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Brexit: der Sprung ins Ungewisse

Mit dem formal gestellten Antrag an die EU hat die britische Premierministerin Theresa May im März den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (Brexit) eingeleitet: es droht das Ende der Personenfreizügigkeit und ein erschwerter Austausch von Waren zwischen der EU und Großbritannien. Was bedeutet dies für die Genossenschaften in Südtirol?

Als der Großteil der Briten am 23. Juni 2016 mit dem Referendum für einen Ausstieg aus der Europäischen Union stimmte, war die Überraschung groß. Kaum jemand hatte mit diesem Ergebnis gerechnet. Ein Jahr später ist der anfängliche Schock überwunden, viele Fragen sind jedoch noch nicht geklärt. Darunter auch die Art und Weise des EU-Austritts.

Die erste Runde der Austrittsverhandlungen beginnt am 19. Juni. Dabei müssen die Rechte der Briten in Großbritannien und in der EU, die finanziellen Verpflichtungen Großbritanniens gegenüber der EU und die Grenzregelungen zwischen Großbritannien und Irland geklärt werden. Erst wenn in diesen grundlegenden Fragen eine Einigung erzielt wird, werden weitere Details verhandelt.

Martin von Malfèr, Finanzexperte der Raiffeisen Landesbank meint dazu: "Die Details der "Scheidung" müssen erst ausverhandelt werden, daher können die Auswirkungen des Brexits für Genossenschaften in Südtirol aus heutiger Sicht nicht eindeutig abgeschätzt werden." Dennoch stellt er drei mögliche Ausstiegs-Szenarien vor:

  • Walk out (Hard Brexit): Zerstreiten sich die Verhandlungspartner, rutscht England in die Rolle eines Welthandelsorganisation-Landes (WTO) und betreibt nur noch auf dieser Grundlage Handel mit der EU. Die Anerkennung der britischen Produkte in Europa müsste eigens beantragt werden. Vor allem die Dienstleistungsindustrie (Finanz-, Bank-, Versicherungs- und Tourismussektor ect.) würde ihre Zulassung in der EU verlieren.
  • Minimalkonsens und Verhandlungen, die sich in die Länge ziehen: Großbritannien sucht um zwischenzeitliche Aufnahme in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) an und übernimmt den EU-Rechtsrahmen, ohne ihn mitgestalten zu können. Am Ende kommt es zu einem selektiven Abkommen nach Schweizer Muster.
  • Rückkehr zur vollen Mitgliedschaft: Großbritannien wird sich der Folgen für die eigene Volkswirtschaft bewusst und kehrt zur vollen Mitgliedschaft zurück, bevor die zwei Jahre an Verhandlung enden.

Im ersten Fall, bei einem sogenannten Hard-Brexit, würden die Südtiroler Unternehmen die Folgen des Brexits in Südtirol am deutlichsten spüren: Univ.-Prof. Walter Obwexer aus Innsbruck, der am 9. Juni in der Handelskammer in Bozen zum Thema referiert, rechnet damit, dass Südtiroler Produkte Zöllen unterliegen und in Großbritannien nur noch verkauft werden können, wenn sie den dort geltenden Vorgaben entsprechen. Unternehmen aus Südtirol, die in Großbritannien tätig sind, könnten sich bei einem Hard Brexit auch nicht mehr auf die unionsrechtlich garantierte Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen stützen. Sie wären britischem Recht unterworfen, das auch sehr restriktiv ausfallen könnte. Die unterschiedlichen Normen und Auflagen würden daher eine Platzierung europäischer Produkte in Großbritannien beschränken.

Von Malfèr spricht von einem unterbrochenen Zugang zum Londoner Kapitalmarkt für die Genossenschaftsbanken und erwartet sich beim Hard Brexit höhere Kosten im Finanzbereich, auch weil zahlreiche in London ansässige Finanzgesellschaften ganze Produktionseinheiten nach Kontinentaleuropa verlagern und das Euroclearing (Abwicklung von Handelsgeschäften mit Euro-Wertpapieren) nach Frankfurt oder Paris übersiedeln werden. Er geht außerdem von einer Abwertung des Pfunds und der damit einhergehenden sinkenden Kaufkraft Großbritanniens aus. Eine weitere Erschwernis für den Export von Südtiroler Produkten aus Landwirtschaft und Industrie.

Für die Obstgenossenschaft VOG (Terlan) und VOG Products (Leifers) ist Großbritannien ein wichtiger Markt. Der Absatz von Äpfeln und Produkten aus Äpfeln wie Dunstäpfel, Konzentrate, Säfte und Püree läuft sehr gut und bis auf Währungsschwankungen, die sich jedoch aufgrund der Devisentermingeschäfte in Grenzen halten, gibt es derzeit keine Handelsbarrieren.

Gerhard Dichgans, Direktor der VOG mit Sitz in Terlan: "Großbritannien hat zwar eine eigene Produktion, kann aber aus klimatischen Gründen nicht alle nachgefragten Sorten anbauen. Wir arbeiten seit Jahren mit den größten Ketten des Lebensmittelhandels in Großbritannien zusammen und liefern vor allem Braeburn, Granny Smith und Pink Lady. Großbritannien ist außerdem einer der großen Märkte für Bioäpfel." Der Handel mit England unterlag, Dichgans zufolge, immer schon den Schwankungen des Wechselkurses: "All diese Zeiten haben wir überlebt. Daher wird sich hier nichts Grundlegendes ändern. Das gilt übrigens auch für die Wettbewerber wie Frankreich. England wird weiterhin auf Importe aus dem europäischen Raum angewiesen sein."

