Fährt man ins Pustertal und gelangt auf die Höhe des Kniepasses, dann ist sie für Autofahrer nicht zu übersehen: die Bioenergie Genossenschaft St. Lorenzen mit ihren großen Gaskuppel-Lagerbehältern, die sofort ins Auge stechen.
Die Bioenergie St. Lorenzen wurde 2005 gegründet, Ende 2008 wurde die erste Anlage in Betrieb genommen. „Die Genossenschaft zählt rund 80 Bauern aus Bruneck und St. Lorenzen als Mitglieder. Diese halten etwa 2.500 Großvieheinheiten, zumeist Milchvieh“, erklärt Obmann Viktor Wierer. Mehrere LKW's der Genossenschaft bringen Mist, Jauche und Gülle von den Mitgliedsbetrieben direkt zur Biogasanlage. Eine Menge von über 60.000 Kubikmetern pro Jahr. Hinzu kommen im einstelligen Prozentbereich landwirtschaftliche Reststoffe, wie beispielsweise Ausfallkartoffeln oder Apfelreste. Täglich gelangen 150 bis 200 Tonnen Einbringmaterial in die Biogasanlage. Das entstehende Gas wird über ein Blockkraftheizwerk mit einer Dauerleistung von 1 Megawatt in elektrischen Strom umgewandelt, der über einen Generator ins Stromnetz eingespeist wird.
Biomethan: Bioenergie St. Lorenzen plant den Umstieg
Viktor Wierer, Obmann der Bioenergie St. Lorenzen, treibt ein ehrgeiziges Projekt von der bisherigen elektrischen Stromproduktion hin zur künftigen Biomethan-Produktion zielbewusst voran.


Vorteilhafte Gülleinjektion
Beim Vergären der Gülle entsteht nicht nur Biogas, aus dem Strom produziert wird, sondern es bleibt auch ein wertvolles Gärprodukt übrig. Die Nährstoffe dieses Naturdüngers sind für die Pflanzen besser verfügbar, weil sie weniger ätzend und reizend wirken als Gülle. Ein Spezialtraktor der Genossenschaft arbeitet das vergorene Endprodukt während der Vegetationszeit direkt in den Boden auf den Feldern der Mitglieder ein. Mit dieser schonenden Ausbringungstechnik der sogenannten Gülleinjektion werden kaum Gerüche in die Umgebung freigegeben, Emissionen werden vermieden und die Nährstoffe bleiben im Boden an der Pflanze. Heute werden weit mehr als 1.000 Hektar Fläche im Großraum Bruneck-St. Lorenzen mit dieser Technik gedüngt. Die gemeinschaftliche Ausbringung ermöglicht es zudem, jedem Feld die richtige Nährstoffmenge zuzubringen. „Für die Bauern ist die zentrale Abwicklung vom Abholen der Gülle am Hof bis zum Ausbringen des Gärprodukts auf dem Feld natürlich sehr vorteilhaft. Der genossenschaftliche Gedanke hat uns in den vergangenen Jahren darin bestärkt, diese Ausbringtechnik trotz der sehr hohen Kosten einzusetzen. In vielen anderen Regionen wird diese Technik nur durch hohe Beiträge der öffenlichen Hand verwendet. Bis jetzt haben wir es geschafft, durch einen erfolgreichen Betrieb der Biogasanlage, diesen Dienst auch ohne direkte Förderung aufrechtzuerhalten", sagt Obmann Viktor Wierer.
15 Jahre konnte die Bioenergie St. Lorenzen den aus der Gülle produzierten Bio-Strom zu einem festen Preis von 28 Cent je Kilowattstunde in das öffentliche Netz einspeisen. Dabei war die Biogasgenossenschaft eine der ersten Anlagen in Italien mit dem „prezzo omnicomprensivo“-Tarif. Dieser Fördertarif ist mittlerweile aber für die Bioenergie und viele andere Biogasanlagen ausgelaufen. Aktuell erhält die Bioenergie St. Lorenzen für den eingespeisten Strom ungefähr 10 Cent je Kilowattstunde, was in etwa dem Börsenstrompreis PUN „prezzo unico nazionale“ entspricht.

