Als Konrad Palla in dieser Woche zu Besuch in der Generaldirektion des Raiffeisenhauses ist, findet er die Räumlichkeiten mit Ausnahme einiger Bilder so vor, wie er sie 2008 verlassen hat. Mit Generaldirektor Robert Zampieri spricht er über die Herausforderungen in der Führung eines Genossenschaftsverbandes, die sich erstaunlich ähnlich geblieben sind seit damals, „nur hatte ich mehr gestalterischen Spielraum.“ Das Gespräch dreht sich aber doch um seine Tochter Evelyn Palla, die die Deutsche Bahn wieder auf Schiene bringen soll.
Herr Palla, die SWZ schrieb zu Ihrem Austritt aus dem Raiffeisenverband: „Konrad Palla passt eigentlich eher in die Führungsetage eines Konzerns als in das Direktorenzimmer einer Genossenschaftsorganisation, in der es zwangsläufig ein wenig nach Landluft riecht.“ Ist dieses „savoir-faire“ etwas, das Sie Ihrer Tochter mitgeben konnten?
Mit diesen Aussagen kann ich nicht viel anfangen. Was aber stimmt, ist, dass man als Generaldirektor des Raiffeisenverbandes natürlich in einem größeren Umfeld zu tun hat - national und international. Das prägt auch die Sicht- und Denkweise. Meine Tochter Evelyn hat selbst einmal gesagt: Der Vater hat es uns vorgelebt. Generell denke ich, dass die Erziehung einen Menschen formt. Theoretisch zu lernen ist notwendig und wichtig, aber das Beispiel formt einen Menschen schon mehr. Ich hatte Pflichten zu erfüllen, hier, aber auch in Rom, Berlin und Wien.
Sie haben schon damals gesagt, der Verband sei Vordenker, Wegbereiter und Schrittmacher. Ist das etwas, was man Ihnen auf die Fahne schreiben kann?
In meiner Zeit im Raiffeisenverband war es eine gute Zeit mit ungemein viel gestalterischem Spielraum. Heute blockiert die Bürokratie ungemein. Zu meiner Zeit konnte man vorausdenken und Ideen leichter umsetzen. So konnte in der Raiffeisenorganisation vieles initiiert werden.
In der Genossenschaftswelt geht es stark um Werte, um die Gemeinschaft. Welche Werte konnten Sie Ihren drei Kindern vermitteln mit auf den Lebensweg geben?
Ich habe oft in der Familie mit meinen Kindern über die Kardinalstugenden gesprochen, über Glauben, Hoffnung und Liebe. Ich glaube daran, dass man Werte mitnehmen muss, um erfolgreich zu sein. Werte, die etwas ausdrücken, die Zukunft gestalten helfen und die Bestand haben in der Zukunft.
Zählt zu Ihrem Berufsethos auch der bedingungslose Einsatz für Ihre Arbeit?
Ich habe immer viel gehalten von der Kohärenz von Denken, Sagen und Tun - also der Übereinstimmung zwischen den Dreien. Denken sollte man nach bestem Wissen und Gewissen, das Sagen so artikulieren, dass es klar und verständlich ist und mit dem Denken übereinstimmt. Und schließlich das Tun: Man sollte auch umsetzen, was man sagt. Diese drei Dinge sind ein wesentlicher Bestandteil für die Glaubwürdigkeit eines Menschen. Das waren meine Leitmotive, denen ich versucht habe zu folgen.
Ich war im Gespräch oft ein unangenehmer Partner. Ich habe gesagt, was ich mir vorstellte und für richtig hielt – dazu muss man auch Mut aufbringen. Evelyn verfolgt diesen Grundsatz ebenfalls, wie sie bei der Deutschen Bahn gesagt hat, etwa bei der Erstellung des Strategieplans, den der Minister vorgestellt hat. Es gilt, den Menschen die Wahrheit zu sagen. Das ist zuweilen hart und passt nicht immer zur politischen Kommunikation.
Glauben Sie, dass Ihre Hinwendung zur Arbeit auch Ihrer Tochter als Vorbild diente?
Ich möchte nicht überheblich wirken, aber ich glaube, dass Beispiele entscheidend sind in der Bildung eines Menschen. Evelyn kann sehr konsequent sein, ist aber ein natürlicher, normaler Mensch geblieben – bescheiden, mit großer Bodenhaftung und Ehrlichkeit. Auch Zuverlässigkeit zeichnet sie aus.
Sie haben im RAI-Interview gesagt, dass Sie es nie für möglich gehalten haben, dass eine Ausländerin eine solche Position in Deutschland einnehmen könnte. Hat Ihre Tochter somit auch Grenzen verschoben, auch für alle Frauen, die nach ihr kommen?
Meine Tochter hat ihren Weg durch ihre Leistung und ihre Verlässlichkeit gemacht. Was sie angepackt hat, hat sie stets zu Ende geführt. Ich kann mir vorstellen, dass sie oft ein wenig mehr geliefert hat, als man von ihr verlangte.
Obwohl ich wusste, dass Evelyn einen guten Stand hatte, ist es außergewöhnlich, dass sie es in Deutschland so weit gebracht hat. Dass sie eine Frau ist, ist das eine – aber dass sie überhaupt keine politische Rückendeckung hatte, ist das wirklich Erstaunliche und Mutmachende für alle, die nach ihr kommen.
Und Sie haben ja gesehen, wie sie sich bei ihrer Vorstellung zu Wort gemeldet hat. Sie sagt, was sie meint, und spricht die richtigen Themen an. So hat sie beispielsweise betont, dass die Deutschen wieder stolz auf ihre Bahn sein sollten. Damit hat sie auch die emotionale Komponente eingebracht, denn die Deutsche Bahn ist mehr als nur Zugfahren.
Ruft ihre Tochter Sie heute noch an, um Sie um Rat zu fragen?
Wir sind sehr viel in Kontakt und haben im vergangenen Sommer auch alle zusammen Urlaub gemacht. Da redet man natürlich viel, und ich bin schon eine Art Vertrauensmann. Meinen Rat braucht sie jedoch nicht mehr. Das war in den letzten 15 Jahren nicht mehr notwendig.
Und abschließend, was ist Ihre schönste Erinnerung an die Zeit im Raiffeisenverband?
Ich habe Evelyn diese Woche zum Geburtstag geschrieben. Ich hoffe, dass sie ihre Erfolgserlebnisse aus der Sanierung heraus erreichen kann. Bei mir war es so: Wir haben viele Projekte umgesetzt – bei den Banken, der Raiffeisen Landesbank, der Informatik. Wenn solche Projekte, die uns oft viel Sorge bereitet haben, erfolgreich funktionierten, war das ein natürliches Erfolgserlebnis.
Was das Schönste war, ist schwer zu sagen. Es ist ein Mix aus vielen positiven Dingen. Ich kann auf eine Zeit zurückblicken, die mir sehr entgegenkam, weil damals mehr Spielraum war als heute.
Vielen Dank Herr Palla für das Gespräch!

