Die unterschätzte Alternative: der faire Handel

Was ist bunt, mitten im Zentrum von Latsch und einzigartig für den gesamten Vinschgau? Der Weltladen in Latsch. Der erste Weltladen im Vinschgau feiert heuer im September sein fünfjähriges Bestehen. Mittlerweile hat er sich nicht nur als Geschäft und Treffpunkt, sondern auch als kultureller Impulsgeber weit über die Dorfgrenzen hinaus etabliert.

Vor genau fünf Jahren hat eine engagierte Gruppe von Freunden rund um Richard Theiner den Weltladen in Latsch gegründet. Theiner ist heute noch der Obmann der Genossenschaft: „Wir sind damals mit viel Engagement und Enthusiasmus gestartet. Die Bevölkerung war zunächst skeptisch, denn der Gedanke des fairen Handels war im Vinschgau noch kaum verbreitet.“ Mittlerweile schätzen nicht nur Latscher das vielfältige Angebot im Geschäft. Zur Auswahl stehen fair gehandelte Lebensmittel und Handwerkskunst von Kleinproduzenten aus Lateinamerika, Afrika, Asien UND Südtirol. Theiner: „Der faire Gedanke gilt auch für die lokalen Produzenten, das war uns von Anfang an wichtig. Auch hier brauchen viele Kleinproduzenten Solidarität.“

Fairer Handel garantiert den Erzeugern einen fairen Preis, der ein Leben in Würde ermöglicht. Die langfristig angelegte Zusammenarbeit sorgt für Planungssicherheit. Kunden wiederum haben die Sicherheit, dass das, was sie hier kaufen unter fairen Arbeitsbedingungen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurde.

Einkaufen – ein faires Erlebnis

Um den Fairtrade-Gedanke weiter zu verbreiten ist viel Sensibilisierungsarbeit nötig. Das ist allen, die sich hier im Geschäft einbringen, bewusst. Die Geschäftsführerin Dolly Stecher koordiniert die Freiwilligen, die nicht nur im Verkauf anpacken. Sie alle kennen die Produkte und ihre Geschichte: „Wir informieren unsere Kunden über die Herstellung, Herkunft und Verarbeitung. Egal ob die Produkte von der südlichen Hemisphäre oder von den Kleinproduzenten, Werkstätten und Handwerkern aus der Region stammen“, sagt die Geschäftsführerin. Bereits im Verlauf eines Verkaufsgesprächs kann das Bewusstsein für faire Artikel vermittelt werden.

Mittlerweile fragen Produzenten an, ob sie ihre Produkte im Weltladen verkaufen dürfen. Dann setzt sich das Team des Weltladens mit den jeweiligen Menschen auseinander und prüft, ob das Produkt aufgenommen wird. Das bunte Sortiment im Laden gefällt. Dank der vielen Kunden bilanziert das Geschäft mittlerweile positiv.

„Anders leben, anders reisen“

Seit knapp drei Jahren organisiert das Team des Weltladens – neben dem eigentlichen Kerngeschäft - alljährlich auch eine Reihe von Veranstaltungen. Unter dem Motto„Anders leben, anders reisen“erzählen Vortragende die Geschichten ihrer Reisen, ihrer Kulturen und ihrer Projekte. Theiner: „Bei diesen Veranstaltungen geht es nicht vordergründig um fairen Handel, eher um unterschiedliche Blickpunkte und Einstellungen.“ Wenn beispielsweise ein buddhistischer Mönch über das Geheimnis des Glücks spricht, oder der Dekan von Schlanders von seiner Herkunftskultur, eröffnen sich den Zuhörern Lebenswelten, die vielleicht zum „anders leben“ anregen.

Theiner freut sich über den großen Zuspruch der Veranstaltungen, denn es kommen nicht nur Menschen, die den Gedanken des fairen Handels mittragen. „Das ist das Spannende“, so Theiner. Spannend sei auch der Austausch, der sich im Anschluss der Vorträge entwickelt.

In diesem Frühjahr musste, Corona bedingt, das Programm abgesagt bzw. geändert werden. Seit Mitte Juli konnte die Veranstaltungsreihe wieder aufgenommen werden - unter Einhaltung der strengen Schutzmaßnahmen.

Über die Jahre ist durch die Arbeit im Weltladen ein großes Netzwerk entstanden zwischen Interessierten, Produzenten und lokalen Organisationen. „Vieles war gar nicht so geplant“, meint Theiner heute. „Viele docken einfach an und dann entstehen neue Projekte.“ So war es auch beim Kaffee Juanita: „Über Alps Coffee und eine Organisation in Deutschland entstand der Kontakt zu einem im Urwald von Honduras lebenden Indiostamm, den Pech.“ Dieser Indiostamm baut Kaffee in Mischkultur an, ohne jeglichen Einsatz von Chemie: „Die rund 6.000 Pechs leben absolut im Einklang mit der Natur. Ihr Kaffee ist 100 Prozent naturnah angebaut, auch wenn er nicht zertifiziert ist. Dem Stamm ist die Umwelt, „das Ganze“ wichtig“, sagt Theiner, der vor kurzem selbst in Honduras war zusammen mit Patrick Linser, einem Mitarbeiter von Alps Coffee Schreyögg.

Die Pech Indios, Alps Coffee und der Weltladen Latsch starteten gemeinsam das Kaffeeprojekt Juanita. Als Partner auf Augenhöhe gehen sie vom Anbau über die Röstung bis hin zur Verpackung keine faulen Kompromisse ein. Ein Beispiel: Da kräftige Niederschläge die Sonnentrocknung des Kaffees erschwerten, finanzierte Alps Coffee die ersten zehn Solartrockner im Indio Dorf.

Erfahrung mit Röstung von fairen Kaffee hat die Firma Schreyögg schon lange. Sie röstet auch für die wichtigsten Fairtrade Organisationen, für die GEPA aus Deutschland und für die EZA aus Österreich. Juanita ist ein heller Filterkaffee mit Langzeitröstung und fruchtigem Aroma, der vor allem für den Genuss zu Hause gedacht ist. Juanita gibt es mittlerweile in weitere Weltläden und Geschäften in Naturns, Kastelbell, Schlanders, Laas, Prad und Mals, sowie online unter www.weltladen-latsch.com. In Schlanders stellt die Eisdiele Ortler aus Juanita Kaffeeeis her.

Nische Faire Handel

Menschen in Südtirol bzw. Italien geben im Schnitt nur 16 Euro pro Kopf und Jahr für fair gehandelte Produkte aus. In Deutschland mit 25 Euro etwas mehr. Damit fristet der Faire Handel ein Nischendasein. Die jüngsten Skandale im Fleischsektor oder Berichte über die unmenschlichen Bedingungen für Erntehelfer in Süditalien führen Theiner zufolge jedoch allen Menschen vor Augen, wie ausbeuterisch Billigprodukte hergestellt werden. Theiner ist überzeugt, dass Fairtrade eine wichtig Alternative bietet: „Wenn entlang einer Produktionskette alle ausgebeutet werden, Menschen, Natur, Bauern und Arbeiter, macht das Produkt am Ende krank.“ Projekte für Fair Trade gibt es viele. Das derzeit geplante Projekt zur Verarbeitung von fair produzierten Mangos aus den Philippinen ist dabei nur eines von den zahlreichen engagierten Initiativen mit sozialem Hintergrund. Immer geht es um die Würde der Menschen und die Hilfe zu einem selbstbestimmten Leben.