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Carmen Zwick: „Gestalten – das liegt mir.“

Carmen Zwick ist selbstständige Wirtschaftsberaterin. Gemeinsam mit zehn Mitarbeitenden führt sie eine Kanzlei in Mals und Meran, in der sie Kund*innen aus verschiedensten Branchen in den Bereichen Buchhaltung, Lohnbuchhaltung, Bilanzierung und Steuerberatung betreut. Für den Verband der Obst- und Gemüseproduzenten aus dem Vinschgau (Vi.P) engagiert sie sich als einzige Frau im Kontrollausschuss. Im Interview erzählt sie, wie es dazu kam – und wie sie Führung versteht.

Raiffeisen Nachrichten: Sie sind die einzige Frau im Kontrollausschuss der Vi.P. Wie kam es dazu, dass Sie sich aufstellen ließen?

Carmen Zwick: Das hat eine Vorgeschichte. Mein Vater war früher Präsident des Kontrollausschusses. Er war – wie ich jetzt – externes Mitglied und Wirtschaftsberater. Als er sich dem 80. Lebensjahr näherte, hat er sich aus den Gremien zurückgezogen. Vi.P-Direktor Martin Pinzger fragte ihn damals: „Warum fragst du nicht deine Tochter? Das wäre wie eine Hof-Übergabe – auch passend zum Thema Landwirtschaft.“
Mein Vater kam immer begeistert von den Sitzungen zurück, obwohl er kein Landwirt war. Für mich war es anfangs eine Herausforderung, da ich ebenfalls nicht aus der Landwirtschaft komme. Aber im Kontrollausschuss geht es ja in erster Linie um die Kontrolle der Organisation – vergleichbar mit einem Aufsichtsrat. Da braucht es jemanden mit den Qualifikationen einer Revisorin. Das ist ein enger Kreis – und so hat es sich ergeben. Ich bin froh, dass ich zugesagt habe.

Was begeistert Sie an der Aufgabe?

Es ist ungemein spannend. Die Vi.P ist ein großer Betrieb. Bei jeder Sitzung lerne ich etwas Neues, das ich aus meinem Berufsalltag nicht kenne. Wenn es um technische Details geht, frage ich nach. Es wird über Produktion, Vermarktung, Anbautechnik oder Qualität gesprochen – da fehlt mir manchmal sogar der Wortschatz (lacht). Aber die Obmänner unterstützen mich sehr und erklären alles geduldig. Sie wollen, dass ich wirklich verstehe, worüber ich mitentscheide.

Konnten Sie sich bereits inhaltlich einbringen?

Ja, vor allem bei Themen wie Personal, Buchhaltung, Bilanz oder Investitionen – da bringe ich mein Fachwissen ein. Bei anderen Themen vertraue ich auf die Einschätzung der Obmänner. Wenn sechs oder sieben von ihnen einer Meinung sind, wird es schon der richtige Weg sein (lacht).

Wie ist es für Sie, als einzige Frau im Gremium zu sein?

Das ist für mich kein Thema. Ich bin auch in anderen Gremien aktiv – etwa im Landesverband der Eigenverwaltungen oder in Verwaltungsräten von Kunden – und oft die einzige Frau. Bisher habe ich immer die Erfahrung gemacht: Sobald die anderen merken, dass Fachkompetenz da ist, zählt das – und nicht mehr das Geschlecht.

Was bedeutet Führung für Sie?

Führung heißt, strategische Entscheidungen zu treffen und sich mit Menschen auseinanderzusetzen. Es geht um Weitblick – über das laufende Jahr hinaus. Ein Unternehmen weiterzubringen, zu stärken, passende Maßnahmen zu treffen – auch in Krisenzeiten. Führung bedeutet in erster Linie: entscheiden.

Wie erleben Sie diese Rolle persönlich?

Ich habe die Kanzlei von meinem Vater übernommen und bin seit 20 Jahren selbstständig. Vieles, was eine gute Führungskraft ausmacht, habe ich mir im Laufe der Zeit angeeignet. Führung kann belastend sein – man trägt nicht nur Verantwortung für sich, sondern auch für das Team. Das geht oft über acht Stunden hinaus – in den Abend oder das Wochenende hinein.

Sie haben dennoch einen Weg gefunden, der für Sie passt?

Ja, daran habe ich lange gearbeitet. Ich habe viele schwierige Situationen erlebt und bin an meine Grenzen gekommen. In den letzten drei bis vier Jahren habe ich meine Führungsrolle klarer definiert, mehr Verantwortung abgegeben und operative Aufgaben delegiert. Anders kann man sich heute als Kanzlei nicht mehr auf dem Markt behaupten. Man muss sich ständig weiterentwickeln und sich an veränderte Kundenbedürfnisse anpassen.

Welche Eigenschaften helfen Ihnen dabei?

