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KULTIVAS: Innovatives Pilotprojekt für die lokale Obstwirtschaft

Die Südtiroler Apfelwirtschaft steht derzeit vor großen Herausforderungen: hoher Preisdruck, steigende Konkurrenz sowie hohe Anforderungen an die Qualität der Produkte und Umweltschutz. Eine effiziente und ressourcenschonende Standortauswahl und Bewirtschaftung der Anbauflächen sind deshalb wichtiger denn je.

Wie Big Data-Technologien erfolgversprechend eingesetzt werden können, zeigt das innovative Pilotprojekt KULTIVAS, das vom IT-Unternehmen KONVERTO AG in Kooperation mit dem Raiffeisenverband Südtirol und dem Versuchszentrum Laimburg durchgeführt wird. Wir haben bei den Projektpartnern nachgefragt, welche Ziele "KULTIVAS" verfolgt und welche Vorteile sich für die Obstproduzenten daraus ergeben.

Herr Gasser, warum hat man das Pilotprojekt KULTIVAS ins Leben gerufen?

Paul Gasser:  Die Mitgliedsgenossenschaften zu fördern, ist Kernauftrag des Raiffeisenverbandes. Dazu zählt auch, den Mitgliedern technologische und digitale Innovation zu vermitteln und zugänglich zu machen. Das Projekt KULTIVAS, das der  Raiffeisenverband mit Nachdruck voranbringt, ist ein konkretes Beispiel, wie sich die Landwirtschaft die Technologien der digitalen Transformation zu Nutze machen kann.

Herr Werth, was sind die technischen und innovativen Ziele des Projektes und wo liegt die größte Herausforderung?

Peter Werth: Die Digitalisierung schreitet auch im Bereich der Landwirtschaft unaufhaltsam voran. Innovativ bei diesem Pilotprojekt ist zum einen die technische Umsetzung, die auf modernsten Cloud-Komponenten und neuesten Ansätzen aus den Bereichen Datenmodellierung und Machine-Learning setzt. Zum anderen ist es auch die Zusammensetzung des Umsetzungsteams: Software- und Cloud-Experten aus dem privaten Sektor (KONVERTO) arbeiten mit Forschern und Agronomen führender Institute (Laimburg/Eurac) zusammen, die mit ihrem agronomischen Wissen das Projekt bereichern. Die größte Herausforderung liegt darin zu beweisen, dass ein datenbasierter Ansatz für das Sortenlagen-Problem im Apfelanbau funktioniert. 

Herr Oberhuber, welche Ausgangssituationen der Südtiroler Apfelwirtschaft liegen dem Projekt zugrunde?

Michael Oberhuber: Südtirols Obstbau ist gut aufgestellt, um die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen. Umfangreiche Datensätze zum Apfel sind entlang der gesamten Wertschöpfungsquelle vorhanden. Allerdings sind sie zwischen Genossenschaften, Beratern, öffentlichen Ämtern und Versuchswesen verteilt. Die Zusammenführung von Daten der verschiedenen Apfelsorten im Projekt KULTIVAS löst genau dieses Problem.

Wie ist das Projekt zustande gekommen bzw. wie ist es gelungen, die Interessen der Projektpartner zu vereinen?

Paul Gasser: Es hat Gespräche im engeren Kreis zwischen der Laimburg, KONVERTO und dem Raiffeisenverband gegeben. Dabei war und ist man der Überzeugung, dass der Weg zur Digitalisierung über die Vernetzung der verschiedenen Akteure führt. Nach einer ersten Projektkonzeption galt es, den Beratungsring, VI.P, VOG und weitere Partner für diese Idee zu gewinnen, was gut gelungen ist.

Welchen Wert hat das Projekt aus agronomischer Sicht und für die lokale Wirtschaft?

