Und wir sind heute 13 Monate danach immer noch in dieser Situation, dass wir uns zwar mittlerweile damit arrangiert haben, aber mit diesen Nachwirkungen auch weiterhin leben müssen. Das hat jetzt nicht nur die europäische, italienische oder Südtiroler Obstwirtschaft getroffen, sondern eigentlich den globalen Handel. Die andere Aussage in meinem Vortrag ist jene des neuen US-Präsidenten Donald Trump, der in ein Interview im November gesagt hat, er wird die Importzölle für Mexiko und Kanada in Richtung USA empfindlich steigern. Dazu muss man wissen, die wichtigsten Exportmärkte für Äpfel aus den Vereinigten Staaten sind Mexiko und Kanada. Weit über 50% der US-Exporte gehen in diese zwei Länder. Und das hat dann nur sehr kurz gedauert, bis eine Antwort der Regierungschefs der beiden Staaten da war. Die haben gesagt, falls Zölle der USA erhöht werden, werden auch sie die Zölle dementsprechend anpassen auf andere Produkte, und das seien traditionell oft landwirtschaftliche Produkte. Das heißt, allein schon die Ankündigung von Trump hat zu einem Schreckmoment der Apfelproduzenten in den Vereinigten Staaten führt.
Wie reagiert nun ein Erzeugerverband wie VOG oder auch im Vinschgau VIP auf die schnelle Veränderung der Märkte.
Was sich in den letzten Jahren geändert hat, ist zum einen, dass wir von Produktseite immer stärker darauf drängen müssen, dass wir Produkte im Sortiment haben, die auf unterschiedlichen Märkten funktionieren. Dass wir Produkte im Sortiment haben, die auch haltbar sind, sei es, wo es längere Lagerung, längerer Transportwege usw. verkraften, da wir halt auf diese sehr schnellen und raschen Marktveränderungen auch rasch reagieren müssen. Wir können das allerdings nicht durch eine kurzfristige Umstellung der Produktion, weil unsere Produktion das nicht ermöglicht, sondern wir können es nur durch eine Umstellung der Vertriebswege der Vertriebsziele gehen. Wir als VOG haben uns auf die Fahne geschrieben, dass wir uns so breit wie möglich aufstellen, um einfach alle Möglichkeiten zu haben und Mengen kurzfristig auch von einem Zielland ins andere Zielland zu verschieben.
Sie haben den europäischen Markt aufgezeigt mit den größten Apfelproduzenten in Italien, Polen und Frankreich. Gleichzeitig verwiesen sie darauf, dass der große Konkurrent eigentlich die Türkei sei.
Es ist richtig und wir produzieren heute in Europa zwischen 10 und 13 Mio. Tonnen Äpfel. Davon gehen rund 6 Mio. Richtung des Frischmarktes innerhalb von Europa, ein nicht unerheblicher Anteil auch der italienischen Äpfel geht auch außerhalb Europas und gerade dort sind eben auch andere Player sehr wichtig. Und wenn man sieht, dass die türkische Produktion in den letzten 5 Jahren von 3,8 auf 4,8 Millionen gestiegen ist, das heißt, in der Türkei wurden in den letzten 5 Jahren 1 Mio. Tonnen mehr produziert, das entspricht der heutigen Südtiroler Produktion, dann sieht man, was es hier für Potenziale gibt und vor allem, was viel wichtiger ist, wenn man weiß, dass im gleichen Zeitraum die Exportmengen von knapp zweihunderttausend auf über 1,6 Millionen gestiegen sind, dann sieht man eigentlich, welchen Einfluss auch ein Land im internationalen Handel haben kann.
Sie sagten im Vortrag, die zukünftige Bearbeitung des Marktes kann nur gemeinsam erfolgen, mit allen in der Wertschöpfungskette beteiligen, vom Beratungsring, von den Verbänden, von den Genossenschaften bis hin zu den Obstbauern. Was kommt auf die Obstbauern also zu, was sind die Herausforderungen?
