I contenuti di questa pagina sono disponibili solo in lingua tedesca
Raiffeisenverband | Soziales & Non-Profit
|

150 Jahre „Darlehnskassen-Vereine“ von F.W. Raiffeisen

Vor 150 Jahren brachte Friedrich Wilhelm Raiffeisen sein Ratgeber-Buch zur Gründung von Genossenschaften heraus.

Im Jahr 1867 erschien der erste Band einer Analyse der kapitalistischen Gesellschaft mit tiefgreifenden Auswirkungen bis weit in das 20. Jahrhundert hinein: „Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie“ von Karl Marx. Der Vordenker des Sozialismus war ein Mann der Theorie. Ein Zeitgenosse hatte jedoch schon 1866 ein Werk veröffentlicht, das aus heutiger Sicht viel nachhaltiger gewirkt hat als die Marx’sche Kapitalismuskritik – auch deshalb, weil der Autor ein Mann der Tat war. Sein Name: Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Der Titel seines Buches: „Die Darlehnskassen-Vereine als Mittel zur Abhilfe der Noth der ländlichen Bevölkerung, sowie auch der städtischen Handwerker und Arbeiter.“ 

Missernten und Wucherzinsen
In seinem Ratgeber schilderte Raiffeisen seine Erfahrungen beim Aufbau von Selbsthilfevereinen, gab Tipps für die praktische Umsetzung und formulierte die heute noch gültigen genossenschaftlichen Grundideen Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung. Das Buch, das nur noch antiquarisch erhältlich ist, verbreitete sich damals rasch. Bereits zu Lebzeiten des Autos erschienen fünf Auflagen. Über viele Seiten erläuterte der Genossenschaftsgründer den Aufbau und die Funktionsweise der Darlehnskassen-Vereine, erklärte die Rechte und Pflichten der Mitglieder sowie die Beschaffung und Verwendung der Vereinsmittel. In eigenen Kapiteln widmete er sich weiteren genossenschaftlichen Zusammenschlüssen wie Winzervereinen, Molkereigenossenschaften oder Viehversicherungsvereinen.

Ursprung in der Not
Raiffeisens Engagement hat seinen Ursprung im Notjahr 1847, als die Bevölkerung nach einer Missernte in weiten Teilen Deutschlands Hunger litt. Dazu kamen strukturelle Probleme: Um der Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Industrialisierung und einer zunehmenden Vernetzung der Weltmärkte standhalten zu können, mussten Handwerker und Bauern ihre Betriebe modernisieren. Doch zur Anschaffung von Betriebsmitteln wie Saatgut, Dünger oder Maschinen fehlten die liquiden Mittel. Die damals existierenden Banken interessierten sich nicht für Landwirtschaft und Handwerk, Privatpersonen verlangten oft Wucherzinsen für Kredite. 

Raiffeisen schuf Abhilfe
Raiffeisen erkannte das Problem und schuf Abhilfe. Als Bürgermeister der Westerwaldgemeinde Flammersfeld rief er im Jahr 1849 gemeinsam mit 60 wohlhabenden Bürgern den „Flammersfelder Hülfsverein zur Unterstützung unbemittelter Landwirthe“ ins Leben. Weil die Haftung auf viele Schultern verteilt wurde, konnten die Darlehnskassen-Vereine Kapital aufnehmen und als Kredite zu vertretbaren Konditionen an Landwirte und Handwerker weiterreichen. Der Erfolg war durchschlagend: Rasend schnell verbreiteten sich diese Hilfsvereine – oft mit tatkräftiger Unterstützung Raiffeisens – in allen deutschen Landen.

Kritik an den Zuständen der Zeit
In der Einleitung seines Buchs kritisierte der Autor mit harschen Worten die Zustände im Deutschen Bund in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Kampf ums Dasein „werde mit einer früher ungekannten Heftigkeit und Rastlosigkeit geführt; die industrielle Produktion ringt mit atemloser Hast auf dem Weltmarkt. (…) Wenn nicht Einhalt geschieht, so gehen wir den unheilvollsten Krisen und Erschütterungen entgegen.“ Es sei höchste Zeit, „dem auf falscher Fährte befindlichen Zeitgeist eine andere Richtung zu geben, ein anderes Streben hervorzurufen“, so Raiffeisen. Daran könnten die Darlehnskassen-Vereine erheblich mitwirken. Der Autor warnte jedoch auch davor, Wunder zu erwarten: „Richtig geleitet und in einer festen und dauernden Organisation zu gemeinschaftlicher Tätigkeit vereinigt, sind diese Vereine ein durchaus sicheres Mittel, die Verhältnisse sowohl der einzelnen strebsamen und fleißigen Familien als auch der gesamten landwirtschaftlichen Bevölkerung zum Besseren umzugestalten, selbstredend aber nur da, wo die Bevölkerung es an den nötigsten Anstrengungen nicht fehlen lässt.“

Vom Wert des Geldes
Immer wieder bewies Raiffeisen Weitblick, wenn er etwa vor zu niedrigen Zinsen warnte. „Das Geld ist eine Ware, deren Wert wie derjenige jeder anderen steigt und fällt. Es ist nicht ratsam, (…) das Geld unter dem gewöhnlichen Werte bzw. Zinsfuße auszuleihen. Ware unter dem Preise wird gewöhnlich nicht gehörig in acht genommen.“ Was würde Raiffeisen wohl zur Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank sagen? Längst sind aus den ersten Darlehnskassen-Vereinen – zusammen mit den Vorschuss- und Kreditvereinen von Hermann Schulze-Delitzsch – in ihrer Region fest verwurzelte Volksbanken und Raiffeisenbanken geworden, die die Genossenschaftliche Idee weitertragen.

Die Zeit überdauert
Theodor Sonnemann, damaliger Präsident des Deutschen Raiffeisenverbands, schrieb 1966 zum 100. Jubiläum der Erstausgabe des Buchs: „Friedrich Wilhelm Raiffeisen hat ein Werk geschaffen, das seine Zeit überdauert und die Welt erobert hat. Seine Grundideen sind heute noch gültig; Formen und Arbeitsweisen müssen sich – wie schon zu Raiffeisens Lebenszeit – mit den sich stets ändernden Gegenwartsforderungen wandeln.“ Diese Sätze können auch im Jahr 2016 so stehen bleiben. Bei Karl Marx würde das Urteil sicher anders ausfallen.

Quelle: Florian Christner, in: Profil - das bayerische Genossenschaftsblatt Nr. 12-2016, Genossenschaftsverband Bayern