Haus Noldin Salurn: Unterkunft und Kultur im ehemaligen Jugendhaus

Nach grundlegender Generalsanierung zeigt sich das, von der Genossenschaft AFRA geführte, Jugendhaus Noldin im Zentrum von Salurn neu: als Haus Noldin. Der herausfordernde und erfolgreich abgeschlossene Umbau erweckt auch den Geist des Gründers neu.

„Wer das Konzept des vor kurzem wiedereröffneten Haus Noldin – ehemals Jugendhaus Noldin – in Salurn verstehen will, tut gut daran, sich mit der Biografie des Gründers Josef Noldin (1888-1929) auseinanderzusetzen“, ist Franz Kosta, Obmann der Genossenschaft AFRA überzeugt und überzeugt auch alle, die er durch das Haus führt.

Wer das Haus Noldin betritt, kommt ohnehin nicht an der Biografie des Gründers vorbei. Denn bereits im Eingangsbereich erzählen Bilder und Einzelstücke in der Vitrine aus seinem Leben und der k. u. k. Monarchie, darunter eine Originalkopie des Vertrages von St. Germain und ein persönlicher Glaskrug von Josef Noldin.

Die Familie Noldin stammte ursprünglich aus dem Val di Non. 1790 kam sie vom tirolerischen Nonstal ins tirolerische Salurn. „Probleme mit den Sprachen gab es damals keine. Noldin sprach selbst Deutsch, Italienisch und Russisch, hat die k. u. k. Oberschule in Roverto besucht und anschließend in Innsbruck studiert“, weiß Franz Kosta. Verschiedene Sprachen waren auf österreichisch-ungarischem Gebiet kein Problem. Im Süden Südtirols wurde unabhängig von der Sprache geheiratet und anschließend die Sprache gelernt. „Erst das spätere Konzept der Nationen mit den Ruf „Völker einer Sprache vereinigt euch“ hat den Vielvölkerstaat ein bisschen kaputt gemacht“, erinnert Kosta.

Der Rechtsanwalt Josef Noldin unterrichtete in der Zeit des Faschismus in einer Katakombenschule in Salurn Deutsch. Dafür wurde er „confiniert“ und nach Lipari verbannt und kam dort mit anderen verbannten Menschen aus der ehemaligen k. u. k. Monarchie zusammen. „Und was macht Josef Noldin dort sieben Tage in der Woche? Er unterrichtet Deutsch und schreibt nach Salurn an den Großvater von Franz Kosta: „Meister Costa das für das ich confiniert wurde, mache ich jetzt alle Tage hier auf Lipari, es ist heiß und schwül, aber alle wollen Deutsch lernen.“

Und hier schließt sich der Kreis, denn die Genossenschaft AFRA, Mitgliedsgenossenschaft im Raiffeisenverband, hat es sich zur Aufgabe gemacht grenzüberschreitende Zusammenarbeit zum Thema Familien, Schule und Beruf sowie Jugendarbeit zu fördern und Lernhilfe anzubieten. So kommen derzeit rund 130 Kinder der deutschen und italienischen Grundschulen zum Mittagessen ins Haus Noldin. Ab 14.00 Uhr hilft ihnen ausgebildetes Personal, Oberschul- oder Hochschulstudent*innen bei den Hausaufgaben oder übt mit ihnen Unterrichtsfächer, in denen sie Schwierigkeiten haben. Bis maximal 18.00 Uhr werden die Kinder nach den Hausaufgaben mit Spielen und Bastelarbeiten unterhalten. Franz Kosta ergänzt: „Wir bieten auch Deutsch- und Italienischkurse an, inklusive Kinderbetreuung. Vor allem für arabisch sprechende Frauen. Unser Angebot ist zwar nur ein kleiner Tropfen, aber immerhin ein Beitrag für eine bessere Integration der neuen Mitbürger*innen.“

Mit dem Umbau zeigt sich Obmann Franz Kosta, selbst Architekt, zufrieden: „Architekt Werner Reifner hat unsere Philosophie verstanden und wusste, wie wir den Umbau angehen müssen. Denn mit dem Budget, das wir hatten, würde man im Oberland nur eine Garage bauen.“ Umgebaut wurde jedoch (fast) das gesamte Haus, mit viel Herzblut, Philosophie und alternativen Lösungen.

Das Ergebnis überzeugt: Aus den Mehrbettzimmern des ehemaligen Jugendhauses mit Badezimmern auf dem Gang, entstanden ansprechende Gästezimmer. Die historischen Zimmer wurden rückgebaut und gedämmt. In allen Zimmern wurden Badezimmer und Parkettböden eingebaut, die Heizkörper und Fenster belassen und farblich angepasst.

Heute sind alle Ebenen barrierefrei über den - neu ins Haus integrierten - Aufzug erreichbar. Alles ist funktionell und geschmackvoll eingerichtet mit viel Fantasie und Engagement. Gut arrangierte, goldgerahmte Bilder und Figuren – großteils günstig auf Flohmärkten erstanden – zieren die Wände. Originalmöbel und Leihgaben von befreundeten Gönner*innen ergänzen das Mobiliar. Auf diese Weise konnte man Kosten sparen.

Unter dem Dach war es im Winter kalt und im Sommer heiß. Heute wird das neu gestaltete und gut isolierte Dachgeschoss u.a. für die Nachmittagsbetreuung der Schulkinder genutzt. Auch der Hof wurde neu gepflastert und mit Wasser und Strom für Veranstaltungen ausgerüstet. Das wissen vor allem Vereine der Umgebung zu schätzen, die Haus und Platz für Sitzungen, Treffen und Veranstaltungen nutzen können.

Wie damals beherbergt das Haus Noldin im Zentrum von Salurn Menschen aus der ganzen Welt: nicht nur Schulklassen und Jugendorganisationen, sondern auch Familien, Durchreisende wie Radfahrer und Wanderer. Die Räumlichkeiten können auch für Seminare und Tagungen abseits vom Alltagsstress gebucht werden. Franz Kosta meint abschließend: „In alten Berichten steht, dass man in Salurn mehrere Sprachen hört. Das ist auch heute noch so. Und ich sehe das Haus Noldin als Zentrum all dessen. Wir setzen uns für den Austausch zwischen Süd- und Nordtirol und anderen Kulturen ein. Und wir haben viel zu tun (lacht).“

Einblicke in das neu renovierte Haus

Der Salurner Bürger Dr. Josef Noldin (1888-1929) war nach der faschistischen Machtergreifung ein Vorkämpfer für die Rechte der deutschen Volksgruppe. Er organisierte die sogenannten Katakombenschulen für den Geheimunterricht der deutschen Sprache, wofür er 1927 verhaftet und auf die Insel Lipari verbannt wurde. Ein Jahr nach seiner Rückkehr erlag er einer schweren Krankheit.

1977 wurde das Haus, in dem Josef Noldin gelebt hatte, vor allem durch die Unterstützung der Tiroler Landesregierung, sowie des österreichischen Bundesministeriums für Unterricht in ein Jugendhaus umgebaut. Mit seinen Vortragssälen und der Aula wurde es bald zur Heimat verschiedener deutschsprachiger Vereine und zu einem Treffpunkt für Nord-, Ost- und Südtiroler.