Der Klimawandel ist heute ein Faktum, das man nicht verleugnen kann. Wir haben immer mehr extreme Wetterereignisse – auf der anderen Seite müssen wir aber immer genauer und zielgerechter produzieren, ein haltbares Produkt haben, oft auch in kürzeren Zeitintervallen die Ernte über die Bühne bringen. Die Herausforderungen für die Produzenten sind also mannigfaltig. Sie produzieren unter freiem Himmel und dementsprechend sind den Produzenten natürlich auch gewisse Limits gesetzt. Es kann nur gemeinsam gehen mit allen Beteiligten in unserer Wertschöpfungskette – und das hört nicht bei den Obstpartner oder bei der Genossenschaft auf, sondern auch unsere Handelspartner müssen da mitspielen, damit wir die Wertschöpfung für unsere Produkte halten und im Idealfall erhöhen können.
Der Obstbauer will für sein Produkt einen entsprechenden Preis, und da viel in ihrem Vortrag mehrmals die Kennzahl Euro pro Hektar. Was bedeutet das also in Zukunft, woran muss man sich da messen?
Jeder Produzent, jeder Bauer ist für sich ein kleines oder größeres Unternehmen und jedes Unternehmen strebt natürlich danach, kostendeckend beziehungsweise gewinnorientiert zu arbeiten. Und das heißt, man muss eine gewisse ausreichende Menge produzieren. Der Preis ist auch marktabhängig und kann nicht ins Unendliche gesteigert werden. Das ist leider Gottes so. Wir haben die letzten Jahre gesehen, dass ein Äpfel auch eine Preissteigerung schafft, zum Glück, denn es war auch absolut notwendig, diese Preissteigerung durchzusetzen. Aber es ist nicht so, dass nur eine Preissteigerung die Wertschöpfung optimiert. Das heißt, wir brauchen einfach auch eine gewisse kontinuierliche solide Produktionsmenge. Auf der anderen Seite ist es auch so, jedes Unternehmen muss die eigenen Kosten im Griff haben und das ist auch ein Punkt, an dem jeder Produzent arbeiten muss.
Das heißt, es ist nicht so, dass ein kleiner Obstbaubetrieb in den nächsten Jahren unbedingt mehr Obstfläche brauchen wird, um auch in Zukunft gut über den Runden kommen?
Wir in Südtirol – und hier beneiden uns eigentlich weltweit alle Produzenten – sind immer noch in der glücklichen Lage, auch im kleinstrukturierten bäuerlichen Umfeld ein Auskommen zu erzielen. Wir sind ein hochprofessioneller Produktionsstandort für Äpfel, unsere Produzenten sind sehr professionell unterwegs und schaffen es dementsprechend auch. Es gibt sicherlich Situationen, wo Kleinstbetriebe nicht rentabel arbeiten können, beziehungsweise eben einen Zu- und Nebenerwerb noch brauchen. Nichtsdestotrotz ist es jetzt nicht so, dass unsere Produzenten extrem expandieren müssen, um auch in Zukunft ein Auskommen zu haben.
Sie nahmen an der Podiumsdiskussion teil, bei der es um Wachstumspotenziale in der Obstwirtschaft und um Optimierung ging. Welche Botschaft war ihnen für die vielen Obstbauern wichtig?
Die Botschaft an die Produzenten aus Vermarktungssicht ist sehr einfach: wir brauchen konstant hohe Mengen mit der richtigen optimalen Qualität. Das heißt, wir dürfen nicht nur auf Menge produzieren und die Qualität vernachlässigen, wir dürfen allerdings auch nicht nur auf Qualität produzieren und die Menge vernachlässigen, sondern wir müssen das Optimum finden. Für jede Sorte ist das ein anderes. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass sich die Welt schneller dreht und dass halt auch Veränderungen von außen auf uns kommen. Wir müssen uns auch daran gewöhnen, dass gewisse Zertifizierungen, gewisse gesetzliche Vorgaben, einfach auch ein notwendiges Beiwerk dieser Entwicklung sind und können uns hier nicht immer diesen verschließen. Es ist mir sehr wohl bewusst, dass es ein Zusatzaufwand ist, aber es braucht diesen Zusatzaufwand nicht, um einen Marktvorteil zu haben, sondern um überhaupt im Markt weiterhin bestehen zu können. INTERVIEW: THOMAS HANNI