Wein
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"Schäden bis zu 80 Prozent"

Im Fall der rätselhaften Wachstumsstörungen in den Südtiroler Weinbergen gibt es eine überraschende Wende: Bayer, Hersteller des in Verdacht geratenen Mittels gegen die Grauschimmelfäule Botrytis, stoppt das Produkt im Gegensatz zu anderen Ländern in Italien nicht. Während die weiteren Laboranalysen laufen, werden die Schäden gemessen. Laut dem Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau sind sie beträchtlich.

„Ende April fielen in einzelnen Anlagen Rebstöcke auf, an denen einzelne oder vor allem Rebtriebe Blätter mit Symptomen aufwiesen, welche durch den Einsatz oder die Abdrift von Wuchsstoffherbiziden hervorgerufen werden können.“ So steht es in einem Rundschreiben, das der Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau Anfang am 18. Juni an Weinbauern im ganzen Land nach den auffälligen Wachstumsstörungen sendete. Den Ernst der Lage zeigte eine Begehung der Weingüter nur einen Tag später. Mit dabei: Vertreter der Frima Bayer CropScience Italia, welche das Botrytis-Mittel Luna Privilege produziert in Italien über Wiederverkäufer vermarktet.

In Südtirol wurde daraufhin eine intensive Prüfung des Pflanzenschutzmittels in den Labors der Laimburg sowie außerhalb von Südtirol veranlasst. Auch Bayer hatte solche Prüfungen mit klaren Ergebnissen versprochen. Am Donnerstag nachmittag kam überraschend eine „Entwarnung“ von Seiten des deutschen Konzerns. Zumindest für den italienischen Markt. Dort wurde der in Österreich, Deutschland und Schweiz bestätigte Verkaufsstopp nicht erwogen. Begründung: Noch stünden die Zusammenhänge nicht fest. Bayer rät zur Vorbeugung, aber das Mittel nur einmal pro Jahr bis zum Entwicklungsstadium "Traubenschließen" auszubringen. Im Email an den Beratungsring heißt es wie folgt:

Klares Bayer-Eingeständnis für weiteres Vorgehen nötig

Laut Hansjörg Hafner, Leiter der Abteilung Weinbau im Beratungsring sei das Verhalten von Bayer Italia eine „strategische“ Entscheidung, hänge aber auch mit der Tatsache zusammen, dass das Mittel in Italien heuer schon wegen der früheren Vegetationsperiode schon wieder im Einsatz stehe, während in Österreich, der Schweiz und Deutschland der Stopp effektives Ausbringen verhindere.
„Dennoch werden wir uns die Entwicklungen genau ansehen. Im Falle von Schadenersatzzahlungen von Bayer Deutschland, der Schweiz und Österreich werden wir aktiv werden und versuchen, das Ganze möglichst unbürokratisch abzuwickeln.“ Dazu würde es laut Hafner aber auch ein klares Eingeständnis von Bayer brauchen, wo festgestellt wird, dass das Mittel fehlerhaft sei.

Totalausfall bis 80 % - Möglicher Schaden im Einzelfall beträchtlich

Wichtig sei es laut Hafner in der Zwischenzeit, eigene chemischen Prüfungen voranzutreiben (noch immer sei der Zusammenhang zwischen Schäden und Mittel zwar mehr als wahrscheinlich, aber immer noch nicht zu 100 % erwiesen) und die Schadenserhebung lückenhaft und möglichst schnell durchzuführen. Laut Hafner geht man nach ersten Schätzungen von Ausfällen im "einstelligen Millionenbereich" aus.
Bisher wurden vor allem bei den Sorten Sauvignon, Chardonnay und Gewürztraminer erhebliche Schäden festgestellt, die in einigen Anlagen bei 80% Ausfall liegen. Auch andere Sorten können betroffen sein. Unterschiede zeigen sich auch in der Lage der Gebiete. Weinreben, die in geschützteren Lagen, etwa nah dem Wald, liegen zeigen größere Schäden, weil dort laut Vermutungen das Pflanzenschutzmittel langsamer ausgetrocknet ist und Rückstände angehäuft hat.
Eine letztendliche Klärung soll in einigen Wochen aus den Labors kommen. So lange wird das komplexe Verfahren der Wirkstoffanalyse noch dauern. Bis dahin sollte auch ein definitiver Befund von Bayer vorliegen, hofft man beim Beratungsring.