Medienfrühstück am Tag der Frau: Raiffeisen-Sozialgenossenschaften im Fokus

Zum heutigen Tag der Frau organisierte der Raiffeisenverband Südtirol das Medienfrühstück: „Starke Frauen – starke Leistung. Über die gesellschaftliche Bedeutung der vorwiegend von Frauen geleisteten Arbeit in Sozialgenossenschaften“. Damit möchte der Verband den Frauen und ihrer Arbeit mehr Sichtbarkeit verschaffen.

Frauen in Sozialgenossenschaften und ihre Dienste sind in der öffentlichen Wahrnehmung wenig präsent. Auch am Tag der Frau denkt kaum jemand an sie und dies, obwohl ihre Arbeit gesellschaftlich äußerst wichtig ist. Christian Tanner, Vizedirektor des Raiffeisenverbandes Südtirol und Bereichsleiter für Soziales & Bildung im Verband, betonte:

"Es gibt in Südtirol mehr Frauen als Männer mit einer Beschäftigungsquote von mehr al 66 %, wovon viele im Öffentlichen Dienst, aber auch im sog. „Dritten Sektor“ arbeiten. Gerade der Dritte Sektor hat somit eine zentrale Bedeutung für die Gesellschaft, da sie zum einen eine familienfreundliche Beschäftigung ermöglicht, aber auch wesentliche Unterstützungsleistungen für die Gesellschaft bietet – einen Schritt hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit."

Dass in diesem Sektor hauptsächlich Frauen arbeiten, zeigt sich auch bei der Geschlechterverteilung in den Führungsebenen. Paulina Schwarz, Vize-Obfrau des Raiffeisenverbandes und Vorsitzende des Arbeitskreises für Frauen in der Führung von Genossenschaften, setzt sich, zusammen mit ihrem Team, seit 2015 für mehr Frauen in Führungsgremien von Genossenschaften ein: „Bei den Sozialgenossenschaften liegt zwar ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen vor, weil es sich um Bereiche handelt, wo Frauen immer schon vermehrt tätig sind. Dennoch ist es zu hinterfragen: Wenn 9 von 10 Beschäftigten Frauen sind, müsste sich das auch in der Führungsebene widerspiegeln. Im Bereich der Raiffeisenkassen sehen wir, dass die Anzahl von Frauen in Führungsgremien inzwischen zunimmt. In den Bereichen Landwirtschaft und Energie hingegen steigt die Anzahl der Frauen in den Verwaltungsräten und Aufsichtsräten nur langsam. Deshalb benötigt es nach wie vor viel Sensibilisierungs- und Bewusstseinsarbeit.“ 

Wie vielseitig die Tätigkeitsfelder von Sozialgenossenschaften sind, zeigt der Blick auf das Angebot der 38 Sozialgenossenschaften im Raiffeisenverband. Sie bieten Betreuung von Kindern, Senioren und beeinträchtigte Menschen, bis hin zu Bildung, Gesundheit oder Verkauf von fairen Produkten in den Weltläden. Sie begleiten Menschen durch das ganze Leben hindurch. 

Im Rahmen des Medienfrühstücks gaben Petra Bisaglia, Geschäftsführerin der Sozialgenossenschaft Coccinella, Sabine Cagol, Obfrau der Sozialgenossenschaft IARTS und Ursula Thaler, Obfrau der Sozialgenossenschaft humanitas24, Einblick in ihre Arbeit.

Petra Bisaglia, Geschäftsführerin der Sozialgenossenschaft Coccinella sah die Wiedereröffnung der Dienste nach dem ersten Lockdown der Pandemie unter sehr schwierigen Umständen als größte Herausforderung der letzten Jahre. Weiters das Management der zahlreichen Schließungen aufgrund der Quarantänen in den Jahren 2021/2022 und die jahrelangen komplexen Verhandlungen, welche 2023 zur Lohnerhöhung für die Kinderbetreuerinnen geführt haben.

Die Genossenschaft Coccinella betreut derzeit rund 450 Kinder (340 Kinder in den Kitas, 70 Kinder beim Tagesmutterdienst, 40 Kinder in der Nachmittagsbetreuung) plus die ca. 200 Kinder, welche bei den Sommerprojekten dazukommen. 

Im Bereich Kinderbetreuung arbeiten vorwiegend Frauen, so auch bei Coccinella: aktuell sind es rund 120 Mitarbeiter*innen, davon zwei Männer als Kleinkindbetreuer und drei als Köche bzw. Hausmeister. „Daneben arbeiten zwei Männer im Verwaltungsrat. Leider gibt es sehr wenige ausgebildete Kinderbetreuer und Tagesväter, wir wären froh, wenn es mehr gäbe. Pädagogen bevorzugen oft Berufe mit größeren Kindern und Jugendlichen“, so Bisaglia.

Sabine Cagol, Obfrau der Sozialgenossenschaft IARTS - Systemische Institut für Forschung und Therapie-Südtirol erklärte: „Unser Angebot richtet sich an Berufsfiguren, die der kontinuierlichen Fort- und Weiterbildungspflicht im sanitären Bereich unterliegen, sprich Berufe wie Psycholog*innen/Psychotherapeut*innen, Ärzt*innen, Pfleger*innen, Ergotherapeut*innen usw. Im sozialen Bereich arbeiten wir mit Pädagog*innen, Sozialassistent*innen und Erzieher*innen.“

Geboten werden außerdem Workshops und Vorträge zur psychischen Gesundheit in Betrieben, sowie Angebote zu Leadership und Training für Führungskräfte. Die operative Tätigkeit des Instituts umfasst auch Einzel- und Teamsupervision bzw. Coaching für Einrichtungen, sowie Organisationsberatung von Betrieben. Cagol weiter: „Wir setzen uns für Information und Prävention ein. Dies geschieht durch öffentlich zugängliche Veranstaltungen zu Themen der psychischen Gesundheit.“

Zur Geschlechterverteilung im sozialen Sektor meint sie: „Die soziosanitäre Berufslandschaft ist seit jeher von einer Überzahl an Frauen geprägt. Bei unseren Lehrgängen, Seminaren und Supervisionen kommen häufig auf 10 weibliche Teilnehmer nur 1 bis 2 Männer.“

Für Ursula Thaler, Obfrau der Sozialgenossenschaft humanitas24, ist die Betreuung und Begleitung von älteren Menschen seit jeher ein Herzensanliegen. Nach vielen Jahren im öffentlichen Dienst als Einsatzleiterin in der Hauspflege sah sie die Notwendigkeit, individuelle Betreuungsangebote für zu Hause anzubieten: „Unser Angebot entlastet die Angehörigen. Durch eine Betreuerin in Voll- oder Teilzeit wird Zeit frei für die eigene Arbeitstätigkeit außerhalb der Familie. Diese ist hinsichtlich der Rentenvorsorge die beste Möglichkeit, sich abzusichern. Immer noch ist es einigen Frauen nicht bewusst, dass sie sich selbst um ihre Rentenvorsorge kümmern müssen. Die Altersarmut ist tatsächlich ein unterschätztes Risiko, das vor allem Frauen betrifft! Hier ist weiterhin Aufklärung notwendig!“

Als größte Herausforderung der Sozialgenossenschaft nennt sie: „Das Netzwerk mit interessierten Betreuerinnen (badante) zu pflegen und so im Bedarfsfall für die Familien die aus unserer Sicht geeignete Person vorschlagen zu können.“ Sie ist davon überzeugt, dass sich in der Seniorenbetreuung in den nächsten Jahren noch vieles tun wird und neue Wege und Möglichkeiten angedacht werden müssen.