Michael Oberhuber: Neuanlagen stellen den Obstbauer vor die schwierige Entscheidung, die optimale Sorte für seine Lagen zu wählen. Die heutigen Empfehlungen fußen auf einer wissenschaftlichen Sortenprüfung und Pilotanlagen, die naturgemäß auf wenige Standorte begrenzt sind. Die fehlenden Daten von den vielfältigen Lagen in Südtirol werden durch Erfahrung kompensiert. Hier setzt das Projekt KULTIVAS an und wertet bestehende Anbau- und Qualitätsdaten aus, um Standorteignungen für die erfolgreichen Sorten am Markt besser vorauszusagen.

Auf welchen Technologien basiert das Projekt und welche Rolle nimmt KONVERTO dabei ein?

Peter Werth:  KULTIVAS basiert vollständig auf einer modernen Microsoft Cloud-Infrastruktur. Für Big-Data-Projekte wie dieses eignet sich die Cloud besonders gut, da sehr große Datenmengen verarbeitet werden. Mit konventionellen Mitteln würden diese nur sehr langsam verarbeitet werden können. Der größte Vorteil unserer Plattform ist jedoch die beinahe unbeschränkte Skalierbarkeit: kleine sowie auch riesige Datenmengen (Petabyte) können gespeichert und verarbeitet werden. Wichtig für KONVERTO war es, dass bereits bei der Planung der Plattform auch deren Nutzung für zukünftige Projekte der Landwirtschaft und weitere Fragestellungen angedacht wurde.

Die Technologisierung der Landwirtschaft ist auch in Südtirol in vollem Gang. Welche Prioritäten setzt das Versuchszentrum Laimburg in diesem Zusammenhang?

Michael Oberhuber: In Bezug auf die Obstwirtschaft haben wir die nächste Generation der Apfelwiese im Blick. Wir wollen aus der Vielzahl an digitalen Technologien jene auswählen, die dem Obstbau die größten Vorteile in Bezug auf Effizienz, Nachhaltigkeit und Qualität des Apfels bieten. Dafür errichten wir derzeit ein offenes Versuchsfeld, in dem wir digitale Technologien prüfen und zum System der Zukunft zusammenführen. Wir nennen es LIDO, Laimburg Integrated Digital Orchard.

Inwieweit können die Ergebnisse des Projektes wegweisend für das Genossenschaftswesen in Südtirol sein?

Paul Gasser: Wir müssen schauen, dass wir in Südtirol aufgrund der Kleinstrukturiertheit der landwirtschaftlichen Betriebe gegenüber anderen Gebieten nicht ins Hintertreffen geraten. Es geht darum, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Die Digitalisierung spielt dabei eine entscheidende Rolle. KULTIVAS ist diesbezüglich ein Anfang, weitere Projekte müssen folgen und die digitale Vernetzung muss fortgeführt werden.

Welche zukünftigen Visionen hat KONVERTO für das Projekt und werden weitere Partnerschaften angestrebt?

Peter Werth: Wir sehen KULTIVAS als Chance, einen einheitlichen Datenspeicher für viele verschiedene Datenquellen der Landwirtschaft zu schaffen. Durch Projekte, wie dieses Sortenlagen-Pilotprojekt, werden neue Erkenntnisse gewonnen, die vorher in den Datenbergen verborgen lagen. KONVERTO fungiert hier als Plattformbetreiber, die Datenlieferanten geben jedoch keine Rechte an ihren Rohdaten ab. In Zukunft soll das Projekt auf weitere, in Südtirol noch nicht oder nur selten angebaute Sorten erweitert werden. Außerdem können mit der geschaffenen Basis viele weitere Probleme, die in Zukunft immer akuter werden, wie z.B. Wasserknappheit oder höhere Temperaturen, analysiert werden.  Erst durch das Zusammenführen von Wissen lassen sich wichtige Fragen der Zukunft beantworten, sprich, die Resultate kommen allen beteiligten Partnern der Südtiroler Landwirtschaft zugute.