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Motor für soziale Innovation

„Brauchen wir noch Genossenschaften?“ Unter diesem Motto stand die 21. Tagung des Internationalen Instituts für Genossenschaftsforschung im Alpenraum (IGA), die Anfang November in Innsbruck stattfand.

IGA-Vorsitzender Arnulf Perkouniggbetonte gleich zu Beginn, dass die erfolgte Ernennung der Idee und Praxis der Genossenschaft zum Unesco-Weltkulturerbe kein Abgesang auf die über 150-jährige erfolgreiche Unternehmensform sei, sondern im Gegenteil eine Anerkennung für ihre Bedeutung und Wirkungskraft. Dietmar Rößl, Vorstand des Instituts für KMU-Management und Leiter des Forschungsinstituts für Kooperationen und Genossenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien, sprach zum Thema "Genossenschaften als Motor für unternehmerische und soziale Innovationen". Rößl erinnerte an die Sozialreformer F. W. Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch, die laufend soziale und unternehmerische Innovationen umgesetzt hätten. Genossenschaften sind keine Selbstläufer. Vielmehr muss der genossenschaftliche Förderauftrag auf die Anforderungen in der Gesellschaft ständig hin interpretiert werden.

Sachzielorientierung

Genossenschaften entwickeln dort neue Märkte, wo noch keine Rendite erwirtschaftet wird und erbringen kooperative Leistungen dort, wo die kollektive Leistungserbringung versagt. Menschen erleben neue Leistungsdefizite, formulieren daraus neue Sachziele und bilden eine Genossenschaft, um diese zu erreichen. Die Sachzielorientierung macht die Genossenschaften zu Treibern von sozialer Innovation, weil sie versuchen, die Probleme der Menschen vor Ort zu lösen. Als Beispiele nannte Rößl u. a. Stadtteilgenossenschaften, Genossenschaften in der Seniorenbetreuung und Pflege, in der Nahversorgung, Regionalentwicklung und in der Unternehmensnachfolge. Rößl sagte: "Die Menschen trauen den Genossenschaften zu, dass sie soziale Innovationen umsetzen, nachhaltig wirtschaften und die regionale Entwicklung fördern können". Genossenschaften mobilisieren ein großes Sozial- und Humankapital, und das sei ein wichtiger Grund für die Zukunfts- und Innovationsfähigkeit. "Auch darf man nie vergessen, dass es die Genossenschaft ist, die ein Unternehmen hat - und nicht umgekehrt", meinte Rößl.

Neue Genossenschaftsmodelle

Die systematische Entwicklung neuer Genossenschaften forderte Diplomvolkswirt Michael Stappel, Group Head der Abteilung "Research und Volkswirtschaft, Makroökonomik/Branchenresearch" bei der DZ Bank AG in Frankfurt. Er sprach zum Thema "Neue Genossenschaftsmodelle - Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit". Die Zahl der Neugründungen von Genossenschaften sei stark rückläufig, auch weil Genossenschaften über die Jahre ihre Ursprungsidee verlieren würden; nur mehr etwa fünf Prozent der Genossenschaften in Deutschland sind landwirtschaftliche Genossenschaften. Es müssten neue Genossenschaftsmodelle entwickelt werden, die den Megatrends und dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung tragen. Stappel meinte: "Genossenschaften müssen echte Vorteile und Lösungen für die Bevölkerung bringen, dann werden sie auch erfolgreich sein und sich verbreiten." Als Beispiele von Neugründungen und von neuen Genossenschaftsmodellen nannte Stappel u. a. Bioenergiedörfer, Nahwärmewerke und Dorfläden; Gewerke übergreifende Handwerkergenossenschaften, über welche Elektriker, Tischler usw. Komplettangebote erstellen, um Aufträge zu erhalten; Ärztegenossenschaften, die Bereiche IT-Bereich und Neue Energien; den Erhalt kommunaler Bäder, Sport-, Kultur- und Jugendzentren, Wohnungsgenossenschaften mit Mehrgenerationenhaus sowie Familiengenossenschaften zur gemeinschaftlichen Bereitstellung betrieblicher Sozialleistungen für die Arbeitnehmer. Stappel: "Wir brauchen nicht nur viel mehr Neugründungsinitiativen und Impulse, sondern auch eine verstärkte Bewerbung und Öffentlichkeitsarbeit für das Genossenschaftsmodell, hier liegt der Ball in erster Linie bei den Genossenschaftsverbänden."

