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Starker Schulterschluss aller Akteure

Die Coronakrise hat die Wirtschaft heruntergefahren. Für den Raiffeisenverband bedeutet diese Krise ein verstärktes Engagement für die Mitgliedsgenossenschaften, die in unterschiedlich starker Form betroffen sind. Das betonen Verbandsobmann Herbert Von Leon und Generaldirektor Paul Gasser im folgenden Gespräch.

Raiffeisen Nachrichten: Die Coronakrise hat zu einem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen „Lockdown“ geführt. Wie bewerten Sie diese Ausnahmesituation?

Herbert Von Leon: Die Krise übertrifft im Grunde jede Vorstellung. Sie hat mit einer unerwartet rasanten Ausbreitungsgeschwindigkeit die Welt erfasst und das gesamte Gesellschaftsleben in Mitleidenschaft gezogen. Neben den gravierenden gesundheitlichen Auswirkungen erleben wir einen bisher nicht gekannten wirtschaftlichen Stillstand.

Welche Prioritäten hat der Raiffeisenverband in dieser Krise gesetzt?

Paul Gasser: Wir sind mit einem doppelten Krisenmanagement befasst. Zum einen galt und gilt es, die Gesundheit der eigenen Mitarbeiter zu schützen und die entsprechenden organisatorischen Maßnahmen zu treffen, was beispielsweise durch die breite Nutzung der Telearbeit gelungen ist. Zum anderen stehen wir unseren Mitgliedsgenossenschaften in Krisenfragen noch stärker zur Seite. Die Anfragen der Mitglieder sind zahlreich und betreffen die verschiedensten Bereiche wie die Einschränkung der Produktion und Tätigkeitsausübung, Personal, Lohnausgleich, Versammlungsverbot, Steuern und Gebühren, Finanzplanung, Aussetzung von behördlichen Fristen und Verwaltungsverfahren sowie vieles andere mehr. Vor allem auch bei den Raiffeisenkassen ist der Beratungs- und Handlungsbedarf groß und betrifft Themen wie beispielsweise die Abhaltung der Vollversammlungen und die Liquiditätsbeschaffung. Daneben laufen derzeit aus verständlichen Gründen viele Verhandlungen mit den Gewerkschaften und den Sozialpartnern.

In der Coronakrise zählen neben der Sanität, den Apotheken und dem Lebensmittelsektor auch die Banken zu den existenziellen Einrichtungen. Was steht derzeit für die Raiffeisenkassen im Vordergrund?

Paul Gasser: Durch den wirtschaftlichen Stillstand sorgen sich die Menschen neben ihrer Gesundheit um ihre Existenz. In dieser Situation sind und waren die Raiffeisenkassen stark gefordert, weil es darum geht, den Unternehmen rasch Liquidität bereitzustellen und Darlehen zu stunden. Die Nachfrage ist entsprechend groß. Hier konnten wir als Raiffeisenverband gemeinsam mit der Raiffeisen Landesbank und in enger Abstimmung mit den anderen Lokalbanken sowie natürlich in den Gesprächen und Verhandlungen mit der Landesregierung passende Lösungen für eine zügige Hilfe finden.

Herbert Von Leon: Die Dimension dieser Krise macht deutlich: nicht eine einzelne Institution bringt die Lösung, sondern es braucht einen starken Schulterschluss aller Akteure. Ich möchte diesbezüglich anmerken, dass sich die Südtiroler Lokalbanken hier von Beginn an vorbildhaft zusammengetan und die Stundungen von Krediten angeboten haben. Auch sind sie sich weiterhin – auch gemeinsam mit der Landesregierung – der Verantwortung bewusst, die sie in einer solchen Krise als Banken für die Unternehmen und Familien wahrzunehmen haben.

Finden Sie, dass in dieser Zeit den Raiffeisenkassen als Genossenschaftsbanken eine besondere Rolle der Verantwortung zukommt?

Herbert Von Leon: Was Ärzte und Pfleger für die Gesundheit der Bürger leisten, leisten in anderer Form die Raiffeisenkassen, aber auch die anderen Banken, für die „Gesundheit“ der Wirtschaft. Es gehört zu unseren genossenschaftlichen Werten, dass wenn es uns braucht, wir dann auch da sind! Was in dieser Krise auffällt, ist aber auch die wachsende Solidarität der Menschen, eine größere gegenseitige Achtsamkeit und dass das Zusammenstehen und die Nachbarschaftshilfe an Bedeutung gewonnen haben. Werte, welche auch zur DNA der Genossenschaften gehören.

In der Finanz- und Bankenkrise 2008/9 konnten sich die Raiffeisenkassen als lokale Genossenschaftsbanken gut bewähren. Wie unterscheidet sich die damalige Krise von der heutigen?

Paul Gasser: In der Finanzkrise geriet das weltweite Finanz- und Bankensystem aufgrund fauler Wertpapiere einiger großer Institute in Schieflage und musste von den Staaten finanziell gestützt werden. Heute haben wir eine klare Krise der Realwirtschaft. Hier ist es allein mit Liquidität und Stundungen von Krediten nicht getan. Um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, braucht es auch direkte Stützungsmaßnahmen und in manchen Bereichen wird es neue Strategien für ein Wirtschaften nach Corona brauchen.

Auch die verschiedenen Genossenschaftssparten sind von der aktuellen Krise betroffen. Wie bewerten sie hier die Situation?

Herbert Von Leon: Unsere Mitgliedsgenossenschaften sind von der Coronakrise je nach Sparte durchaus sehr unterschiedlich betroffen. Besonders schwierig ist derzeit die Lage sicherlich für die Kellereigenossenschaften, denen der Markt über Nacht völlig weggebrochen ist und unter dem Stillstand im Tourismus leiden. Hier scheint eine schnelle Erholung nicht in Sicht. Stark betroffen sind auch die Sozialgenossenschaften, vor allem jene mit Tätigkeit in der Kinderbetreuung, die aus verständlichen Gründen derzeit nicht möglich ist. Bei diesen beiden Genossenschaftssparten ist es auch ein Anliegen des Raiffeisenverbandes, bei der Landesregierung dahingehend mit entsprechenden Vorschlägen einzuwirken, dass hier konkrete direkte Unterstützungsleistungen gewährt werden.

Wie bewerten Sie die Zeit „nach" der Coronakrise aus wirtschaftlicher Sicht?

Paul Gasser: Ich gehe davon aus, dass es in vielen Bereichen unserer Gesellschaft nach Corona einen Paradigmenwechsel geben wird. Die Welt wird auch nach dieser Krise global bleiben. Die Frage ist aber, in welcher Dimension und Geschwindigkeit die bisher exzessive Globalisierung fortgesetzt werden wird, und wie weit globale Abhängigkeiten künftig reichen dürfen. Jeder Staat wird sich fragen müssen, welche Grundleistungen er sicherstellen muss. Hier bräuchte es allerdings gemeinsame europäische Antworten. Für Europa wird diese Krise zu einer außerordentlichen Bewährungsprobe werden.

Herbert Von Leon: Aus meiner Sicht werden die lokalen Kreisläufe weiter an Bedeutung gewinnen. Gerade in schwierigen Zeiten zeigt sich auch der Wert der genossenschaftlichen Zusammenschlüsse. Mit Blick auf unsere Mitgliedsgenossenschaften bin ich zuversichtlich, dass sich auch die besonders betroffenen Sparten von dieser Krise wieder erholen werden, allerdings mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Auswirkungen.

INTERVIEW: THOMAS HANNI