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Sozialgenossenschaft EFEU: „Ständige Entwicklung ist möglich“

Auf einer kleinen Anhöhe bei Brixen liegt der „Talhofer-Hof“, Sitz der Sozialgenossenschaft Efeu: sonnenseitig, umgeben von einem großen Garten befindet sich das Efeu mit seinen vielfältigen Räumlichkeiten. Hier finden Menschen mit Wahrnehmungsstörungen einen Betreuungsplatz, Halt, Unterstützung, Förderung und Selbständigkeit.

Kalt. Das ist alles was Thomas* im Moment wahrnimmt. Er hält eine Tomate in der Hand und spürt weder Form noch Konsistenz der Frucht. Für Menschen mit Wahrnehmungsstörungen ist es besonders schwierig, die sie umgebenden Reize aufzunehmen, sie zu verarbeiten und anschließend darauf zu reagieren. Ihre Wahrnehmung ist daher bruchstückhaft und ihre Welt oft chaotisch. Thomas Tastsinn ist kaum ausgeprägt. Und daher hat er - wie viele andere Menschen mit Wahrnehmungsstörungen - Schwierigkeiten zu verstehen, was um ihn herum geschieht. Wie wichtig „das Spüren“ für die menschliche Entwicklung ist, erklärt dott.ssa Giulia Zecca, Geschäftsführerin der Sozialgenossenschaft Efeu: „Über den Tastsinn erschließen Kinder ihre Umwelt, lernen ihr Umfeld kennen und leiten Regeln davon ab.“ Solche Spürerfahrungen konnte Thomas aufgrund seines Krankheitsbildes in seiner Kindheit nicht machen. Giulia Zecca vergleicht seine Situation mit einem Baum ohne, oder nur mit sehr kleinen Wurzeln: „Spürerfahrungen sind für den Menschen wie die Wurzeln für einen Baum. Sie dienen als Grundlage für die Entwicklung von Fertigkeiten – also „Astleistungen“. Bei uns sind diese Wurzeln stark ausgeprägt. Bei Menschen mit Wahrnehmungsstörungen hingegen nicht.“

Die Sozialgenossenschaft Efeu ist auf die sozialpädagogische und therapeutische Förderung von Menschen mit Wahrnehmungsstörungen spezialisiert.

Die Genossenschaft ist 2003 aus einer Elterninitiative heraus entstanden. Die betroffenen Eltern waren auf der Suche nach einer innovativen, gezielten Form von Förderung für ihre Kinder. Ein passendes Betreuungs- und Entwicklungskonzept hat die Elterngruppe schließlich in St. Gallen (CH) gefunden. Bereits kurze Zeit später wurde dann eine Tagesstätte in Brixen eröffnet, die nach dem sogenannten Affoltermodell arbeitet. Noch heute stehen die Mitglieder und Mitarbeiter der Genossenschaft Efeu in ständigem Kontakt und Austausch mit den Schweizer Kollegen. Denn alle sind von den Grundsätzen des Affoltermodells überzeugt: es besagt, dass ständige Entwicklung möglich ist - nicht nur bei Klienten, sondern auch bei den Betreuenden.

Thomas hat inzwischen die Tomate aufgeschnitten und ihm wurden dabei wertvolle Spürerfahrung vermittelt. Giulia Zecca: „Alles was wir mit unseren Klienten erleben, ergibt sich durch die Herausforderungen des Alltages.“ Wie die Geschäftsführerin erklärt, gibt es in allen Bereichen des Lebens Möglichkeiten den Tastsinn weiterzuentwickeln: im Bad genauso wie in der Küche oder beim Einkaufen, beim Putzen, im Garten beim Kräuter- und Gemüse sähen und ernten, auch beim Eis essen, Fischen, auf dem Weihnachtsmarkt oder beim Törggelen. „Wenn beispielsweise ein Stuhl kaputt wird, gehen wir in die Werkstatt und reparieren ihn zusammen. Oder wir sehen, ein Klient hat zu Hause Schwierigkeiten sich die Haare zu waschen, dann bauen wir das Problem in unsere Therapieplanung ein und versuchen durch die Affolter-Methode Lösungsmöglichkeiten dafür zu finden.“

Durch die Arbeitsmethode kann das Betreuungsteam den Alltag sehr individuell und bedarfsorientiert gestalten. Dabei werden täglich Fördersituationen eingebaut und die Klienten auf dem Weg in die für sie mögliche Selbständigkeit begleitet. Das Team besteht aus fünf Spezialistinnen aus verschiedenen Berufsfeldern: Sozialpädagoginnen, Sozialbetreuerinnen, Ergotherapeutinnen und/oder Affolter-Therapeutinnen. Mit viel Motivation und Engagement sind sie für die derzeit zwölf Klienten der Tagesförderstätte da. Der hohe Betreuungsschlüssel ist ein großer Vorteil der Sozialgenossenschaft Efeu und erklärt vielleicht u.a. auch, dass bei den Klienten im Verlauf der letzten Jahre deutliche Erfolge in der Alltagsbewältigung erzielt wurden. 

Noch heute ist die Tagessförderstätte die einzige dieser Art in Südtirol. Entsprechend groß ist auch die Nachfrage. Die einstige Elterninitiative wird inzwischen vom öffentlichen Gesundheitssystem unterstützt und der Geschäftsführerin zufolge könnte sie sich in Zukunft noch weiterentwickeln: „In Richtung Therapiezentrum mit einem multidisziplinären Team bestehend aus Physiotherapeuten, Logopäden, Ergo-, und Affolter-Therapeuten. Doch das ist derzeit noch Zukunftsmusik.“

*Der Name wurde von der Redaktion geändert