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Genossenschaftsrechtler Hans Münkner: „Kein Modell für das schnelle, große Kapital“

Prof. Dr. Hans H. Münkner: "Genossenschaften sind ein ungeheuer flexibles Unternehmensmodell. Es ist auf die Bedürfnisse der Mitglieder fixiert und auf langfristigen Erfolg ausgerichtet. Für das schnelle große Kapital eignet es sich nicht."

Münkner, emeritierter Professor für in- und ausländisches Gesellschaftsrecht, Wirtschaftswissenschaften und Genossenschaftslehre gilt im deutschsprachigen Raum als DER Experte des internationalen Genossenschaftswesens. Er hat über viele Jahre das Institut für Kooperation in Entwicklungsländern der Universität Marburg geleitet und ist Experte in der Implementation von Genossenschaften und in der Genossenschaftsberatung in Europa, Asien und Lateinamerika. 

Am 9. November 2015 hielt er im Rahmen der Veranstaltung „Offene Universität“ am Campus Brixen der Freien Universität Bozen einen Vortrag zum Thema „Kooperative Wirtschaftskulturen und rechtliche Rahmenbedingungen von Genossenschaften im internationalen Raum“. 

Herr Münkner, Sie kennen die Entwicklung des Genossenschaftswesens seit Jahrzehnten. Welche Entwicklungen kann man hier feststellen? 

Es gibt zwei große Tendenzen: Einmal in Richtung auf Größenwachstum und Annäherung an das Modell der Aktiengesellschaft und die Ausrichtung auf soziale Aktivitäten und eine zunehmende Integration in etwas, was man als Economie Sociale bezeichnet, also einen dritten Sektor zwischen der staatlichen und privaten Wirtschaft.

Beide Tendenzen sind unterschiedlich stark ausgeprägt in den verschiedenen Ländern und Teilen der Welt. Die Frage, wie kann man gleichzeitig groß werden und trotzdem örtliche Nähe beibehalten bleibt ein zentrales Kriterium der Effizienz. 

Gibt es eine ideale Größe für Genossenschaften?

Was man sagen kann, ist, dass Genossenschaften sich nicht für Aktivitäten eignen, die schnell großes Kapital sammeln müssen. Dafür eignet sich das Modell der Aktiengesellschaft wesentlich besser. Genossenschaften arbeiten typischerweise mit Leuten, die Förderung suchen und Finanzierungsbeiträge für einen gemeinsamen Betrieb leisten. Genossenschaften sind auf die Bedürfnisse ihrer Mitglieder fixiert, also auf eine Bedarfswirtschaft, die langfristig Erfolge bringen muss.

Es ist allgemein anerkannt, dass sich die Genossenschaftsbanken in den Jahren der Finanz- und Bankenkrise gut geschlagen haben. Mit der Europäischen Bankenunion stehen nun aber auch die Genossenschaftsbanken vor neuen Herausforderungen. Wie bewerten Sie diese? 

Das gute Abschneiden der Genossenschaftsbanken in der Krise war natürlich ein Pluspunkt in ihrer eigenen Argumentation und es stimmt, dass der Finanzkapitalismus am grauen Markt und in Hedgefonds nicht funktioniert hat. Das ergibt einen gewissen Plus für Genossenschaften, auf der anderen Seite ist das Herausstellen der eigenen Merkmale, der Besonderheiten, der Alleinstellungsmerkmale wichtig, sonst kann man sie nicht heranziehen und wenn man die alle absetzt, z.B. demokratische Struktur der Leitung durch eine autoritäre Verwaltungsstruktur und nicht mehr mit Vertretern der Mitglieder, die da mitbestimmen, sondern extern eingekaufte Experten, die als externe Direktoren sozusagen, das Geschäft machen, dann ist die Überzeugungskraft der Argumenten – WIR sind als GENOSSENSCHAFT anders – etwas schwächer. 

Der Kernauftrag jeder Genossenschaft liegt darin, ihre Mitglieder zu fördern. Inwieweit tun sich Genossenschaften heute schwerer, diesen genossenschaftlichen Förderauftrag auch wirklich zu erfüllen?

Der Förderauftrag als Grundsatz lässt sich nicht wegnehmen, denn sonst verliert das ganze Modell seinen Sinn. Der Förderauftrag zeigt sich auch in der Identität von Träger und Nutzer, da die Mitglieder gleichzeitig Träger und Nutzer der Leistungen sind. 

Vielen Dank für das Gespräch!