Manuel Bentivoglio, Leiter Verwaltung bei VOG Products in Leifers, zeigt sich hinsichtlich eines Brexits zuversichtlich: "Allerdings hängt alles von der Art des Brexits ab. Da aber Großbritannien für die Versorgung der eigenen Bevölkerung zu beinahe 60 Prozent von importierten europäischen Lebensmitteln abhängig ist, kann es sein, dass die negativen Auswirkungen für uns nicht so stark sein werden." Seiner Ansicht nach wird die Nachfrage an europäischem oder Südtiroler Obst und verarbeiteten Produkte wie z.B. Fruchtsäfte, daher nur unmerklich zurückgehen.

Der Sales Manager bei der VI.P Gen. landw. Gesellschaft, Fabio Zanesco, erklärt, dass die derzeitigen Handelskontakte zwischen der Vinschgauer Genossenschaft und dem Vereinigten Königreich minimal sind, auch weil Großbritannien mittlerweile - vor allem im konventionellen Bereich - eine eigene Produktion entwickelt. Großbritannien importiert derzeit vor allem biologische Äpfel oder jene Sorten, die nicht angebaut werden, wie beispielsweise Pink Lady: "In den letzten vier, fünf Jahren ist der Export nach Großbritannien zwar gewachsen, der Anteil beträgt jedoch lediglich 0,3 Prozent", unterstreicht Zanesco. Er bleibt positiv gestimmt, wenn es um die künftigen Geschäftsverbindung nach Großbritannien geht: "Ich glaube, dass es sich Großbritannien ganz einfach nicht leisten kann, die Handelsbeziehungen mit Europa zu unterbrechen. Der europäische Markt kann nicht so ohne weiteres ersetzt werden. Dennoch bleibt der Brexit derzeit noch ein Sprung ins Ungewisse", meint der Sales Manager.

Bettina Schmid, Leiterin der Abteilung Sales Support beim IDM Südtirol (Innovation, Developement, Marketing), geht davon aus, dass das Vereinigte Königreich weiterhin auf den Import von Produkten angewiesen ist und sich um gute Handelsverbindungen mit der EU bemühen wird. Sie unterstreicht, dass auch Anthony Fowler, der britischer Berater für IDM, diese Ansicht vertritt.

Südtirols Weinproduzenten zeigen sich in Bezug auf den Brexit gelassen. Der Marketingleiter des Konsortium Südtirol Wein, Werner Walpoth: "Theoretisch könnte man vom Brexit sogar profitieren. Der Anteil der DOC-Weine, die wir nach Großbritannien verkaufen, ist minimal und liegt bei 0,54 Prozent und die Märkte Russland, USA und Schweiz - ebenfalls Märkte außerhalb der EU - liegen alle vor Großbritannien." Der direkte Schaden für den Südtiroler Weinmarkt durch den Brexit hält sich Walpoth zufolge in Grenzen. Dennoch sei der englische Weinmarkt auch historisch gesehen wichtig. Walpoth: "Großbritannien ist der Markt mit der größten Strahlkraft und daher auch der umkämpfteste Markt überhaupt." Das Südtiroler Weinkonsortium wird jedenfalls weiterhin mit den Masters of wine, einem elitären Kreis von weltweit 340 Weinexperten, zusammenarbeiten.

Von Malfèr erwartet für den Südtiroler Weinsektor, vor allem im Spitzensegment, einen weiterhin positiven Absatz nach Großbritannien: "Die Abnahme durch wohlhabende Engländer wird durch den Brexit kaum in Mitleidenschaft gezogen werden. Das Billigsegment unter den Weinen wird hingegen mit Preisabschlägen rechnen müssen", ist Von Malfér überzeugt.

Britische Touristen werden ausbleiben

Von einem harten Brexit hingegen stärker betroffen ist der Tourismus. Briten leiden jetzt schon unter den steigenden Kosten für Auslandsurlaub (z.B. auch durch hohe Roaminggebühren). Auch ihr Status in Bezug auf die Krankenversicherung in der EU ist noch nicht geklärt. Hinzu käme, dass englische Touristiker den freien Zugang zu europäischen Urlaubszielen verlieren würden und sich lokaler Gesellschaften bedienen müssten. Damit würde die Anzahl britischer Touristen in Europa abnehmen.

"Allerdings", ergänzt von Malfèr abschließend, "englische Fluglinien und Billiganbieter, von denen auch Südtirols Urlauber profitieren, werden ihre Zweitsitze in ein EU Land verlegen und daher wird es kaum Auswirkungen auf die Preisgestaltung von Easyjet und Co. geben."

Derzeit nimmt Großbritannien - einer Information des IDM zufolge - den siebten Platz auf der Skala der wichtigsten Exportmärkte aus Südtiroler Sicht ein. Demnach gingen 2016 2,9 Prozent der Südtiroler Exporte nach Großbritannien. Die Exporte haben in den vergangenen vier Jahren konstant zugenommen und belaufen sich derzeit auf 127 Millionen Euro. Südtirol liefert vor allem Transportmittel und -komponenten sowie Nahrungsmittel, Getränke und Tabakerzeugnisse, gefolgt von landwirtschaftlichen Produkten und Metallen bzw. Metallprodukten.