunden wollen heute wissen, woher die Lebensmittel kommen und wie sie produziert werden. Die Coronakrise verstärkt diesen Trend.“  Öffentliche Verwaltungen seien in ihrer Flexibilität aber eingeschränkt: Altersheime, Schulausspeisungen und Kindergärten können nicht einkaufen, wo und wie sie es möchten.

Trotzdem: es gibt Beispiele für gelingende Kooperationen und regionale Wertschöpfungsketten. Vier davon wurden bei der Online-Tagung vorgestellt:

Petra Sandjohann und Peter Schreier bewirtschaften das Schloss Gut Obbach in Oberfranken nach Biorichtlinien: 260 Hektar Ackerfläche mit 13 Kulturen: Getreide, Leguminosen, Ölfrüchte, Kartoffeln und Obst. Im Laufe der letzten 22 Jahre haben sie sich ein Netzwerk von Handwerkern und Händlern aufgebaut, die ihre Rohprodukte weiterverarbeiten und an die Kunden bringen: So wird das Getreide von einem Müller in der Nähe gemahlen und vom Dorfbäcker zu Brot gebacken. Einen Teil der Produkte verarbeiten und verkaufen sie auch selber und direkt. Beide sind überzeugt, dass in den Kooperationen der Erfolg liegt. Und darin, anzubauen, was gebraucht wird. So entsteht für alle Partner eine Win-Win-Situation. „Gerade in dieser Zeit der Pandemie trägt man sich in so einer Partnerschaft, das stärkt ungemein“, sind die Bauersleute überzeugt.

Monika Wielander, Referentin der Gemeinde Schlanders, stellte ihre Gemeinde vor: In Schlanders gibt es ein großes Schulzentrum mit allen Schulstufen und fünf Kindergärten. Den Einkauf für die Verpflegung der Kinder, Schülerinnen und Schüler wickelt die Genossenschaft Emporium ab. Was gekauft wird, entscheiden aber die Köchinnen und Köche. So gibt es einen Liefervertrag mit einem Gemüsebaubetreib im Dorf. Die konkrete Abwicklung erfolgt zwischen Bäuerin und Köchin. Wielander erklärte die Schwierigkeiten, die vor allem in der Terminologie der Ausschreibungen begründet sind. Trotzdem ist sie überzeugt: Wenn alle Partner wollen, kann die lokale Vergabe gelingen. Ein entsprechender Leitfaden des Gemeindeverbandes könne aber für die Umsetzung hilfreich sein.

Thomas Egger, Bürgermeister von Vöran, berichtete von der relativ kleinen Realität in Vöran: Die Schulkinder werden dort von einem lokalen Caterer verköstigt, der Kindergarten hat eine eigene Köchin. Dank eines Leader-Projekts, das 2015 gestartet ist, gibt es in der Gemeinde inzwischen 18 lokale Lebensmittelproduzenten, die unter anderem Kindergarten und Caterer beliefern. „Das verlangt zwar Flexibilität von Gemeindeverwaltung, Bauern und Köchin/Koch, hat aber mehr Vor- als Nachteile: die Bauern bekommen einen gerechten Preis für ihr Produkt, unsere Kinder gutes, lokales Essen. Auch der Umwelt kommt das zugute. Das sind wir der nächsten Generation schuldig“, appellierte Egger.

David Smaniotto vom Landesverband der Handwerker stellte das Konsortium ARO vor, ein Zusammenschluss Südtiroler Handwerker im Bereich Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten. Nach nunmehr zwei Jahren hab es bereits 130 Mitglieder über alle Gewerke. Der Vorteil des Netzwerks: Sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer haben nur einen Ansprechpartner, das Konsortium. Die Arbeiten werden aber von verschiedenen Anbietern ausgeführt, die möglichst kurze Anfahrtswege haben.

In der Diskussion, durch die Ulrich Höllrigl, Geschäftsführer der Plattform Land, führte, kamen Dieter Pinggera, Präsident der Bezirksgemeinschaft Vinschgau, Hotelier Lukas Gerstl, Bäuerin Hilde van den Dries, Lebensmittelexpertin Bettina Schmid sowie Christian Giuliani, Präsident der Bezirks Bozen Land des Handels- und Dienstleisterverband (hds) Armin Bernhard, Präsident der Bürgergenossenschaft Obervischgau (BGO) zu Wort.

Dieter Pinggera unterstrich die Bedeutung der Leader-Programme für strukturschwache Gebiete wie den Vinschgau, um die Wertschöpfung vor Ort zu behalten.

Bettina Schmid wies auf zwei grundlegende Erfolgsfaktoren lokaler Wertschöpfungsketten hin: Zum einen müsse die Qualität der Produkte stimmen und zum anderen alle Beteiligten einen wirtschaftlichen Nutzen daraus ziehen.

Hotelier Lukas Gerstl erzählte über seine Erfahrungen, einen lokalen Lieferantenpool aufzubauen. Mittlerweile hat er 45 davon, die aktuelle Ruhephase nutzt er für Hofbesuche und Gespräche mit Bäuerinnen und Bauern. Eine davon ist Hilde van den Dries vom Weinhof Calvenschlössl. Sie ist der Überzeugung, dass die Direktvermarktung in der Region nur Vorteile für kleine Produzenten hat. „weil man Vertrauen und Beziehung mit den Kundinnen und Kunden aufbaut“.

Christian Giuliani spannte einen Bogen zu Dienstleistungen und Handel. Auch hier müsse Regionalität an erster Stelle stehen.

Armin Bernhard forderte zum Schluss: „Es muss politische Regeln gegen Ungleichheit des ländlichen Raumes geben, lokale Strukturen, die Unterstützung von jungen, motivierten Kräften für die Region und ein ,Aufeinanderschauen‘ der Sektoren, damit sie wieder mehr zusammenwachsen.“

Andreas Schatzer fasste am Ende der Tagung zusammen: „Gerade nach den Erfahrungen der letzten Monate müssen wir die Chance nutzen, um die regionalen Kreisläufe im Bereich der öffentlichen Vergabe und in privaten Kooperationen zu stärken.“

Die „Plattform Land“ ist eine seit 2013 bestehende Südtiroler Allianz aus aktuell 15 Mitgliedern aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, die sich für den lebendigen ländlichen Raum und intelligente Flächennutzung einsetzen.