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„Wir hatten schon angenehmere Zeiten.“

Walter Rothensteiner, der Generalanwalt des österreichischen Raiffeisenverbandes gibt im Rahmen der jährlichen Informationstagung des Raiffeisenverbandes einen kurzen Einblick in die Welt der Genossenschaften. Ein Interview.

Genossenschaft als Modell der Zukunft: wie kann sich eine Genossenschaft in Zeiten der Digitalisierung, Globalisierung und Wirtschaftskrise zukunftsfähig machen?

Rothensteiner: Eine Genossenschaft stellt sich prinzipiell die Frage: wie geht man miteinander um, wie arbeitet man miteinander, wie lebt man in einer demokratischen Organisation und das kann ich genauso mit Bankschalter oder mit Digitalisierung machen. Wenn wir davon überzeugt sind, dass davon vor allem unsere Mitglieder profitieren sollen, dann können wir sie in jeder Art von Geschäft fördern - unabhängig davon ob wir da an Bankfilialen oder die Digitalisierung denken. Genossenschaften ist also immer auch ein Modell der Zukunft.

Wie kommunizieren Sie heute die Werte von Raiffeisen, die ja seit jeher die gleichen Werte geblieben sind?

Ich gebe zu, es ist schwieriger geworden. Alles was im Bankbereich dazugekommen ist an Regulierungen, Kapitalvorschriften usw., das überdeckt alles in der derzeitigen öffentlichen Diskussion. Dazu kommt, dass das Image von Banken derzeit angeschlagen ist. Viele glauben, dass man Startups heute mit völlig neuen Dingen machen muss. Raiffeisen hat als erster neue Modelle gehabt, bei denen sich Leute zusammengeschlossen haben, um eine Lösung zu finden. Das ist Genossenschaft, nur heißt das heute anders. Wir müssen einfach schauen, dass wir den Innenwert, der ja nach wie vor besteht, auch modern transportieren können. Es gelingt uns nicht immer, aber immer besser.

Welches sind die besonderen Herausforderungen für das kommende Jahr?

Meine Hauptthemen im Bankenbereich derzeit sind sicherlich Regulierungsfragen. In Österreich kommt noch das Thema hinzu, dass wir eine exorbitant hohe Bankensteuer zahlen müssen. Das geht an die Substanz. Damit müssen wir fertig werden und wir werden auch damit fertig werden, aber wir hatten schon angenehmere Zeiten.

Was kann der Raiffeisenverband Südtirol vom Österreichischen Verband übernehmen?

Nach meinem Wissen macht der Raiffeisenverband in Südtirol seine Arbeit hervorragend. Und - vielleicht liege ich da falsch - aber ich denke, man könnte sich im restlichen Italien durchaus ein Beispiel an Südtirol nehmen. Ich glaube nicht, dass Raiffeisen Südtirol von uns gute Ratschläge braucht. Selbstverständlich gibt es immer Bereiche, wo man sich anschauen kann, wie das andere machen oder Themen übernehmen. Ich glaube in diesem Bereich gibt es bereits einen regen Austausch zwischen dem Raiffeisenverband Österreich und Südtirol.

Und umgekehrt?

Mir gefällt in Südtirol, dass es einfach selbstverständlich ist, dass Raiffeisen dort die Nummer eins ist. Mit wen man auch redet - ist schon klar, das ist bei uns auch so: je kleiner die Ortschaft desto mehr Raiffeisen, weil da auch die internationale Konkurrenz fehlt. Aber die Einstellung zum Thema Genossenschaften ist in Südtirol eine noch wesentlich positivere als die, die wir in Österreich haben.

Stichwort Kooperationen überall spricht man von Fusionen...

Das ist auch in Österreich ein großes Thema. Seit 1886 leben wir die Tatsache, dass unsere Genossenschaften selbständig entscheiden. Jetzt haben wir das Problem, dass vieles nicht mehr allein und in Selbständigkeit entschieden werden kann, sondern nur mehr gemeinsam, weil wir sonst von den Kosten her nicht mehr mithalten können. Das führt zu langen Überzeugungsdiskussionen, denn Genossenschaft heißt überzeugen und nicht anordnen und das dauert länger, aber nachher hält das, was bei Anordnung oft widerwillig ist. Ja, es bleibt insgesamt der bessere Weg...

Wie kann sich Genossenschaft fit für die Zukunft machen?

Ich glaube Genossenschaft ist fit für die Zukunft. Aber natürlichtreffen uns Restriktionen, die auch andere haben, ebenfalls. Hier spreche ich vor allem das Kostenthema an. Und wenn die ganze Bankenbranche 10, 20 Prozent ihrer MitarbeiterInnen verliert oder noch mehr, dürfen wir natürlich nicht glauben, dass dies an uns spurlos vorüber geht. Wir setzen stark auf natürliche Fluktuation und besetzen nicht nach, wenn jemand ausscheidet, aber wir setzen niemanden sinnloserweise auf die Straße. Fit machen für die Zukunft hat immer auch mit Bildung zu tun.

Welche Schwerpunkte setzen Sie im Raiffeisenverband?

Seit drei Jahren haben wir den Raiffeisencampus, den wir aus der Raiffeisenakademie entwickelt haben und die Informationstagung in Innsbruck ist auch eine Veranstaltung, die der Raiffeisencampus organisiert hat. Das heißt, wir wollen ein wirkliches Ausbildungszentrum sein, mit einem Raiffeisen-MBA als oberste Stufe. Damit kann man bei uns einen akademischer Grad erlangen. Wir wollen die ganze Ausbildungskette durchziehen und das bewährt sich mittlerweile sehr gut. Da sind wir stolz darauf.

Mit dem Projekt Ambition 2020 reagieren sie auf die geopolitische Situation in Osteuropa. Wie sieht es derzeit dort aus?

Ambition 2020 ist ein Programm, das es zum Ziel hat, die harte Kernkapitalquote der Raiffeisen Bank International auf 12 Prozent bis 2017 zu heben. Insgesamt geht es darum, weniger komplex dafür aber stärker kapitalisiert zu sein. Also eine Bank mit noch klarerem Fokus in profitablen und nachhaltig sicheren Märkten zu sein.

Vielen Dank für das Gespräch!