Meine Empathie – vor allem im Umgang mit Mitarbeitenden. Sie wissen, dass sie sich auf mich verlassen können. Ich lasse mich nicht so leicht aus der Bahn werfen und kämpfe mich durch, bis es funktioniert. Ich habe eine ruhige, klare Art. Was mir außerdem hilft, ist Delegieren – und gutes Zeitmanagement. Das war lange meine größte Herausforderung. Heute arbeiten wir in vielen Bereichen mit standardisierten Prozessen.

Wie stehen Sie zum Thema Macht?

Das habe ich mir noch nie bewusst überlegt. Das Wort „Macht“ habe ich für mich nie verwendet – es klingt nach Diktatur. Wenn man es aber mit „Machen“ gleichsetzt, wird es spannend: machen, gestalten, etwas in Bewegung bringen – das liegt mir. Ich wäre sicher nicht glücklich, wenn ich nur ausführen müsste.

Gab es Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Meine Situation war besonders: Mein damaliger Mann – inzwischen Ex-Mann – ist zu Hause bei den Kindern geblieben. Das war sehr selten. Wir haben die Rollen komplett getauscht, und daher hatte ich eine große Unterstützung und konnte schon eine Woche nach der Geburt wieder im Büro sein – anfangs mit dem Kind im Laufstall neben mir. Auch meine Mutter hat geholfen. Meinen zweiten Sohn habe ich sogar zu Verwaltungsratssitzungen mitgenommen. Viele Frauen haben es schwerer, weil sie zusätzlich Haushalt und Kinder stemmen müssen. Das wird wohl auch nie ganz verschwinden.

Fördern Sie bewusst Frauen?

Ich habe kaum Gelegenheiten dazu. Ich bin nicht der Typ, der Frauen aktiv anspricht und sagt: „Bewirb dich.“ Aber ich unterstütze, wo ich kann.

Wenn Sie zwei gleich qualifizierte Bewerbungen erhalten – von einem Mann und einer Frau – entscheiden Sie sich dann für die Frau?

Nein, ich schaue, wer besser zur Stelle passt – auch zwischenmenschlich. Aktuell arbeiten zwei Männer und acht Frauen bei uns – das sieht nach Frauenförderung aus, hat sich aber so ergeben. Mich interessieren keine Schulnoten. Ich frage eher: Welches Entwicklungspotenzial steckt in der Person?

Hatten Sie als Frau jemals das Gefühl, benachteiligt zu sein?

Nein, zumindest nicht in meinem Beruf. Da zählt die fachliche Kompetenz. Ich habe eher das Gefühl, dass ich als Frau manchmal sogar einen Vorteil habe – weil Kunden einer Frau gegenüber oft ruhiger und toleranter sind und sich weniger schnell aufregen.

Wo finden Sie Ausgleich zu Ihrer Arbeit?

Laufen ist meine große Leidenschaft – aber auch Skifahren und Radfahren. Ich bin Mitglied beim ASM Merano Atletica. Vor ein paar Jahren habe ich für einen Marathon trainiert. Jetzt laufe ich zwei Mal pro Woche – und nehme gelegentlich an Wettkämpfen teil, einfach weil es Spaß macht.

Wenn Sie sich in drei Worten beschreiben müssten – welche wären das?

Durchhaltevermögen, Empathie und Zielorientierung. Ich brauche immer ein Ziel, auf das ich hinarbeiten kann.

Und worauf arbeiten Sie gerade hin?

Mein derzeit größtes Ziel ist es, die Kanzlei so aufzustellen, dass sie auch ohne mich funktioniert. Prozesse sollen standardisiert laufen, sodass ich auch mal zehn Tage weg sein kann. In den nächsten fünf Jahren möchte ich das erreicht haben.

Wie bekommt man mehr Frauen in die Gremien landwirtschaftlicher Genossenschaften?

Es braucht beide Seiten. Die Genossenschaften müssen aktiv auf Frauen zugehen – das passiert bisher kaum. Ich habe extra bei den Mitgliedsgenossenschaften nachgefragt, weil mich das interessiert hat. Frauen sind genauso kompetent wie Männer – das kann sich jede zutrauen. Es ist spannend, weil man viel lernt. Eine wertvolle Erfahrung, die ich nur empfehlen kann.

Warum sind Ihrer Meinung nach noch so wenige Frauen in diesen Gremien vertreten?

Die Mentalität ist noch nicht überall so weit. Auch einige Obmänner bestätigen mir, dass es Vorbehalte gibt – da ist man im Vergleich zu anderen Bereichen, etwa bei Banken, noch ein Stück hinten.

Dort gibt es eine verpflichtende Frauenquote. Was halten Sie davon?

Ich glaube nicht, dass es die Quote unbedingt braucht. Sie wird ohnehin oft nicht erfüllt, weil sich nicht genug Frauen aufstellen lassen. Viel wichtiger ist es, Frauen zu motivieren – und auf sie zuzugehen. Es braucht wirklich beide Seiten. Ich werde mich in meinem Amt in der V.I.P. dem Thema jedenfalls weiterhin widmen.

Vielen Dank für das Gespräch!