In die Kerbe der Frau in Führung schlugen gestern alle Referentinnen beim Abend „Pionierinnen des Wandels – Die Rolle der Frauen im Genossenschaftswesen.“
Für die Vorsitzendes des Arbeitskreises „Frauen in der Führung von Genossenschaften“, Ursula Thaler, war der vollbesetzte Saal ein Zeichen dafür, mit wie viel Begeisterung sich nunmehr Frauen in der Führung einbringen. „Veranstaltungen wie diese werden von unserem Arbeitskreis organisiert, um Frauen aus den verschiedensten Bereichen– von Finanzen über das Sozialwesen bis hin zur Landwirtschaft – zu bestärken, sich vermehrt in Genossenschaften einzubringen, denn gemischte engagierte Teams arbeiten am besten.
“Als „Katalysator für den gesellschaftlichen Wandel“ bezeichnete Autorin Sabina Mair die im 16. Jahrhundert wirkende Claudia de‘ Medici in Tirol - auf sie ist das Merkantilmagistrat in Bozen zurückzuführen, die ersten zweisprachigen Handelsgesetze in Südtirol und auch die Anfänge des so bedeutsamen Feuerwehrwesens. „Die Förderung von Selbsthilfe als Grundlage für lokale und soziale Weiterentwicklung war ihr stets wichtig“, umriss Sabina Mair in ihrem Vortrag das Wirken der 1633-48 herrschenden Regentin von Tirol.
Landesrätin Rosmarie Pamer verwies in ihren Grußworten auf die grundlegende Bedeutung von Vorbildern, um Frauen für Führungsrollen zu motivieren: „Für mich war es in der Politik Waltraud Kofler, denn sie hat den Weg für viele geebnet: als ich in die Gemeindepolitik eingestiegen bin, war ich die einzige Frau von 15 Gewählten im Gemeinderat. Bei meinem Wechsel in die Landespolitik war dann das Gleichgewicht von 50:50 Prozent im Gemeindeausschuss gegeben. Heute in meiner Funktion als Landesrätin für das Genossenschaftswesen ist es ungemein wichtig, den Genossenschaften Gehör und Sichtbarkeit zu schenken. So ist es auch das erste Mal, dass die Genossenschaften explizit in einem Ressort genannt sind.“
Der Obmann des Raiffeisenverbandes, Herbert Von Leon, ermutigte die Frauen, Angebote für Führungsaufgaben zu übernehmen: „Anders als Männer, die gefragt werden, ob sie eine höhere Position übernehmen wollen, zweifeln Frauen vielfach, ob sie der Rolle gerecht werden können. Ich sehe große Chancen im Generationenwechsel, denn junge Frauen sind selbstbewusster. Das Selbstverständnis, sich aktiv einzubringen, habe ich auch meinen Töchtern mitgeben wollen auf ihrem Lebensweg.“
Ulrike Oberhammer, Präsidentin des Landesbeirates für Chancengleichheit, beleuchtete in ihrem Beitrag „Von der Ausnahme zur Regel? Frauen in Führung“ die Entwicklung weiblicher Führungsrollen. Ausgehend vom Umstand, dass Frauen 50 Prozent der Weltbevölkerung stellen, aber laut dem internationalen Index für die Geschlechtergleichstellung bei der jetzigen Geschwindigkeit noch 123 Jahre für eine wahre Gleichstellung benötigen würden, sei noch viel zu tun. „Seit 2022 sind Frauen in Führungspositionen gar rückläufig. Deswegen müssen wir auch rechtlich immer wieder Mittel ausschöpfen, um eine Gleichstellung zu erwirken. Auch die Überprüfung der börsenquotierten Unternehmen durch die Consob hilft uns beispielsweise, die korrekte Einhaltung der repräsentierten Geschlechter in den Gremien zu gewährleisten.“
Clara Mazzucchi, Obfrau der Einkaufsgenossenschaft Famiglia Cooperativa Ronzo Chienis und Vize-Präsidentin von Confcooperative Consumo e Utenza, erzählte, wie sie als erste Frau immer wieder die „gläserne Decke“ durchbrochen habe: „Als es beispielsweise galt, die Mitgliedskarte der Einkaufsgenossenschaft zu unterschreiben, wurde wie selbstverständlich mein Mann darum gebeten. Ich habe aufgezeigt, dass ich selbst Mitglied werden wolle, um in den Folgejahren auch verantwortungsvolle Rollen zu übernehmen. Es ist wichtig, immer wieder aufzuzeigen, dass man gewillt ist, aktiv mitzuwirken, denn dann kann man viel erreichen.“
Maria Wurz lenkte den Blick auf die Bankenweltund erzählte von ihrem Werdegang bei der Raiffeisenkasse Welschnofen, von der Aufsichtsrätin über die Jahre als Verwaltungsrätin hin zur Obfrau: „Als ich einstimmig zur Obfrau gewählt wurde, war das ein starkes Zeichen der Wertschätzung.“ Sie unterschlug nicht, dass es auch schwierige Phasen gab, so die unerwarteten Kontrollen von Seiten der Aufsichtsbehörde, die es mit kühlem Kopf und viel Empathie für die Belegschaft zu begleiten galt.
Einen Einblick in die überaus arbeitsintensive Sparte der Landwirtschaft gab Franziska Schilcher, Aufsichtsrätin im Lagerhaus Graz-Land und Verwaltungsrätin im Österreichischen Raiffeisenverband. Sie führt mit ihrem Mann einen Milchviehbetrieb mit einer großen Forstwirtschaft sowie der Haltung von Wagyu-Rindern. „Wenn man bedenkt, dass mein Mann auch in einer Bank arbeitet und wir jedes Wochenende eingespannt sind, so bin ich mir bewusst, dass die nächste Generation sehr kritisch auf dieses Leben voller Arbeit blickt. Mich einzubringen, vor allem seit über 30 Jahren als Verwaltungsrätin im Lagerhaus und in unserer kleinen Wärmeversorgungsgenossenschaft bis hin zum Österreichischen Raiffeisenverband, ist ungemein wichtig. Ich plädiere neben mehr Frauen in den Verwaltungsräten aber auch für eine andere Art der Diversität, jene des Alters: wir müssen uns in den Gremien stark verjüngen.“
Durch den Abend führte gekonnt Astrid Schweiggl, Leiterin des Bereichs Beratung & Kommunikation im Raiffeisenverband und Mitglied des Arbeitskreises „Frauen in der Führung von Genossenschaften. Ziel des Abends war es, Erfahrungen sichtbar zu machen, inspirierende Impulse zu geben und den Austausch über alle Sparten hinweg zu fördern. Rund 100 Verwaltungs- und Aufsichtsrätinnen sowie weibliche Führungskräfte aus den Mitgliedsgenossenschaften waren der Einladung des Arbeitskreises „Frauen in der Führung von Genossenschaften“ gefolgt.
Im Anschluss an das Podiumsgespräch mit den Vorreiterinnen wurde noch länger in den architektonisch ansprechenden Räumlichkeiten der Kellerei Schreckbichl beim gemeinsamen Umtrunk diskutiert.