Ausgelaufene Fördertarife
Das Auslaufen der Förderzertifikate stellt viele Biogasanlagen und Biogasgenossenschaften vor große finanzielle Herausforderungen, weil der Börsenstrompreis nicht kostendeckend ist. Eine mögliche Perspektive hat sich aber Mitte des Jahres eröffnet, erklärt Elisa Brunner vom Raiffeisenverband, dem sieben Biogasgenossenschaften als Mitglieder angehören. Brunner ist Teamkoordinatorin für die Mitgliederbetreuung sowie Start-up-Betreuung und Ansprechpartnerin für die Genossenschaften im Bereich Energie & Wasser. Elisa Brunner: „Es wurden garantierte Mindestpreise seitens der Regulierungsbehörde im Strombereich veröffentlicht, mit denen die Stromproduktion aus Biogas für bereits bestehende Biogasanlagen vergütet werden soll. Dieser garantierte Mindestpreis ist aber kein Fixpreis, sondern wird jährlich angepasst. Laut ersten Berechnungen könnte dieser garantierte Mindestpreis zwischen 20 und 24 Cent pro Kilowattstunde liegen, womit Biogasanlagen es schaffen, die Betriebskosten zu decken und einen Teil auch für zukünftige Investitionen auf die Seite zu legen.“ Ob dieser garantierte Mindestpreis noch in diesem Jahr ausbezahlt werden kann, ist derzeit offen.
Für neue Biogasanlagen mit Stromproduktion sieht ein Ministerialdekret vom August hingegen einen fixen Fördertarif von 23,3 Cent pro Kilowattstunde für 20 Jahre. Wie Brunner betont, werden Kontingente ausgeschrieben im Zeitraum von 2024 bis 2028, wo es auch möglich ist, mit diesem Fördertarif neue Biogasanlagen zu bauen, zu finanzieren und zu amortisieren.
Gefördert wurde in den letzten Jahren und auch dieses Jahr der Umstieg auf Biomethanproduktion „Leider ist es für den Großteil unserer Biogasgenossenschaften nicht möglich, auf Bio-Methan umzusteigen, da für den Umstieg bestimmte Voraussetzungen gegeben sein müssen, wie beispielsweise der Standort nahe einer bestehenden Gasleitung, eine bestimmte Größenordnung und genügend angeschlossene Großvieheinheit, um eine Bio-Methangas-Anlage auch nachhaltig und rentabel zu führen“, sagt Elisa Brunner.

Bisher Strom, künftig Biomethan
Als einzige Genossenschaft in Südtirol rüstet sich die Bioenergie Genossenschaft St. Lorenzen derzeit auf die Umstellung von der bisherigen Stromproduktion aus Biogas auf die künftige Produktion von hochwertigem Biomethan. Dafür wird sie die Kapazität der Anlage um ein Drittel erweitern – auch weil zusätzliche landwirtschaftliche Betriebe als Mitglieder beitreten möchten, und an die sieben Millionen Euro investieren.
Benötigt werden zudem eine Spezialfiltrierungsanlage, eine Hackschnitzelanlage und eine Fotovoltaikanlage von ungefähr 300 Kilowatt elektrisch für den Eigenstrom und Eigenwärmeverbrauch. Außerdem müssen neue Lagerbehälter geschaffen werden, die künftig die Mehrmenge an Material aufnehmen und lagern zu können. Obmann Viktor Wierer: „Der Staat versucht das grüne Gas möglichst zu fördern. Der Gesetzgeber sieht dafür entsprechende Investitionsbeiträge vor und zusätzlich gibt es für 15 Jahre einen garantierten Tarif, der in diesem Fall in etwa 12 bis 12,5 Cent pro Kilowatt thermisch beträgt. Das sind interessante Rahmenbedingungen, die diese Investition rechtfertigen.“
Doch was ist der Unterschied zwischen Biogas aus Gülle und Methangas? Es wird immer dasselbe Biogas erzeugt, allerdings wird das Biogas künftig über eine Filtrierungsanlage mit Membranen so aufbereitet, dass den Methananteil von bisher 55 Prozent auf die nahezu 100 Prozent erhöht. Dadurch entsteht ein Gas, das dem Erdgas gleich- oder sogar höherwertig ist.
2,5 Megawatt an thermischer Dauerleistung
Das Biomethan, das die Genossenschaft künftig erzeugen will, kann direkt in das Leitungsnetz der Südtirolgas AG eingespeist werden, die direkt an der bestehenden Biogasanlage vorbeiführt. Technisch gesehen funktioniert das so, dass die Bioenergie St. Lorenzen das künftig produzierte Biomethangas an den Gestore Servizi Energetici GSE verkauft und dafür mit dem fixen Tarif entschädigt wird. Auch kann die Genossenschaft mit direkt Südtiroler Betrieben, die einen hohen Gasverbrauch haben, Verträge abschließen und das Bio-Methangas virtuell verkaufen. „Also jeder, der am Gasnetz hängt, kann unser Gas erwerben und wir können direkt einen Vertrag mit dem Endabnehmer machen“, erklärt Obmann Wierer.
Die Genossenschaft plant, eine Dauerleistung von ungefähr 2,5 Megawatt an thermischer Leistung in das Netz einzuspeisen und rechnet mit einem jährlichen Umsatz von 2,5 bis 3 Millionen Euro. „Allerdings sind unsere Betriebskosten der Anlage sehr hoch, was eine sehr gute Kalkulation benötigt, um dieses Projekt auch wirtschaftlich tragen zu können“, sagt Wierer zum geplanten Umstieg von der bisherigen Stromproduktion aus Biogas hin zur Biomethan-Produktion.
Projekt vor der Ausschreibung
Derzeit befindet sich die Genossenschaft in der Phase der Projektausschreibung und wartet u.a. noch auf den positiven Bescheid der staatlichen Regulierungsbehörde. Auch eine definitive Lösung für einen Standort für neue zusätzliche Lagerbehälter ist im Moment noch ausständig. Obmann Wierer rechnet aber damit, im Laufe des nächsten Jahres mit dem Bau und zum Schluss auch mit der Bio-Methangas-Produktion zu beginnen. Mit der Umrüstung auf Biomethan-Produktion ist laut Wierer die Entwicklung der Genossenschaft und ihrer Mitglieder für die nächsten 15 Jahre gesichert. Er blickt aber bereits darüber hinaus und sieht später auch ergänzend in der Wasserstoffproduktion eine interessante Perspektive für die Genossenschaft, sobald dies auch marktreif ist.