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„Genossenschaft lebt von mehr als nur einem Kopf“

Geschäftsführender Obmann – Segen oder Fluch? Mit der Zusammenlegung der beiden Führungspositionen Obmann und Geschäftsführer ist in einigen Genossenschaften ein neuer streitbarer Trend erkennbar. Auf den ersten Blick eine großartige Lösung, langfristig aber durchaus mit Nachteilen behaftet, meint Horst Völser von der Unternehmensberatung Roi Team Consultant und selbst überzeugter Genossenschafter. Er bricht eine Lanze für eine klare Trennung von Obmannschaft und Geschäftsführung zum Wohle der Genossenschaft.

Raiffeisen Nachrichten: Herr Völser, was sind die Gründe für diesen Entwicklungstrend?

Horst Völser: Einerseits ist diese Strategie teilweise dem Nachwuchsmangel in den Vorständen geschuldet, anderseits ist sie auf den ersten Blick auch eine großartige Lösung: Einsparung von Kosten, keinerlei Kompetenzgerangel, alle Informationen in einer Person konzentriert, schnelle Entscheidungen, keine unnötigen Sitzungen und Treffen. Langfristig bringt diese Lösung aber auch Nachteile mit sich, die Genossenschaftsmitglieder bei einer solchen Entscheidung mitberücksichtigen sollten.Denn Genossenschaft lebt von mehr als einem „Kopf“. Genossenschaft ist gelebtes Miteinander.

Wie sollte sich dies am besten in der Führung widerspiegeln?

Horst Völser: Optimal ist die Konstellation, bei der die Funktionen Einkauf, Produktion und Verwaltung gemeinsam das operative Führungsteam bilden - eine dieser Funktionen als Geschäftsführer. Dieses Team bespricht sich regelmäßig mit dem Obmann und nimmt dessen Sichtweise, das heißt jene des Verwaltungsrates und der Mitglieder, zur Kenntnis. Der Geschäftsführer repräsentiert dabei die Kellerei, der Obmann vertritt die Mitglieder. Starke Leitungsteams haben große Vorteile, egal ob es um neue Ideen, Entwicklungen oder um konkrete Problemlösungen geht: Themen von mehreren Seiten zu beleuchten, zu diskutieren und im Konsens zu entscheiden, das ist der Königsweg. Tatsache ist, dass beispielsweise bei den erfolgreichsten Kellereigenossenschaften im Land die Funktionen Obmann und Geschäftsführer klar getrennt sind. Die Dualität bringt also Erfolg!

Ist diese Trennung nicht gerade für Genossenschaften ein zentrales Identitätsmerkmal?

Horst Völser: Zweifellos! Eine Machtkonzentration in einer Person, die entscheidet und ausübt, führt in der Praxis regelmäßig zu Problemen. Es ist daher sinnvoll und strategisch ausschlaggebend, dass die beiden Funktionen, Obmann und Verwaltungsrat also entscheidendes Gremium – und operative Geschäftsführung, getrennt bleiben. Macht braucht Kontrolle! Es ist schwierig, wenn nicht unmöglich, zwei Interessen, die zwar oft, aber nicht immer deckungsgleich sind, zu vertreten. Da ist einmal das Interesse des Mitglieds und andererseits das Interesse des Unternehmens. Gerade im langfristigen Bereich sind differente Meinungen kaum vermeidbar. Aber auch die Kontrolle über die Tätigkeit des Geschäftsführers entfällt, da der Obmann als oberster Vertreter der Mitglieder ja gleichzeitig Geschäftsführer ist. Diese Kompetenzkonzentration führt auf Dauer unweigerlich zu negativen Ergebnissen. Die Kontrollen, die ein Rechnungsprüfer oder Revisor durchführt, sind notwendig und sinnvoll, aber niemals ein Ersatz für die Tätigkeit eines Obmanns als Vertreter der Mitglieder.

Welche Gründe sprechen noch für eine Trennung der beiden Funktionen?

Horst Völser: Da gibt es noch mehrere,beispielsweise wenn der geschäftsführende Obmann ausfallen sollte, so bleibt eine Lücke, die sich, wenn überhaupt, nur mittelfristig schließen lässt. Die Zeit bis dahin ist für jede Genossenschaft schwierig zu überbrücken. Auch die Nachfolgeregelung wird noch problematischer, da beim Abgang zwei Positionen zu ersetzen sind und eine Zwischenlösung schwierig zu „händeln“ ist.

Ist es heute nicht zunehmend schwieriger, Mitglieder zur Übernahme aktiver Verantwortung in den Gremien zu bewegen?

Horst Völser: Es ist nachvollziehbar, dass sich so manches Mitglied einer Genossenschaft überfordert fühlt, wenn es da heißt: kandidiere als Verwaltungsrat bzw. als Obmann. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass die damit verbundene zivil- und strafrechtliche Haftung für den Obmann und die Mitglieder des Verwaltungsrates mittlerweile beträchtlich ist. Doch es sind die Mitglieder einer Genossenschaft, die für ihre Genossenschaft verantwortlich sind. Sie sollten nicht nur ihre Rechte wahrnehmen, sondern auch die Pflicht zum Führen. Auch sollten sie sich nicht die Führung aus der Hand nehmen lassen. Und sie sind sehr wohl in der Lage, strategisch sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Sofern diese Entscheidungen gut dokumentiert und begründet werden, greift die obgenannte Haftung nur in den seltensten Fällen und ist damit akzeptabel. Viele Mitglieder bringen die Voraussetzungen mit, Obmann oder Verwaltungsrat zu sein: „Hausverstand“ ist gefordert sowie Nachdenken über die Konsequenzen einer Entscheidung. Wer gut den eigenen landwirtschaftlichen Betrieb führt oder erfolgreich in seinem Hauptberuf agiert, der kann sich auch als Funktionär der Genossenschaft bewähren.

Wie wichtig ist dabei gerade heutzutage der Rückhalt seitens der Mitglieder gegenüber den Verantwortungsträgern?

Horst Völser: Übernimmt nun ein Mitglied Verantwortung, egal ob als einfaches Verwaltungsratsmitglied oder als Obmann, so sollte dieser meist ehrenamtliche Einsatz auf jeden Fall mit der notwendigen Wertschätzung honoriert werden. Es ist klar, dass manchmal auch Entscheidungen getroffen werden müssen, die vielleicht nicht für jedes Mitglied richtig und nachvollziehbar sind. Die Aufgabe des Verwaltungsrates ist es allerdings, langfristig kluge Entscheidungen im Sinne aller Mitglieder und nicht für Einzelne zu treffen. Wer sich für solche ehrenamtlichen Funktionen zur Verfügung stellt, dem sollte auch mit dem gebührenden Respekt begegnet werden. Auch das gehört zur genossenschaftlichen Haltung.

Horst Völser ist Gründungspartner der Südtiroler Unternehmensberatung Roi Team Consultant. Neben seiner Haupttätigkeit ist er Mitglied der Kellereigenossenschaft Girlan, Verwaltungsrat der Raiffeisenkasse Überetsch, Präsident der EMVA, einer Fürsorgekörperschaft nach dem Genossenschaftsprinzip und vor allem: ein überzeugter Genossenschafter und ein vehementer Befürworter der Trennung von Obmannschaft und Geschäftsführung zum Wohle der Genossenschaft.