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Die Sozialgenossenschaft IARTS: ein Netzwerk für Systemiker

Sabine Cagol ist Psychologin, Psychotherapeutin, systemische Beraterin und Supervisorin. Sie arbeitet nach einem systemischen Ansatz und sieht daher Menschen in Wechselwirkung mit ihrem sozialen Umfeld. Sabine Cagol ist auch die Präsidentin der Sozialgenossenschaft IARTS. Wie die Sozialgenossenschaft entstanden ist, erzählt sie im Interview.

Raiffeisen Nachrichten: Wie geht es Ihnen als Präsidentin der Sozialgenossenschaft IARTS?

Sabine Cagol: Wir sind klein und noch am Kämpfen. Insgesamt ist es jedoch eine großartige Aufgabe. Und wenn ich mir irgendwann ein Sekretariat leisten kann, geht es mir besser.  (lacht)

Im Dezember 2019 haben Sie mit anderen Fachkräften aus dem systemischen Bereich die Sozialgenossenschaft IARTS gegründet. Warum?

Sabine Cagol: In der einen und anderen Form gibt es das IARTS als Institut bereits seit 25 Jahren. Früher war es ein Verein, dann war es kurz gar nichts und dann ein Projekt der Sozialgenossenschaft EOS in Bruneck ohne Rechtsschachtel. Jetzt haben wir IARTS als Sozialgenossenschaft mit Sitz im Zentrum von Bozen neu gegründet, weil es uns wichtig ist, das systemische Gedankengut in Südtirol zu verbreiten. Wir möchten unseren Kollegen und Kolleginnen eine gute Ausbildung in Südtirol bieten und langfristig ein Netzwerk unter „Systemikern“ aufbauen, also Fachkräften, die in Systemen denken. Das gelingt uns, weil wir Kurse anbieten, die nicht nur für Psychologen und Psychologinnen offen sind, sondern auch für Menschen, die in der Sozialassistenz oder im pädagogischen Bereich arbeiten. Den Austausch untereinander finde ich wichtig und die Leute schätzen das.

Was bietet die Sozialgenossenschaft IARTS genau?

Sabine Cagol: Wir bieten Seminare und Lehrgänge im pädagogischen, ärztlichen psychologischen und psychotherapeutischen Bereich und Ausbildungen für Führungskräfte: Wir arbeiten dabei nach strengen Gütekriterien. Außerdem verfügen wir über eine Gruppe von systemisch geschulten Fachkräften, die Supervision und Coaching für Organisationen und Firmen anbieten. Die Supervisorinnen und Supervisoren sind untereinander im Austausch und reflektieren Ihre Arbeit durch Intervision und Supervision um hohe Qualitätsstandards garantieren zu können. Sie besprechen sich bei Schwierigkeiten im Team auch mit externen Personen.

Die Anfragen für Firmencoaching haben in der letzten Zeit zugenommen. Auch weil vielen Unternehmen die psychische Gesundheit ihrer Angestellten immer wichtiger wird. Einige Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden inzwischen auch anonyme psychologische Beratung über uns.

Wer nutzt das Angebot der Sozialgenossenschaft IARTS?

Sabine Cagol: Im Bereich Fort- und Weiterbildung sind Menschen aus dem psychosozialen Bereich unsere Zielgruppen. Klinisch arbeiten wir im Einzelsetting, mit Paaren, Eltern und Familien. Und wie gesagt, immer mehr Firmen kommen auf uns zu, auch weil sie merken, dass die traditionelle Art der Führung über Macht und Kontrolle an ihre Grenzen stößt. Die junge und ganz junge Generation (Generation XY und Alpha) hat andere Werte. Sie brauchen kompetente Führung, Wertschätzung und ein gutes Arbeitsklima, sonst können sie nicht arbeiten. Sie interessieren sich eher für weiche Faktoren, wie maximale Flexibilität, Agilität und Sinn, sie wollen mitgenommen werden und mitreden. Dienstauto, bezahlte Überstunden und Statussymbole – das interessiert sie weniger.

Mit dem Lehrgang „Neue Autorität“ vermitteln wir einen Führungsstil, der den Anforderungen der Zeit entspricht. Führung ist im Moment ein großes Thema für alle Menschen in Führungspositionen, unabhängig von der Branche. Für uns ist das spannend, da es hier nicht um Pathologien oder Probleme im klinischen Sinne geht, sondern eher darum eine Haltung zu vermitteln.

Was kann man sich unter „Neuer Autorität“ vorstellen?

