Von Malfèr spricht von einem unterbrochenen Zugang zum Londoner Kapitalmarkt für die Genossenschaftsbanken und erwartet sich beim Hard Brexit höhere Kosten im Finanzbereich, auch weil zahlreiche in London ansässige Finanzgesellschaften ganze Produktionseinheiten nach Kontinentaleuropa verlagern und das Euroclearing (Abwicklung von Handelsgeschäften mit Euro-Wertpapieren) nach Frankfurt oder Paris übersiedeln werden. Er geht außerdem von einer Abwertung des Pfunds und der damit einhergehenden sinkenden Kaufkraft Großbritanniens aus. Eine weitere Erschwernis für den Export von Südtiroler Produkten aus Landwirtschaft und Industrie.
Für die Obstgenossenschaft VOG (Terlan) und VOG Products (Leifers) ist Großbritannien ein wichtiger Markt. Der Absatz von Äpfeln und Produkten aus Äpfeln wie Dunstäpfel, Konzentrate, Säfte und Püree läuft sehr gut und bis auf Währungsschwankungen, die sich jedoch aufgrund der Devisentermingeschäfte in Grenzen halten, gibt es derzeit keine Handelsbarrieren.
Gerhard Dichgans, Direktor der VOG mit Sitz in Terlan: "Großbritannien hat zwar eine eigene Produktion, kann aber aus klimatischen Gründen nicht alle nachgefragten Sorten anbauen. Wir arbeiten seit Jahren mit den größten Ketten des Lebensmittelhandels in Großbritannien zusammen und liefern vor allem Braeburn, Granny Smith und Pink Lady. Großbritannien ist außerdem einer der großen Märkte für Bioäpfel." Der Handel mit England unterlag, Dichgans zufolge, immer schon den Schwankungen des Wechselkurses: "All diese Zeiten haben wir überlebt. Daher wird sich hier nichts Grundlegendes ändern. Das gilt übrigens auch für die Wettbewerber wie Frankreich. England wird weiterhin auf Importe aus dem europäischen Raum angewiesen sein."
Manuel Bentivoglio, Leiter Verwaltung bei VOG Products in Leifers, zeigt sich hinsichtlich eines Brexits zuversichtlich: "Allerdings hängt alles von der Art des Brexits ab. Da aber Großbritannien für die Versorgung der eigenen Bevölkerung zu beinahe 60 Prozent von importierten europäischen Lebensmitteln abhängig ist, kann es sein, dass die negativen Auswirkungen für uns nicht so stark sein werden." Seiner Ansicht nach wird die Nachfrage an europäischem oder Südtiroler Obst und verarbeiteten Produkte wie z.B. Fruchtsäfte, daher nur unmerklich zurückgehen.
Der Sales Manager bei der VI.P Gen. landw. Gesellschaft, Fabio Zanesco, erklärt, dass die derzeitigen Handelskontakte zwischen der Vinschgauer Genossenschaft und dem Vereinigten Königreich minimal sind, auch weil Großbritannien mittlerweile - vor allem im konventionellen Bereich - eine eigene Produktion entwickelt. Großbritannien importiert derzeit vor allem biologische Äpfel oder jene Sorten, die nicht angebaut werden, wie beispielsweise Pink Lady: "In den letzten vier, fünf Jahren ist der Export nach Großbritannien zwar gewachsen, der Anteil beträgt jedoch lediglich 0,3 Prozent", unterstreicht Zanesco. Er bleibt positiv gestimmt, wenn es um die künftigen Geschäftsverbindung nach Großbritannien geht: "Ich glaube, dass es sich Großbritannien ganz einfach nicht leisten kann, die Handelsbeziehungen mit Europa zu unterbrechen. Der europäische Markt kann nicht so ohne weiteres ersetzt werden. Dennoch bleibt der Brexit derzeit noch ein Sprung ins Ungewisse", meint der Sales Manager.