Genossenschaften als zukunftsweisende Gesellschaftsform in der Energieversorgung. Zu diesem Thema sprach Nadja Germann, Leiterin des "Competence Center Infrastrukturen - Energie, Abfall und Recycling" am Institut Unternehmensrecht der Universität Luzern. Der Reaktorunfall in Fukushima habe vor allem die Neugründungen von Solar- und Wärmegenossenschaften in der Schweiz angeheizt, und es werde vermehrt auch über die Energiewende diskutiert. Germann gab einen Überblick über die Energieversorgungsgenossenschaften in der Schweiz und betonte: "Genossenschaften haben definitiv Zukunft im Energieversorgungsbereich". Dabei rückten immer mehr kleine, dezentrale Energieproduzenten auf den Markt. Eine wichtige Rolle spielten dabei auch das Crowdfunding und der Autarkiegedanke.

Genossenschaftsbank als Kümmerer

Hat eine genossenschaftliche Lokalbank noch Zukunft? Diese Frage stellte der Direktor der Raiffeisenkasse Bruneck Anton Josef Kosta und er meinte: "Es wird sie auch in Zukunft geben, wenn es uns gelingt, den Bedarf der Menschen und Unternehmen zu erfüllen und genossenschaftliche Solidarität zu leben." Kosta betonte die Bedeutung der lokalen Genossenschaftsbank für die Menschen vor Ort im Unterschied zur anonymen Finanzindustriebank, für die nur die Dividende zählt. Die Raiffeisenkasse fördere die wirtschaftliche Entwicklung der Mitglieder und des Tätigkeitsgebietes und biete nachhaltige Vorsorge- und Absicherungsmöglichkeiten. Dieser Förderauftrag bildet den Kern jeder Genossenschaftsbank. Durch den raschen Wandel und durch weniger verfügbare finanzielle Mittel, rücke die soziale Absicherung heute immer mehr in den Mittelpunkt, um die sich heute jeder selber vermehrt kümmern müsse. Diese neue Eigenverantwortung aufzuzeigen und entsprechende Möglichkeiten für eine finanzielle Grundversorgung der Familien zu bieten, darin liege ein wichtiger genossenschaftlicher Auftrag. Kosta sprach zudem von einem allgemeinen Schwinden von Solidarität und Mitverantwortungsgefühl und brach eine Lanze für die Neubelegung des genossenschaftlichen Solidargedankens.

In einer von Justus Reichl, Leiter der Abteilung "Genossenschaft - Strategien und Perspektiven" im Österreichischen Raiffeisenverband, geleiteten Diskussionsrunde wurden die Themen der Tagung weiter vertieft. So wurde etwa betont, dass die Mitglieder heute oft nicht mehr wüssten, was die Genossenschaft eigentlich für sie leistet und dass damit auch das Verständnis für die Genossenschaft verloren gehe. Daher brauche es eine verstärkte Kommunikation nach innen. Auch wurde ein verstärktes Engagement zum Thema Genossenschaft in den Schulen angemahnt. Zudem müssten die Handlungsfelder, für welche sich die Rechtsform Genossenschaft wirklich eignet, noch besser herausgearbeitet werden. Als ein konkretes Aktionsfeld wurde schließlich noch die starke Zuwanderung genannt. Hier könnte über genossenschaftliche Strukturen den Migranten Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden, etwa wenn es um die Aneignung von Sprachkenntnissen geht.