Sabine Cagol: „Neue Autorität“ ist eigentlich ein pädagogisches Konzept, das man auch im Bereich Führung anwenden kann. Es ist eine Haltung für alle Menschen einer Organisation. In Österreich und Deutschland führen bereits viele Organisationen und große Strukturen nach dem Konzept der Neuen Autorität. Das Modell greift gut und meiner Erfahrung nach sogar besser als andere pädagogische Konzepte. In Südtirol findet das Konzept inzwischen auch Eingang in Schulen und anderen Bereichen. Meine Kollegin Kathrin Schneider coached beispielsweise in Österreich gerade Bürgermeisterinnen. Auch der erste Lehrgang über „Neue Autorität“ in Bozen hat großen Anklang gefunden. Im Prinzip ist Neue Autorität systemisch und daher können wir da gut mitgehen.

Wo liegt das größte Potential der Genossenschaft IARTS?

Sabine Cagol: In Südtirol gibt es bislang keinen Ort, wo unsere Berufsfiguren zusammenkommen. Es gibt Bildungshäuser, die Ausbildung für Psychologinnen und Psychologen anbieten, Einzelveranstaltungen, aber es gibt niemand der das hauptberuflich mit den entsprechenden Gütekriterien anbietet. Unsere Gründungsmitglieder sind alles erfahrene Expertinnen und Experten in diesem Bereich: Roger Pycha, Alberto Degiorgis, Walter Tomsu, Stefan Eikemann, Renate Moroder, Edmund Senoner, Claudia Lambeck, Verena Pescolderung, Josef Roman Pichler, Markus Rubner und ich. Ich denke schon, dass wir etwas Einzigartiges sind in diesem Bereich. Mir gefällt auch die Idee, nicht nur im klinischen Bereich zu verharren. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Angebote im Bereich Firmencoaching oder Leadership-Training gut funktionieren.

Was wünschen sie sich für die Genossenschaft in den nächsten 25 Jahren?

Sabine Cagol: Ein Traum bleibt eine Systemische Psychotherapieausbildung die Therapieausbildung für Systemiker nach Südtirol zu holen. Denn damit legt man den Grundstein für eine bestimmte Verbundenheit zum Haus. Es wachsen junge Kolleg*innen heran, ein Netzwerk von Menschen entsteht. Aktuell müssen Kollegen die sich systemsich schulen lassen wollen mindestens bis Bologna fahren, studieren Sie im Ausland gibt es leider immer noch große Probleme mit der Anerkennung ausländischer Studientitel.

Warum ist Ihnen die Verbreitung des "Systemischen" so wichtig?

Sabine Cagol: Gerade bei Covid hat man gesehen, dass es immer um Systeme geht. Im Dezember 2019 haben wir die Sozialgenossenschaft IARTS gegründet und für mich war ganz klar, dass Covid und die Einschränkungen massive Auswirkungen auf die Psyche und das Soziale haben. Systemisch geschulte Menschen, denken da weiter und stellen sich die Frage: Wie viel bewegt eine Krankheit und wie arbeiten Systeme zusammen? Wenn sich in einem System irgendetwas verändert, hat das Auswirkungen auf alles und das ist schon ein Gedanken, der sich lohnt.

Andere Ausbildungen folgen eher einem linear-kausalen Aspekt und denken in Ursache und Wirkung. Meiners Erachtens erklärt sich die Welt jedoch nicht so. Ich bin auch davon überzeugt, dass man Systeme nicht instruieren kann, sondern nur verstören. Auch Menschen kann man nur verstören oder über Dinge nachdenken lassen. Sie werden dann selbst eine Lösung für sich finden.

Wie würden sie die Sozialgenossenschaft IARTS in 3 Begriffen beschreiben?

Sabine Cagol: Netzwerkorientiert. Wir haben die Türen immer offen und bieten hochwertige Leistungen.

Auf was sind sie besonders stolz, wenn sie an die Genossenschaft IARTS denken?

Sabine Cagol: Mich freut es immer, ein neues Programm zu erarbeiten. Ich höre mich viel um und frage bei Menschen, Kollegen und Diensten nach, was sie brauchen. Jetzt versuchen wir beispielsweise - in Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck - eine Notfallpsychologie zu organisieren, weil es einfach wenige Notfallpsychologen gibt. Das Programm entwickelt sich und wenn sich jemand einschreibt, ist das schon mal großartig. Und wenn dann am ersten Tag des Kurses die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Tür hereinkommen, da entsteht etwas: Teilweise kennen sie sich auch untereinander oder man lernt sich kennen. Mich freut es, zu sehen und zu wissen, dass da Veränderung passiert – jetzt ganz unabhängig von den Inhalten. Da geht es vor allem, um das gemeinsame Lernen und den Austausch. Das finde ich genial.

Vielen Dank für das Gespräch!

Sabine Cagol

Die Psychologin und Psychotherapeutin Sabine Cagol ist systemische Beraterin und Supervisorin. Sie ist auch die Präsidentin der Psychologenkammer in Bozen. Seit Dezember 2019 ist sie die Präsidentin der Sozialgenossenschaft IARTS (Systemisches Institut für Forschung und Therapie) in Bozen.